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Südafrika produziert eigenen Corona-Impfstoff

Adrian Kriesch
13. Dezember 2021

Durch die Omikron-Variante steckt Südafrika in der vierten Corona-Welle. Auch der geimpfte Präsident Ramaphosa ist erkrankt. Das Land drängt auf die Produktion eigener mRNA-Impfstoffe.

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Südafrika Coronavirus l Wissenschaftler, Afrigen Biologics and Vaccines in Kapstadt
Die Firma Afrigen Biologics in Kapstadt beginnt ihren eigenen Impfstoff gegen COVID-19 herzustellenBild: Jerome Delay/AP/picture alliance

Von außen sieht es aus wie eine unscheinbare Lagerhalle in einem Industrieviertel Kapstadts. Doch tatsächlich ist es ein Hoffnungsschimmer für die Biotech-Branche und Impfstoffproduktion des gesamten Kontinents. 

Im Inneren wird gerade alles vorbereitet, damit hier zukünftig mRNA-Impfstoffe produziert werden können: Die Firma Afrigen Biologics hat sich auf eine Ausschreibung der Covax-Initiative beworben, einen mRNA-Hub für Länder mit geringem und mittleren Einkommen zu errichten - und sich gegen rund 60 Mitbewerber durchgesetzt.

Südafrika Omicron Impfkampagne
Die Firma Antigen Biologics kopiert den Moderna-Impfstoff für ihre eigene Produktion in KapstadtBild: Jerome Delay/AP Photo/picture alliance

Finanziert wird das Vorhaben von verschiedenen Ländern, der Europäischen Union und der Weltgesundheitsorganisation. "Das ist eine der positiven Folgen von COVID-19: In Südafrika und auf dem Kontinent sind jetzt reichlich Fördermittel verfügbar", sagt Geschäftsführerin Petro Terblanche, während sie durch die Halle führt. Die Krebsforscherin hat vor fünf Jahren mit der Firma begonnen, an Tuberkulose-Impfstoffen für Afrika zu forschen - jetzt liegt der Fokus auf der mRNA-Methode.

Kopieren statt Technologietransfer

Kommerziell haben sich in dem Feld während der Pandemie bisher vor allem erst BioNTech/Pfizer und Moderna durchgesetzt. BioNTech wird ab nächstem Jahr mit einem Partner beginnen, seinen COVID-Impfstoff in Südafrika abzufüllen. Darum hatte sich Terblanche eine Partnerschaft mit Moderna erhofft. "Ursprünglich war die Idee ein Technologie-Transfer - aber das ist nicht passiert," sagt Terblanche. "Also hat unser Team angefangen, gemeinsam mit Universitäten und Experten in Südafrika einen eigenen Impfstoff herzustellen."

Ein zentraler Partner ist die Witwatersrand Universität in Johannesburg. Seit 2015 forscht die "Antiviral Gene Therapy Research Unit" hier an mRNA-Therapien - laut Direktor Patrick Arbuthnot auf dem Kontinent ein bisher einzigartiges Projekt. Seit der Pandemie liegt der Fokus auf COVID-19 - die Wissenschaftler versuchen, den Moderna-Impfstoff zu kopieren.

Dieses Wissen geben sie jetzt an Afrigen-Mitarbeiter weiter. "Wir haben auf Informationen zugegriffen, die öffentlich verfügbar sind, um zu sehen, wie die Moderna mRNA-Impfstoffe produziert werden", sagt Arbuthnot. "Wir haben die Sequenz und den Kontext dazu, so dass wir den Impfstoff reproduzieren konnten." Man wolle aber nicht einfach kopieren, sondern auch eigene Ideen einbringen.

Die Regierung Südafrikas hat das Team zusätzlich beauftragt, einen Impfstoff zu entwickeln, der auch gegen die Omikron-Variante wirkt. Omikron dominiert längst die rasant steigenden Neuinfektionen im Land.

Südafrika Coronavirus Krankenhaus
Die Todeszahlen durch COVID-19 sind in Südafrika zunächst nicht so stark angestiegen wie Mediziner befürchtet hattenBild: Guillem Sartorio/AFP/Getty Images

Auch viele Genesene und Geimpfte stecken sich an - wie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der als einer der ersten im Land mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurde. Bisher gibt es keine strengeren Lockdown-Maßnahmen - stattdessen versuchen die Behörden die Südafrikaner zum Impfen zu bewegen. Bisher ist nur jeder vierte vollständig geimpft, viele zögern oder haben Bedenken.

Wendepunkt der Pandemie?

Der Impfstoffforscher Shabir Madhi kritisierte die Regierung auf Twitter, weil 15 Millionen Impfstoffdosen verfügbar seien - aber trotzdem keine Booster-Impfungen für alle angeboten werden. Selbst für diejenigen, die die Impfung von Johnson & Johnson bekommen haben.

Aber er sagt auch: Die Hospitalisierungs- und Todesraten sind noch nicht stark gestiegen. Wenn das in den nächsten zwei bis drei Wochen so bleibe, könnte das ein Wendepunkt der Pandemie sein.

Zurück im mRNA-Labor an der Witwatersrand Universität. Der Forscher Abdullah Ely sitzt vor seinem Computer und analysiert die Sequenzen von Omikron-Fällen, die ihm andere Labore geschickt haben. "In ein paar Monaten wollen wir einen Impfstoff haben, den wir dann zunächst an Mäusen testen", sagt Ely. "Wenn das funktioniert, geben wir ihn weiter an Afrigen - die den Impfstoff dann marktreif machen und auf größerer Ebene produzieren."

Ziel: 60 Prozent Impfstoffe "Made in Africa"

Ein langer Prozess, der klinische Studien benötigt und Jahre dauern könnte. Laut Pietro könnte es wesentlich schneller gehen, wenn Moderna kooperieren würde. Südafrika ist seit Beginn der Pandemie eine der lautesten Stimmen aus dem globalen Süden, die eine Aussetzung der Patentrechte fordert. Moderna hatte angekündigt, seine Patente für COVID-Impfstoffe während der Pandemie nicht einzuklagen.

Omikron: Unklarheit am Flughafen in Kapstadt

Doch wer danach einen Moderna-basierten Impfstoff durch alle klinischen Studien bringt und kommerzialisieren will - dem drohen Klagen. "Wir hätten gern eine freiwillige Lizenz von Moderna, damit wir die Technologie in Ländern mit geringem und mittleren Einkommen nutzen und sie auch für andere Impfstoffe verwenden können: HIV, Tuberkulose, Ebola oder die Grippe", sagt Terblanche.

"Was wir hier aufbauen, geht über COVID hinaus. Es ist Teil einer Strategie Afrikas, bis 2040 etwa 60 Prozent unserer Impfstoffe selbst zu produzieren. Wir bauen hier eine Industrie auf."

Eine der wichtigsten Lehren der Pandemie, sagt Terblanche mit Blick auf die ungerechte Impfstoffverteilung, sei unabhängiger zu werden. Bisher werden fast alle auf dem Kontinent genutzten Impfstoffe importiert. Afrigen hofft, mit seinen Partnern in drei Jahren die ersten Impfstoffe auf den Markt zu bringen.

Aber nicht nur in Südafrika, auch in anderen Ländern sollen künftig eigene Impfstoffe gegen COVID-19 hergestellt werden: Das Pasteur-Institut in Senegal stellt bereits Gelbfieber-Impfstoffe her und auch Ruanda hat Interesse an der Herstellung von Impfstoffen und Medikamenten bekundet. BioNTech hat bereits seine Kooperation mit dem Institut Pasteur und der Regierung in Ruanda unterzeichnet, Modernas endgültige Entscheidung dahingehend steht noch aus.