1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Charlie Hebdo": Meghan als George Floyd

Torsten Landsberg
16. März 2021

Die Karikatur der Satirezeitung "Charlie Hebdo" zeigt die Queen mit dem Knie auf Meghans Hals. Der Vergleich mit dem Tod von George Floyd sorgt für Wirbel.

https://p.dw.com/p/3qh49
Charlie Hebdo Cover Queen Meghan
Bild: Charlie Hebdo

Es war zu erwarten, dass die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" mit ihrem Cover einen Shitstorm ernten würde. Auf dem Titel der aktuellen Ausgabe kniet die britische Königin Elizabeth II. auf dem Hals von Meghan Markle, Herzogin von Sussex und Ehefrau ihres Enkels Prinz Harry.

Das dem Königshaus abtrünnige und in die USA ausgewanderte Paar hatte vor einer Woche in einem TV-Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey über die Gründe seines Rückzugs vom Königshaus gesprochen und dabei auch Rassismusvorwürfe erhoben, die Queen selbst davon allerdings ausdrücklich ausgenommen.

Meghan habe nicht mehr atmen können

"Charlie Hebdo" hat die Debatte nun aufgegriffen und mit einem Motiv inszeniert, das an die Tötung des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis im Mai 2020 erinnert: Minutenlang hatte ein Polizeibeamter auf dem Hals des Mannes gekniet, der mehrfach sagte, er bekomme keine Luft. Kurz darauf ist er gestorben.

Meghan Markle und Prinz Harry sitzen bei einem Interview.
Meghan Markle und Prinz Harry im TV-Interview: Rassimusvorwürfe an das KönigshausBild: Harpo Productions/Joe Pugliese/REUTERS

Der Skandal hatte die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung entfacht, die um die ganze Welt gingen. Die beteiligten Polizisten wurden entlassen, gerade begann der Prozess gegen den Hauptangeklagten, der sich wegen Mord zweiten Grades verantworten muss.

Meghan Markle hatte in dem TV-Interview gesagt, wegen der Situation am britischen Königshaus habe sie nicht mehr leben wollen. Sie habe nachts wach gelegen und nicht mehr atmen können. Diese Aussage griff die Redaktion von "Charlie Hebdo" nun auf: Die Karikatur ist versehen mit der Überschrift "Warum Meghan ging". In einer Sprechblase sagt die von der Queen erniedrigte Meghan: "Weil ich nicht mehr atmen konnte."

Entrüstung in den sozialen Netzwerken

"Das Bild ist vermutlich bewusst so gewählt, damit es einen breiten Interpretationsspielraum bietet", sagt Ralf Nestmeyer, Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums im Gespräch mit der DW. Er sieht in der Karikatur auch einen Denkanstoß, denn sie lasse sich "auch interpretieren, dass durch diese Provokation der Fokus noch einmal auf die Situation der Schwarzen in den USA gelenkt wird."

Dennoch ist die Entrüstung groß, vor allem in den sozialen Netzwerken. Der Zeitung wird Verharmlosung von Rassismus vorgeworfen - oder Rassismus selbst. Es liegt nahe, dass die in der Karikatur enthaltene Kritik auf Meghan Markle abzielt, die ein privilegiertes Leben führt und sich der offensichtlich beklemmenden Situation am Hof entziehen konnte - anders als schwarze Menschen, die unter systemischem Rassismus leiden.

Dem getöteten George Floyd wird in Minneapolis mit einem Graffito und Blumen gedacht.
Opfer von systemischem Rassismus: In Minneapolis erinnert ein Graffito an den von Polizisten getöteten George FloydBild: Mark Hertzberg/ZUMA Wire/picture-alliance

Erneut steht die Frage im Raum, was Satire darf. "Meinungsfreiheit bedeutet, dass man auch Meinungen aushalten muss, wenn man anderer Ansicht ist", sagt Ralf Nestmeyer. "Die lautstarke negative Reaktion auf solche Karikaturen ebnet letztlich der politischen oder religiösen Zensur den Weg."

Recht auf Empörung

Gerade in den sozialen Medien würden viele Nutzerinnen und Nutzer für sich ein Recht auf Empörung in Anspruch nehmen, weil sie sich mit einer Gruppe identifizierten oder ihr angehörten. "Dies führt wiederum zu der nicht unproblematischen Frage, ob und wann eine Form der kulturellen Aneignung vorliegt."

Satire, heißt es manchmal, dürfe alles. Darüber lässt sich streiten. Unumstritten dürfte sein, dass Satire geschmacklos sein darf, es manchmal sein muss, es häufig sein will. Gerade auch, weil sich andere davon getroffen fühlen sollen.

Die Redaktion von "Charlie Hebdo", die nach der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen durch einen Terroranschlag bis ins Mark erschüttert wurde, hat nun erneut eine Provokation veröffentlicht, auf die kein konstruktiver Diskurs, sondern reflexhafte Kritik folgt.