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Alzheimer: Rätsel um absterbende Hirnzellen gelöst

20. September 2023

Weltweit leiden etwa 55 Millionen Menschen unter Demenz. Neue Erkenntnisse zum Absterben von Hirnzellen ermöglichen die Entwicklung von wirksamen Alzheimer-Medikamenten.

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Hirnscans vom stärkster Kernspintomographen Europas
Bislang war der Zusammenhang der Proteine Amyloid und Tau im Gehirn von Alzheimer-Patienten unklar.Bild: Jens Wolf/dpa/picture-alliance

Weltweit sind etwa 55 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen, zu denen auch Alzheimer gehört. Zwei Drittel der Erkrankten leben in Entwicklungsländern. Angesichts der alternden Bevölkerung wird diese Zahl bis 2050 auf etwa 139 Millionen steigen, besonders dramatisch in China, Indien, Südamerika und den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.

Seit Jahrzehnten suchen Forschende weltweit nach einem Medikament gegen Alzheimer – bislang allerdings mit bescheidenem Erfolg. Große Hoffnungen ruhen auf dem Wirkstoff Lecanemab. Der 2023 von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassene Antikörper könnte das Fortschreiten der Krankheit im Frühstadium verlangsamen.

Komplexe Abläufe im Gehirn

Die Entwicklung wirksamer Medikamente ist auch deshalb so schwierig, weil längst noch nicht alle Abläufe im Gehirn bei einer Alzheimer-Erkrankung geklärt sind. Dazu gehört auch die Frage, warum Gehirnzellen bei Alzheimer-Erkrankten absterben.

Im Gehirn Betroffener sammeln sich viele abnormale Proteine namens Amyloid und Tau an, aber in welchem direkten Zusammenhang diese beiden Proteine stehen, war bislang unklar.

Zusammenhang bei Zelltod enträtselt

Nun glauben belgische und britische Forschende dieses Rätsel gelöst zu haben. Laut einer neuen im Science Magazin veröffentlichten Studie besteht ein direkter Zusammenhang zwischen abnormen Proteinen, die sich im Gehirn ansammeln, und der "Nekroptose", eine Art des Zelltodes.

Normalerweise sorgt die Nekroptose vor allem bei Immunreaktionen oder Entzündungsvorgängen dafür, unerwünschte Zellen zu beseitigen, damit neue Zellen gebildet werden können. Wenn die Nährstoffversorgung zusammenbricht, schwellen Zellen an, wodurch deren Plasmamembran zerstört wird, die Zelle entzündet sich und stirbt ab.

Die Illustration zeigt, wie sich bei Alzheimer-Patienten abnormales Amyloid in den Zwischenräumen der Neuronen ablagert
Bei Alzheimer-Patienten lagert sich abnormales Amyloid in den Zwischenräumen der Neuronen abBild: National Institute on Aging, NIH/AP/picture alliance

Laut der Studie entzünden sich bei Alzheimer-Patienten die Gehirnzellen, weil sich abnormales Amyloid in den Zwischenräumen der Neuronen ablagert. Dadurch verändert sich die innere Chemie der Zelle.

Das Amyloid verklumpt zu "Plaques" und das Tau-Protein lagert sich zu Faserbündeln, den sogenannten "Tangles" zusammen. Durch dieses Zusammenspiel beginnen die Gehirnzellen das Molekül MEG3 zu produzieren. Wenn es dem Forschungsteam gelang, das MEG3 zu blockieren, dann überlebten auch die Gehirnzellen. 

Dafür hatten die Forschenden menschliche Gehirnzellen in die Gehirne genetisch veränderter Mäusen transplantiert, die besonders große Mengen an abnormalem Amyloid produzieren. 

"Zum ersten Mal erhalten wir einen Hinweis darauf, wie und warum Neuronen bei der Alzheimer-Krankheit absterben. Seit 30-40 Jahren wird viel spekuliert, aber niemand war in der Lage, die Mechanismen genau zu bestimmen", so der an der Studie beteiligte Prof. Bart De Strooper vom britischen Dementia Research Institute.

Hoffnung für neue Medikamente

Die Forschenden der KU Leuven in Belgien und vom britischen Dementia Research Institute am University College London hoffen, dass diese neuen Erkenntnisse auch ganz neue Ansätze für die Entwicklung von Alzheimer-Medikamenten liefern können.

Die Hoffnung ist nicht unbegründet, denn in jüngster Zeit wurde Medikamente wie Lecanemab entwickelt, die sich gezielt gegen das Eiweiß Amyloid richten. Wenn es gelingt, mit entsprechenden Medikamenten das MEG3-Molekül zu blockieren, dann kann auch das Absterben der Gehirnzellen aufhalten werden.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund