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Politik

China lädt Afrikas Armeechefs zum Tee

Hans Spross
26. Juni 2018

China will sein militärisches Engagement in Afrika auf eine neue Grundlage stellen. Dazu wurden Armeechefs aus fast ganz Afrika nach Peking geladen, zum Truppenbesuch und Ausloten neuer Kooperationsformen.

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Nigeria Militär Tukur Yusuf Buratai und Fructeux Gbaguidi
Bild: NPR

Was ist Sinn und Zweck des ersten "Chinesisch-Afrikanischen Forums zu Sicherheit und Verteidigung", das vom Dienstag (26.6.) bis zum 10. Juli in China abgehalten wird? Die offiziellen Mitteilungen waren im Vorfeld dürftig. Erst zu Beginn des Forums wurde mitgeteilt, dass hochrangige Armeevertreter aus 50 Ländern teilnehmen, Gastgeber ist das chinesische Verteidigungsministerium.

Dass Chinas wachsender wirtschaftlicher Einfluss in Afrika als Investor und Handelspartner sich in strategischen Überlegungen und Initiativen widerspiegelt, wie die Sicherheit dieser Interessen gewährleistet werden kann, darin sind sich die Beobachter einig.

"Die Absicherung von Handelsrouten ist wichtig für China, denn das nordöstliche Küstenland Afrikas bis hinauf zum Suezkanal ist ein Abschnitt der neuen maritimen Seidenstraße, die wiederum ein Bestandteil der globalen 'Belt and Road-Initiative' ist", erläutert der südafrikanische China-Experte Cobus van Staden vom Südafrikanischen Institut für Internationale Beziehungen. Die sogenannte Seidenstraßeninitiative wurde vom chinesischen Staatspräsident Xi Jinping ins Leben gerufen.

China unterhalte außerdem "zunehmend komplexe Beziehungen zu Afrika", so van Staden weiter. Es habe dort große Investitionen getätigt, viele Chinesen lebten in Afrika, und es habe bereits Erfahrungen mit der Evakuierung von Staatsangehörigen aus Krisengebieten auf dem Kontinent gesammelt.

Infografik Chinas neue Seidenstraße Deutsch
Chinas neue Seidenstraße berührt auch Afrika

Evakuierungsaktionen und Blauhelme

So hatte China im Februar 2011 mitten im libyschen Bürgerkrieg seine moderne Fregatte "Xuzhou" vor die libysche Küste entsandt, um die Evakuierung von 35.000 Chinesen aus dem Land zu überwachen. Es handelte sich um den ersten operativen Überseeeinsatz der chinesischen Armee auf dem afrikanischen Kontinent. 

"Von da an wurde man sich in China zunehmend der Komplexität der Themen Frieden und Sicherheit in Afrika bewusst. Das Land begann sich mehr und mehr in diesem Bereich zu engagieren, beispielsweise durch finanzielle Unterstützung der Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) und durch die Aufstockung der Blauhelmsoldaten", sagt van Staden im DW-Interview.

China halte sich viel auf seine Beteiligung an UN-Friedensmissionen zugute. Und es handele sich um "die am schnellsten wachsende Form der Zusammenarbeit zwischen China und Afrika im Bereich Frieden und Sicherheit", wird der Afrika-Experte am Shanghaier Institut für Internationale Studien, Zhang Chun, in der chinesischen Online-Publikation "thepaper" aus Shanghai zitiert. 

China gehört mit rund 2.400 Blauhelmsoldaten allerdings nicht zu den größten Truppenstellern wie Äthiopien, Bangladesch und Indien. Rund 1000 chinesische Soldaten sind an der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) beteiligt, von insgesamt rund 13.000. 

Juba, Hauptstadt des Südsudan, war im Juli 2016 Schauplatz einer dramatischen Evakuierungsaktion. 350 chinesische Ölarbeiter mussten wegen aufgeflammter Bürgerkriegskämpfe in Sicherheit gebracht und nach Nairobi ausgeflogen werden. Die Aktion wurde von privaten chinesischen Sicherheitskräften durchgeführt, die mit insgesamt 3200 die Zahl der chinesischen Blauhelmsoldaten übertrifft. Die im Ausland operierenden Sicherheitsteams aus sind nach Berichten der "Financial Times" normalerweise unbewaffnet. In Juba etwa koordinierten sie aber den Einsatz bewaffneter einheimischer Teams.

Simbabwe Harare Besuch Xi Jinping
Xi Jinping 2015 in Zimbabwe. China war vermutlich in den Sturz Mugabes zwei Jahre später eingeweiht.Bild: picture-alliance/dpa/A. Ufumeli

"Neue Sicherheitsbedürfnisse Afrikas"

Ob der Einsatz solcher Sicherheitsdienste auch Thema des Forums sein wird, ist unbekannt. In der offiziellen chinesischen Ankündigung der Veranstaltung ist unter anderem die Rede von den "Bedürfnissen, die sich aus den neuen Sicherheitslagen in Afrika ergeben" sowie von "Afrikas eigener Entwicklung von Fähigkeiten zur Gewährleistung von Sicherheit".

Im Vorfeld des Forums wurde in verschiedenen chinesischen Publikationen die Vielfalt und Neuartigkeit der Bedrohung der Sicherheit in Afrika hervorgehoben. "Im Vergleich zu traditionellen Risiken militärischer Konfrontation sind in den vergangenen Jahren Bedrohungen wie Terrorismus, soziale Konflikte, Naturkatastrophen, Nahrungsmittelkrisen und Gesundheitsfragen in den Vordergrund getreten", heißt es in dem Artikel in "thepaper" mit der Überschrift: "Chinas militärische Hilfsgüter werden demnächst Afrika erreichen: China rückt ins Zentrum der afrikanischen Sicherheitsarena". Mit der Hilfe sind Rüstungsgüter im Wert von 100 Millionen US-Dollar als Geschenk für die Afrikanische Union gemeint, die Xi Jinping 2015 zugesagt hatte und die jetzt übergeben würden, wie "thepaper" schreibt. 

In einer umfangreichen Studie über "Neue Trends der Sicherheitsprobleme Afrikas" kommt der chinesische Afrika-Experte Li Wentao zum Fazit: "Vor dem Hintergrund der 'Demokratisierung' Afrikas und seiner schnellen wirtschaftlichen Entwicklung sind verschiedene Arten von Widersprüchen eskaliert, mit Herausforderungen, die über traditionelle Sicherheitskonzepte hinausgehen." Nicht zuletzt hätten in den vergangenen Jahren gesellschaftliche Spannungen immer wieder zu innenpolitischen Krisen geführt, so etwa im "eigentlich stabilen Äthiopien", wo 600 Menschen bei drei großen Protestbewegungen zwischen Dezember 2015 und Oktober 2016 ums Leben gekommen seien. "Afrikas herrschenden Parteien fehlt im Allgemeinen die Erfahrung im Umgang mit gesellschaftlichen Konflikten", schreibt der Autor Li.

Nairobi - China in Afrika
China auch mit "soft power" in Afrika präsentBild: DW/E. d. Vries

Chinas wachsender Rüstungsexport nach Afrika

Trotz der Betonung "neuartiger Sicherheitsrisiken" und dem Rückgang militärischer Großkonflikte, der von chinesischen Afrika-Beobachtern konstatiert wird, sind Waffenexporte ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Sicherheitskooperation mit Afrika. Chinas Waffenexporte nach Afrika haben laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI im Zeitraum 2013-17 gegenüber 2008-12 um 55 Prozent zugenommen. In der Subsahara-Region mit 22 Staaten hat China seinen Anteil an den dortigen Waffenimporten von 16 auf 27 Prozent ausgebaut.

Dem entspricht der Aufwärtstrend bei neuen Auslandsinvestitionen Chinas. In Afrika sind diese von rund 40 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 auf 90 Milliarden US-Dollar 2016 gestiegen, während Investitionen im Nahen und Mittleren Osten während des gesamten Zeitraums unter 40 Milliarden US-Dollar blieben. 

Afrika spielt insgesamt bei den globalen Waffenimporten eine relativ geringe Rolle, mit einem Anteil von 7,2 Prozent 2013-17. Diese Werte werden nochmals relativiert durch zwei "Ausreißer". Unter den 40 größten Importeuren 2013-17 befinden sich vom afrikanischen Kontinent überhaupt nur zwei Länder, nämlich Ägypten (Position 3) und Algerien (Position 7). Algerien wiederum steht nach Pakistan und Bangladesch an dritter Stelle der Zielländer für chinesische Rüstungsexporte und alleine für zehn Prozent der gesamten Rüstungsexporte Chinas, darunter drei moderne Fregatten.

Datenvisualisierung Konflikte Afrika
Konflikte in Afrika mit unterschiedlichen Trends

Klein, aber preiswert und beliebt

Dabei streut China seine Waffenlieferungen nach Afrika breiter als es seine Konkurrenten USA und Russland tun. Nach Angaben der Washingtoner Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) hat China im Zeitraum 2008-17 für drei Milliarden US-Dollar Waffen nach Afrika exportiert. Davon entfielen 42 Prozent auf Nordafrika sowie jeweils 29 Prozent auf Ostafrika und den Rest Afrikas, darunter als wichtigste Importeure Tansania, Nigeria und Sudan.

Zum Vergleich: Die USA exportieren im selben Zeitraum Waffen in Wert von 4,9 Milliarden US-Dollar nach Afrika, davon 87 Prozent nach Ägypten und Marokko, Russland im Wert von 12,4 Milliarden US-Dollar, davon 84 Prozent nach Algerien und Ägypten.

China gilt als Lieferant kostengünstiger Waffensysteme, wie etwa des kampftauglichen düsengetriebenen Trainingsflugzeugs K-8, das den Markt für solche Flugzeuge in Afrika beherrscht. China hat auch den Markt für unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) wegen der amerikanischen Zurückhaltung bei solchen Exporten für sich entdeckt und UAVs nach Nigeria und Ägypten verkauft.

Kritik an chinesischen Waffenlieferungen entzündete sich an Berichten, wonach solche Waffen bei Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo, der Elfenbeinküste, im Sudan und Somalia eingesetzt wurden. 2014 lieferte Chinas staatliche Waffenschmiede North Industries Corporation laut CSIS 100 Lenkwaffensysteme, über 9000 automatische Gewehre und 24 Millionen Schuss Munition an die südsudanesische Regierung, die wegen Menschenrechtsverletzungen international kritisiert wird. Wie Oberst Jerome Pellistrandi, Professor an der Universität Clermont-Ferrand und Herausgeber der Zeitschrift Défense Nationale,  gegenüber der DW sagte,  ist es für manche afrikanische Regierungen einfacher, Fluggerät und andere Waffen von den Chinesen als etwa von europäischen Herstellern zu erwerben – eben weil China weniger Vorbehalte in Sachen Menschenrechte hat.

Nigeria Militär Präsident Muhammadu Buhari
Nigeria ist einer der wichtigsten Abnehmer chinesischer Waffen in Subsahara-AfrikaBild: NPR

Chinas Stützpunkt in Dschibuti

Größere Aufmerksamkeit hat schließlich Chinas militärisches Engagement in Afrika im August 2017 mit der Eröffnung seiner ersten Militärbasis in Übersee überhaupt, und zwar in Dschibuti, erregt. Das kleine Land mit der Fläche des deutschen Bundeslandes Hessen liegt an der Meerenge, wo das Rote Meer in den Golf von Aden übergeht. Es beherbergte bereits Militärstützpunkte der USA (Camp Lemonnier mit 4.000 Soldaten, darunter Spezialkräfte zur Terroristenbekämpfung), sowie Frankreichs, Italiens und Japans. Insofern war China ein "Nachzügler", wie Corbus van Staden gegenüber der DW erläutert, der seit Bekanntgabe seiner diesbezüglichen Pläne großen Wert darauf gelegt hat,  dem Stützpunkt keine militärische Bezeichnung zu geben. Die chinesischen Medien sprachen am Anfang von "Unterstützungsbasis". Der Hintergrund: China ist seit 2008 an den internationalen Anti-Piraten-Operationen am Horn von Afrika und im Golf von Aden beteiligt.

Das chinesische Verteidigungsministerium bestätigte vor Kurzem, dass China an seinem Stützpunkt in Dschibuti ein weiteres Dock bauen werde, das auch Kirgisistan zur Verfügung stehen werde. Es soll eine Länge von 450 Metern haben und chinesischen Zerstörer ebenso wie große Versorgungsschiffe aufnehmen können. Die Maßnahme diene dazu, "internationalen Verpflichtungen wie Anti-Piratenoperationen besser gerecht zu werden und der Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in Afrika und der Welt".

China Jinggangshan Schiff in Tansania
Chinesischer "Good-will-Flottenbesuch" in Tansania 2013Bild: imago/Xinhua/Z. Ping

Unbehagen der USA wegen Chinas Präsenz

Die beschworene internationale Harmonie wird aber durch die enge räumliche Nachbarschaft zwischen Chinesen und Amerikanern auf die Probe gestellt, denn das chinesische Camp liegt direkt neben dem amerikanischen, wo unter anderem große Militärtransportflugzeuge wie Hercules C130 stationiert sind. Im Mai hatte das Pentagon den Chinesen auf Dschibuti vorgeworfen, sie hätten mit Lasern auf US-Kampfflugzeuge im Landeanflug gezielt und dabei Piloten geringfügig verletzt. Peking wies die Vorwürfe in scharfer Form als unbegründet zurück.

Der südafrikanische Experte Cobus van Staden kritisiert, dass die Vorwürfe in den US-Medien weithin als Fakten dargestellt worden seien, dabei sei nicht geklärt, was letztlich daran sei. Ähnliche Vorwürfe seien auch vom US-Militär im Pazifik erhoben aber später wieder zurückgenommen worden. Van Staden sieht in dem Vorfall eher einen Ausdruck des Unbehagens der USA angesichts der militärischen Präsenz der Chinesen in Dschibuti.

Mitarbeit: Miao Tian, Antonio Cascais