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Das umstrittene Referendum von Zentralafrikas Präsidenten

28. Juli 2023

Am Sonntag sollen die Bürger der Zentralafrikanischen Republik über eine Verfassungsreform abstimmen - deren Entwurf erst vor Kurzem übergeben wurde. Der große Gewinner dürfte Präsident Faustin Archange Touadéra sein.

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Zentralafrikanische Republik Bangui | Demonstration für Verfassungsänderung zur 3.  Amtszeit von Präsident Touadéra
Demo von Touadéra-Anhängern für ein Referendum (im August 2022): Weg zur dritten Amtszeit des PräsidentenBild: Barbara Debout/AFP/Getty Images

Es ist letztlich eine Abstimmung über die politische Zukunft von Faustin Archange Touadéra: Dessen zweites und - nach geltendem Recht - letztes Mandat als Präsident der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) endet 2025. Ein "Ja" für die Verfassungsänderung im Referendum am kommenden Sonntag würde den "Zähler auf Null setzen", wie es aus dem Umfeld des Präsidenten hieß. De facto könnte der heute 66-Jährige für den Rest seines Lebens weiterregieren.

Von der DW auf diesen Punkt angesprochen, geht die zentralafrikanische Außenministerin Sylvie Baïpo-Temon von der der Regierungspartei MCU in die Offensive: "Was bedeutet Demokratie? Demokratie heißt, den Menschen ihre Freiheit zu lassen. Das neue Verfassungsprojekt gibt dem Volk die absolute Freiheit zu wählen", so die Ministerin. Baïpo-Temon gibt damit die Argumentationslinie des Regierungslagers wieder.

Zentralafrikanische Republik Außenministerin Sylvie Baipo Temon (Foto: Barbara Debout/AFP)
Außenministerin Baïpo-Temon: "Absolute Freiheit"Bild: BARBARA DEBOUT/AFP

Ähnlich erfuhr es die DW auch vom Leiter der Wahlkampagne, Evariste Ngamana: "Das Mandat begrenzen zu wollen, würde bedeuten, sich dem Willen des Volkes entgegenzustellen. Das ist eine Form von Diktatur", so Ngamana, der auch Vizepräsident des Parlaments ist. Eine Form der Diktatur? Demokratien wie die USA und Frankreich begrenzen auf diese Weise seit jeher die Amtszeiten ihrer Präsidenten.

Verfassungsreform zwischen Wunsch und Realität

Die Zentralafrikanische Republik hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Bürgerkriege durchlaufen. Im Zuge eines Demokratisierungsprozesses trat 2016 die jetzt gültige Verfassung in Kraft - kurz vor Beginn von Präsident Touadéras erster Amtszeit. Aus Sicht des angesehenen Erzbischofs von Bangui, Dieudonné Nzapalaïnga, war dieser Prozess etwas ganz Besonderes: "Das Forum von Bangui war ein einzigartiger Moment, weil die Menschen aus allen Himmelsrichtungen dort alles auf den Tisch gelegt haben. Sie haben einander gesagt: 'Nie wieder!'"

Von dieser Atmosphäre ist sieben Jahre später in der Zentralafrikanischen Republik nichts zu spüren. Vielmehr fand die Überarbeitung diesmal in kleiner Runde ohne große Öffentlichkeit statt. Die Zuspitzung der aktuellen Debatte auf die Person des amtierenden Präsidenten mag auch damit zusammenhängen, dass die zuständige Behörde den kompletten Text der neuen Verfassung bis kurz vor der Wahl nicht offiziell veröffentlicht hat - Entwürfe jedoch in sozialen Netzwerken kursieren. Glaubt man dem nigerianischen Juristen und Experten für Demokratie in Afrika, Samson Itodo, hat das jetzige Verfassungsprojekt nicht mehr viel mit der ursprünglichen Reformidee zu tun.

Es sei ursprünglich um Versöhnung gegangen, "um der politischen Instabilität zu begegnen und strukturellen Ungleichheit zu begegnen". Erst in den vergangenen Monaten habe sich herausgestellt, dass es vor allem darum gehe, die Macht dauerhaft an Touadéra zu binden, so Itodo: "Das ist ein illegaler Vorgang, der den Wünschen und Hoffnungen der Mehrheit des zentralafrikanischen Volkes diametral entgegensteht."

Viele Hürden für die zentralafrikanische Abstimmung

Der Zeitplan war eng und vieles ist unklar - nicht nur, was den konkreten Verfassungstext angeht, der zur Abstimmung steht. Erst vor zwei Monaten wurde das Referendum angekündigt. Ein Wählerregister gibt es nicht, zur Identifizierung können beliebige Ausweisdokumente vorgelegt werden, was für die Transparenz des Prozesses nicht förderlich ist. Und auch die Sicherheit in manchen Landesteilen ist nicht gewährleistet. Oppositionspolitiker riefen zum Boykott der Abstimmung auf

Zudem ist es der zuständigen nationalen Wahlkommission ANE bislang nicht gelungen, die längst überfälligen Regionalwahlen auszurichten. Sie wurden gerade erneut verschoben. Beim Verfassungsreferendum ging dagegen nun alles sehr viel schneller, was Oppositionsführer Anicet Georges Dologuélé kritisiert: "Sie brauchten viel mehr Zeit und Geld. Und dann, plötzlich, binnen anderthalb Monaten, fällt Geld vom Himmel und alle Probleme sind gelöst", echauffiert sich Dologuélé.

Zentralafrikanische Republik | Danièle Darlan, Vorsitzende im Verfassungsgericht (26.12.2020)
Die damalige Verfassungsgerichtspräsidentin Darlan (2020): Abgesetzt wegen Widerstand gegen PräsidentenpläneBild: Nacer Talel/AA/picture alliance

Kritiker von Präsident Touadéra bemängeln schon lange, dass ANE und auch das Verfassungsgericht der Zentralafrikanischen Republik in der Hand der Regierung seien. So war Touadéra vergangenes Jahr zum wiederholten Mal über sein Vorgehen im Zuge der Verfassungsreform mit dem Verfassungsgericht aneinandergeraten - und setzte kurz darauf in einem fragwürdigen Schritt die Vorsitzende des Gerichts, Danièle Darlan, ab.

Und die Macht des höchsten Gerichts soll offenbar weiter beschnitten werden: Ein Entwurf der neuen Verfassung, der im Internet kursiert, sieht zukünftig ein elfköpfiges Verfassungsgericht vor, von dem allein drei Mitglieder direkt vom Präsidenten bestimmt werden sollen. Bisher benennt der Präsident nur eines von neun Mitgliedern des Gerichts.

Russland fest an der Seite der Regierung in Bangui

Und noch etwas macht Oppositionsführer Dologuélé in diesem Zusammenhang stutzig: Dass die Wahlurnen ohne Hilfe der UN-Mission MINUSCA - und damit gewissermaßen ohne den Segen der internationalen Gemeinschaft - im ganzen Land verteilt werden sollen. "Das bedeutet, dass wir kein Referendum erleben werden, sondern etwas, dessen Resultat schon vorab feststeht", so Dologuélé.

Faustin Archange Touadera und Wladimir Putin in Sotschi (23.10.2019)
Partner Touadéra und Putin (beim Russland-Afrikagipfel 2019 in Sotschi): In russischer "Geiselhaft"?Bild: Sergei Chirikov/AP Photo/picture alliance

Zudem hat die russische Wagner-Gruppe einige hundert Söldner zur Absicherung der Abstimmung nach Bangui geschickt. Russlands Präsenz bleibt also weiter ein entscheidender Faktor. In diesen Tagen ist die Zentralafrikanische Republik auch auf dem Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg vertreten, um die Beziehungen auszubauen. Das Land soll einer der Nutznießer sein von kostenlosen Getreidelieferungen aus Russland, wie Russlands Präsident Wladimir Putinauf dem Gipfel bekannt gab. Manche Beobachter sehen Touadéra schon in "Geiselhaft" von Putin.

ZAR-Außenministerin Sylvie Baïpo-Temon versucht zu beschwichtigen: Ihr Land habe ausschließlich Verträge mit dem "offiziellen Teil" der Russischen Föderation, nicht mit privaten militärischen Gruppen. Auf den DW-Hinweis, dass die Regierung in Moskau selbst die Präsenz der Wagner-Söldner im Land bestätigt habe, sagt sie: "Wagner, Mozart - nennen Sie sie, wie sie wollen. Das gibt es überall." Auch Frankreich, Großbritannien oder die USA hätten solche privaten Militärdienste.

Mitarbeit: Eric Topona und Eddy Micah Jr.