Interview mit Therese Giehse - Februar 1968 | Schauspieler im Gespräch | DW | 15.11.2010
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Schauspieler im Gespräch

Interview mit Therese Giehse - Februar 1968

"Ich war immer zu dick" – Therese Giehse über die Anfänge ihrer Schauspielkarriere

Therese Giehse am 11.2.73 im Berliner Ensemble in Berlin-Mitte

Therese Giehse am 11.2.73 im Berliner Ensemble in Berlin-Mitte

Bertolt Brecht nannte sie "die größte Schauspielerin in Europa", für den "Spiegel" vom 10.3.75 war sie zumindest "Deutschlands größte Schauspielerin" und "Die Welt" vom 6.3.73 konstatierte: "Sie wurde innerhalb ganz kurzer Zeit eine der beliebtesten Schauspielerinnen Münchens, mehr geliebt als beliebt." Und die Deutsche Post ehrte sie ebenfalls: Therese Giehses Porträt zierte seit November 1988 eine der Briefmarken aus der Serie "Frauen der deutschen Geschichte", die von 1986 bis 2003 erschien. Es war eine stille, zugleich aber eindrucksvolle Schauspielkarriere.

Auf Umwegen an die Münchner Kammerspiele

Therese Giehse wurde am 6.3.1898 in der jüdischen Familie des Kaufmanns Salomon Gift in München geboren. Als Zwanzigjährige begann sie Schauspielunterricht bei Tony Wittels-Stury zu nehmen, den sie dann 2 Jahre lang absolvierte. Seit 1920 bekam sie die ersten Engagements, die sie bis 1925 nach Landshut, Siegen, Gleiwitz, auf die Bayerische Landesbühne und schließlich nach Breslau führten. Doch die vorläufige "Endstation" sollte noch kommen: ab 1925 spielte Therese Giehse bei den Münchner Kammerspielen. Und die Rollen, die ihr anvertraut wurden, bestätigten ihr großes Talent als Charakterdarstellerin, wobei sie fast ausschließlich ältere Frauen spielte.

Die Schweizer Kabarettjahre

Für die "braune Masse" war Therese Giehse ebenfalls ein Star, bei dem sie die jüdische Herkunft nicht vermuteten. So schreibt der "Völkische Beobachter": "Endlich ein deutsches Weib in diesem verjudeten Haus". Noch 1933 gründete Therese Giehse zusammen mit Erika und Klaus Mann das Kabarett "Die Pfeffermühle", das sich auch kritisch gegenüber den Nazis äußerte. Doch bald musste sie ins Ausland fliehen, und so verließ Giehse am 13.3.33 Deutschland und ging zur Mann-Familie in die Schweiz. Dort setzte sie zunächst ihre Arbeit in der "Pfeffermühle" fort, und das mit großem Erfolg. Irma Hildebrandt beschreibt in ihrem Buch "Die Frauenzimmer kommen" die Anfänge in der Schweiz mit folgenden Worten: "Nicht nur Kabarettbegeisterte drängen durch die schmale Tür in den angemieteten Vereins- und Theatersaal des Hotels Hirschen. Viel Neugierige auch, die einen Eklat erwarten; die Zürcher Bohème, Intellektuelle, Studenten, Kollegen vom Schauspielhaus, politisch Fanatisierte von rechts und links, Presse, Ordnungshüter und natürlich die Familie. Thomas Mann, der noch spätabends, stolz auf den Erfolg seiner Tochter, ins Tagebuch schreiben wird: 'es gab viele Hervorrufe und Blumen, Erikas geistige und organisatorische Leistung bewundernswert. Die Giehse hervorragend und schon Liebling des Publikums.'" Bis zum April 1936 gab "Die Pfeffermühle" bereits 1000 Vorstellungen, die jedoch nicht immer unumstritten blieben. Da sie von den deutschen Behörden ausgebürgert wurde, heiratete Therese Giehse den homosexuellen englischen Schriftsteller John Hampson-Simpson, um an einen Pass zu gelangen. Nach einer Tournee durch Europa war auch eine Reihe von Vorstellungen in Amerika geplant, doch es sollte anders kommen: die Reise durch die USA mit dem Pfeffermühle-Programm musste mangels Publikumsinteresse abgesagt werden. 1937 löste sich das Kabarett auf. Therese Giehse kehrte nach Europa zurück, und bald erhielt sie ein festes Engagement am Zürcher Schauspielhaus.

Therese Giehse als Mutter Courage. Bertolt Brecht änderte für sie ganze Szenen seines Stücks

Therese Giehse als "Mutter Courage". Bertolt Brecht änderte für sie ganze Szenen seines Stücks

Eine schicksalhafte Uraufführung

Am 19.4.41 fand in Zürich die Uraufführung eines Theaterstücks statt, mit dem Therese Giehse in die Theatergeschichte eingehen sollte. Aus seinem Exil schickte Bertolt Brecht nach Zürich sein Stück "Mutter Courage". Das Stück selbst wurde dort kein großer Kassenerfolg, doch die Rolle der Mutter Courage festigte Giehses Ruf als einzigartige Charakterdarstellerin und war zugleich der Zünder einer engen Freundschaft zwischen ihr und Brecht. Diese Freundschaft hielt lebenslang. Und ab 1948 begann nun eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Brecht, der 1949 die Schauspielerin nach Berlin holte. Dort spielte sie drei Jahre lang, blieb aber zugleich auch Zürich treu. Im Laufe dieser Zeit erneuerte sie auch ihre Kontakte zu den Münchner Kammerspielen. Letztendlich – des ständigen Reisens überdrüssig – gab sie ihr Engagement in Berlin auf und konzentrierte sich auf ihre Rollen in München und Zürich. In der Schweiz lernte sie einen zweiten Autor kennen, dessen Stücke sofort zu ihr passen: Friedrich Dürrenmatt. Dennoch, trotz des beispiellosen Erfolges ihrer Interpretationskunst der unzähligen Rollen, die ihr anvertraut wurden - eine ihrer Glanzrollen war auch immer wieder die Pelagea Wlassowa in Brechts "Mutter" - blieb sie für das Publikum stets die eine: die Mutter Courage. Die Filmindustrie griff ebenfalls auf Therese Giehse zurück. So spielte sie unter anderem in den Filmen "Frauen, Mütter und ein General", "Herz der Welt", "Muß man sich gleich scheiden lassen", "Die letzte Chance", "Roman einer Siebzehnjährigen", "Ferien in Tirol", "Der 10. Mai" (Angst vor der Gewalt), "Petersburger Nächte" oder auch "Mädchen in Uniform". Sie wurde auch mit dem Deutschen Filmpreis 1955 ausgezeichnet. Therese Giehse starb am 3.3.75.

Im Februar 1968 sprach Klaus Colberg mit Therese Giehse und befragte sie über den Verlauf ihrer Karriere.

Autor: Andreas Zemke

Redaktion: Diana Redlich

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