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AfD-nahe Stiftung hofft auf Steuer-Millionen

21. Februar 2023

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung verlangt staatliche Gelder, die andere schon lange bekommen. Zurecht? Die Antwort gibt das Bundesverfassungsgericht.

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Niederlande Erasmus von Rotterdam
Die AfD-nahe Stiftung hat sich den Namen des niederländischen Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam gegebenBild: akg-images/picture alliance

Ihr Auftrag: politische Bildung im In- und Ausland. Ihre Namen: prominent. Nach Konrad Adenauer, erster deutscher Bundeskanzler, ist die der Christlich-Demokratischen Union (CDU) nahestehende Stiftung benannt. Mit Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten, schmückt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Bei der Linken ist es Rosa Luxemburg, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Für den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll haben sich die Grünen entschieden.

Diese und andere parteinahe Stiftungen erhalten jedes Jahr viel Geld aus dem Bundeshaushalt. Insgesamt kommt ein Betrag von weit mehr als einer halben Milliarde Euro zusammen. Einzig die der Alternative für Deutschland (AfD) nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) geht bislang leer aus. Doch das könnte sich ändern, wenn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an diesem Mittwoch sein Urteil verkündet.

Ein immer noch aktuelles Urteil aus dem Jahr 1986

Geklagt hat die AfD. Sie beruft sich auf eine Entscheidung desselben Gerichts aus dem Jahr 1986. Demnach müssen bei staatlicher Förderung dieser Art, "alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen" angemessen berücksichtigt werden.

Umgesetzt wird diese Vorgabe so, dass Stiftungen Steuergeld bekommen, wenn die ihnen nahestehenden Parteien mindestens zweimal nacheinander den Sprung in den Bundestag schaffen. Diese Voraussetzung ist bei der AfD erfüllt, seit sie bei der Bundestagswahl 2021 mit gut zehn Prozent erneut ins Parlament gewählt wurde. Zuletzt hatte von dieser Vorgabe Ende der 1990er Jahre die eng mit der Linken verbundene Rosa-Luxemburg-Stiftung profitiert. 

Bündnis warnt vor immer radikalerem Diskurs

Nun wäre also die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführte AfD an der Reihe. Aber dagegen regt sich seit langem Widerstand. Im "Manifest für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung" haben sich Menschen aus unterschiedlichsten Organisationen zusammengeschlossen: Pro Asyl, Amadeu-Antonio-Stiftung, Bildungsstätte Anne Frank, Zentralrat der Juden in Deutschland, Gewerkschaften und Kirchen. Zudem hat die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie unter dem Titel "Politische Bildung von Rechtsaußen" erstellt.    

Ziel der Desiderius-Erasmus-Stiftung sei es, "den Diskurs immer weiter zu radikalisieren und bislang unsagbare Positionen - etwa im Hinblick auf die Shoah oder den humanitären Umgang mit Schutzsuchenden - als legitime Haltungen zu etablieren", heißt es in dem Mitte 2021 veröffentlichten Appell.

Die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, weist solche Vorwürfe immer wieder zurück. In der mündlichen Verhandlung der AfD-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht im Oktober 2022 sprach die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) von einer "ungerechtfertigten Stigmatisierung" und "zutiefst undemokratischem Verhalten".

Erika Steinbach war 43 Jahre in der CDU

Erika Steinbach verließ 2017 aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nach 43 Jahren die CDU. Seit 2022 ist sie Mitglied der AfD. Über die von ihr geleitete parteinahe Stiftung sagt sie, "radikales, rassistisches und extremistisches Gedankengut, gleich welcher Richtung auch immer" habe in ihr keinen Platz.  

So sieht es auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Gegen die Verfasser des "Manifests für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung" erhebt er gegenüber der DW schwere Vorwürfe: Bei ihnen handele es sich um Interessengruppen, "die mit Millionenbudgets, zum größten Teil aus staatlicher Förderung, politische Vorfeldarbeit mit hauptamtlichen Mitarbeitern leisten".

Bundestagswahl 2021 | Wahlparty der AfD
AfD-Chef Tino Chrupalla: "Die DES arbeitet genau wie die anderen parteinahen Stiftungen völlig unabhängig von der Partei"Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Mit ihrem Motto "Keine Minute warten im Kampf gegen Rechts" zeige die Initiative ihr problematisches Verständnis: "dass ein kompletter Teil des demokratischen Spektrums, namentlich der sogenannte rechte Teil, kämpferisch delegitimiert werden soll".

Die Rolle der Neuen Rechten

Antonios Souris sieht das anders. Der Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin verweist gegenüber der DW auf die seit langem zu beobachtenden Versuche der sogenannten Neuen Rechten, "ihre Positionen intellektuell zu unterfüttern und den Diskurs in die von ihr gewünschte Richtung zu verschieben". Durch journalistische Enthüllungen sei bekannt geworden, dass es ein Netzwerk aus neurechten Denkfabriken und Verlagen gebe: "Zentrale Organisationen dieses Netzwerks werden vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Verdachtsfälle oder als gesichert rechtsextrem eingestuft."

Bürgerlich-konservativ oder rechtsextrem?

Souris äußert auch Zweifel an dem, was die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung sagt: "Die Glaubwürdigkeit von Erika Steinbach, sich als Vertreterin des bürgerlich-konservativen Lagers vom rechtsextremen Spektrum eindeutig abzugrenzen, hat durch ihre Äußerungen vor allem auf Twitter erheblich eingebüßt."  

Antonios Souris, Politikwissenschaftler
Antonios Souris: Stiftungsfinanzierung ist intransparentBild: Privat

Dass sich die DES Hoffnungen auf Millionen staatlicher Fördergelder machen darf, hat auch mit einer fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Finanzierung parteinaher Stiftungen zu tun. Das räche sich jetzt im Umgang mit der AfD-nahen Stiftung, meint der Politologe.

Lex AfD?

Schon die Kontroverse um eine mögliche Nicht-Beachtung könne die DES öffentlichkeitswirksam als "Lex AfD" anprangern, gibt er zu bedenken: "Das spielt ihrer populistischen Rhetorik in die Karten, dass sich alle anderen gegen sie verschworen hätten und sie ausgrenzen würden."

Um das Problem nach ihren Vorstellungen zu lösen, haben die anderen Fraktionen im Bundestag 2022 einen Vermerk über finanzielle Zuschüsse für politische Stiftungen formuliert. Demnach sollen davon nur jene profitieren, "die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten". Dass man sich bei der Desiderius-Erasmus-Stiftung darauf verlassen kann, glaubt aber nur die AfD. 

Wie es mit der staatlichen Finanzierung parteinaher Stiftungen generell weitergeht, hängt nun vom Bundesverfassungsgericht ab. In der mündlichen Verhandlung der AfD-Klage deutete sich an, dass im Urteil eine Forderung stehen könnte: endlich eine gesetzliche Regelung zu treffen, unter welchen Bedingungen parteinahe Stiftungen finanziell staatlich gefördert werden dürfen.   

Dieser Artikel wurde erstmals am 18.02.2022 veröffentlicht und am 21.02.2023 aktualisiert.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland