1970: Interview mit Hanns Dieter Hüsch | Kleinkunst im Gespräch | DW | 17.07.2020
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Kleinkunst im Gespräch

1970: Interview mit Hanns Dieter Hüsch

"Distanz gehört zum Handwerk des Kabarettisten" - Hanns Dieter Hüsch über seinen Beruf

Deutschland Bonn Kabarettist Hanns Dieter Hüsch

Hanns Dieter Hüsch (1999)

Er schrieb über 70 Kabarettprogramme, tourte unermüdlich durch die Lande und war einer der bekanntesten Kabarettisten Deutschlands. Bis zum Jahr 2000 prägte Hanns Dieter Hüsch wie kaum ein anderer die Kabarettszene deutscher Zunge.

Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch

Hanns Dieter Hüsch im ZDF (1975)

  Krieg und Füße

Hanns Dieter Hüsch wurde am 2.5.25 in Moers geboren. Nach dem Abitur blieb ihm der Kriegsdienst erspart, da Hüsch an einer Fußerkrankung litt, die auch nach mehreren Operationen nicht beseitigt werden konnte. Die vielfach zitierte Feststellung in seinen Memoiren von 1990 lautete dann: "Mein Leben verdanke ich meinen Füßen". Anfangs erfüllte er den Wunsch seiner Mutter und begann in Gießen ein Studium der Medizin, das er schließlich abbrach, um ein Studium der Theaterwissenschaft und Literaturgeschichte in Mainz zu beginnen. Auch diese Studienrichtung brachte ihm keinen akademischen Abschluss. Doch die Zeit der 1940-er Jahre fruchtete bereits mit den ersten Gedichten und Chansons aus seiner Feder, die sich für ihn als die Eintrittskarte auf die Bühnen des Studenten-Kabaretts erwiesen. Zunächst trat er als Musiker der Musikband "Uni-Rhythmiker" bei und wurde bald Mitglied des Mainzer Studentenkabaretts "Die Tol(l)eranten", mit dem er die ersten Auftritte an mehreren Hochschulen absolvierte. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt sein erster Versuch eines Solo-Programms, das den Titel "Das literarische Klavier" trug.  Der Grundstein für eine der erfolgreichsten Karrieren im deutschsprachigen Kabarett-Betrieb war gelegt.

Der notorische Nörgler 

Deutschland Köln Musik Hanns-Dieter Hüsch mit Toni Polster und Wolfgang Niedecken

Hanns-Dieter Hüsch mit Toni Polster und Wolfgang Niedecken (Köln, 1998)

In den 50-er Jahren entstand in Mainz das Kabarett "arche nova", das Hanns Dieter Hüsch etwa sechs Jahre lang leitete. Im Jahr 1962 fasste der zweifache Studienabbrecher endlich den Entschluss, nur noch solistisch auf der Bühne zu arbeiten. Bald sollte sich herausstellen, wie richtig diese Entscheidung war: Hanns Dieter Hüsch avancierte binnen kurzer Zeit zu einem der führenden Vertreter seiner Zunft. Als scharfsinniger Beobachter des alltäglichen Lebens verarbeitete er aktuelle Themen, die ihn bewegten (wie etwa Rechtsradikalismus, oder der kalter Krieg). Dabei entwickelte Hanns Dieter Hüsch einen eigenen Sprachstil, der bald für ihn bis zum Schluss sein Markenzeichen wurde. Neben dem einzigartigen Stil seiner Vorträge etablierte Hanns Dieter Hüsch seit 1968 bei seinen Bühnenauftritten noch ein weiteres markantes Element: anstelle eines Klaviers oder Flügels setzte er eine Philicorda-Orgel ein, die von nun an seine ständige Begleiterin wurde. Unvergessen bleibt seine Figur des notorischen Nörglers "Hagenbuch", der sich über noch so winzige Kleinigkeit über lange Strecken auslassen konnte. Während seiner aktiven Zeit auf der Kleinkunstbühne begeisterte Hanns Dieter Hüsch seine Fangemeinde in über siebzig Programmen, von denen einige mit etwas weniger und andere mit umso größerem Enthusiasmus von der Kritik aufgenommen wurden. Hanns Dieter Hüsch verabschiedete sich von der Bühne mit einem Programm unter dem Titel "Wir sehen uns wieder."  Seine letzte Veröffentlichung "Zugabe" erschien 2003.

Deutschland Bonn Kabarettist Hanns Dieter Hüsch

Hanns Dieter Hüsch in Köln bei einem Konzert zum Gedenken an die Reichspogromnacht (1998)

  Auf Leinwand und Mattscheibe

Seine Popularität verdankte Hanns Dieter Hüsch jedoch nicht nur der Bühne. Der Kabarettist war ebenfalls als Synchronsprecher beim Film erfolgreich  (in fast 400 Folgen war er zum Beispiel der Sprecher in der deutschen Fassung von "Dick und Doof" mit  Stan Laurel und Oliver Hardy) und als  Schauspieler und Moderator beim Fernsehen  (ARD, ZDF) kein unbeschriebenes Blatt. So feierte er unter anderem einen großen Fernseherfolg als Familienvater in der ARD-Serie "Goldener Sonntag". Neben zahlreichen Soloauftritten bei diversen Sendern gehörte zu seinen bekanntesten Fernsehsendungen unter anderem die Unterhaltungssendung des Saarländischen Rundfunks "Gesellschaftsabend", in der Hanns Dieter Hüsch Künstler aus Kabarett, Jazz und Chanson zu Gast hatte. Zahlreiche Schallplatten machten das Schaffen des Wortkünstlers einem breiteren Publikum zugänglich. Unendlich lang ist die Liste der Preise und Auszeichnungen, mit denen Hanns Dieter Hüsch geehrt wurde. So war er der erste Träger des Deutschen Kleinkunstpreises, der seit 1972 verliehen wird. Der "Humorpoet des Alltags" ("Der Spiegel", 6.12.2005) war auch Träger des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, der ihm 1998 verliehen wurde. Hanns Dieter Hüsch starb am 6.12.2005 in Windeck-Werfen. Die Stadt Moers nannte nach ihm das städtische Bildungszentrum in das „Hanns-Dieter-Hüsch-Bildungszentrum“ um und weihte in der Moerser Altstadt einem Hanns-Dieter-Hüsch-Platz ein. In unzähligen Nachrufen ehrten die Gazetten den Ausnahme-Kabarettisten. So bescheinigte ihm etwa "Die Zeit" in ihrem Nachruf vom 7.12.2005 unter anderem: "Er lehrte, doch er war kein Oberlehrer.“

Im Juni 1970 sprach DW-Redakteurin Ursula Deutschendorf mit Hanns Dieter Hüsch über sein Leben als Kabarettist.

Autor: Andreas Zemke

Redaktion: Uta Hardes-Schmeißer

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