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Was über "Deltakron" bekannt ist

15. März 2022

Dass die Kombination aus Delta und Omikron nur bei einzelnen Fällen in Europa und den USA nachgewiesen wurde, spricht dafür, dass diese Corona-Hybridform nicht gefährlicher ist.

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Mediziner hält Teströhrchen mit der Aufschrift  "Deltakron"
"Deltakron" ist eine Rekombinante aus Delta AY.4 und Omikron BA.1Bild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

"Deltakron" - manchmal bekommen Dinge einen prägnanten Namen, bevor es sie überhaupt gibt.

Als Anfang Januar ein Forscher aus Zypern erstmals von einer Rekombination aus der Delta- und der Omikron-Variante des Coronavirus berichtete, war die Aufregung groß. Dann die Entwarnung: Bei seiner Entdeckung soll es sich um eine Verunreinigung im Labor gehandelt haben.

Zwei Monate später sind nun aber tatsächlich in Europa und den USA Infektionen mit einer Kombination aus Delta und Omikron nachgewiesen worden. Es sind noch nicht viele Fälle, aber die Hybridform "Deltakron" elektrisiert und erinnert daran, dass diese Pandemie noch längst nicht beendet ist, auch wenn viele Länder ihre Corona-Bestimmungen weitgehend gelockert haben.

Bestätigung der Hybridvariante

"Es ist jetzt ziemlich klar, dass dies nun wirklich eine Deltakron-Variante ist", bestätigt Luca Cicin-Sain, der Leiter der Abteilung Virale Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) war auf diese Hybridform bereits vorbereitet. "Wir kennen diese Rekombinante. Es ist eine Kombination aus Delta AY.4 und Omikron BA.1″, sagte die für Corona zuständige WHO-Expertin Maria van Kerkhove. Eine solche Rekombinante sei zu erwarten gewesen, wenn zwei Coronavarianten wie Delta und Omikron so stark zirkulieren.

Ist Deltrakron gefährlicher?

Zwar sorgt Delta für schwerere Verläufe und Omikron ist besonders ansteckend, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Kombination aus beiden Virusvarianten deshalb auch gefährlich ist.

Eine vom französischen Institut Pasteur durchgeführte Analyse der Genomsequenz zeigte, dass "Deltakron" tatsächlich charakteristische Mutationen beider Linien enthält, meldet die Genom-Datenbank "Gisaid".

Von der Omikron BA.1 Variante habe sie das fast vollständigen Spike-Gen übernommen und mit Teilen der Delta AY.4 Variante kombiniert. Durch diese virale Bindung könne die Hybridvariante möglicherweise leichter an die Wirtsmembran andocken, sprich: Sie wäre infektiöser.

Das mehrt die Sorge, dass sich eine ansteckendere Hybridvariante durchsetzen könnte, vor allem gerade jetzt, wo überall die Maßnahmen gelockert werden. Die Pandemie könnte sich verlängern und es könnte - durch den Delta-Anteil - auch wieder häufiger zu schweren Verläufen kommen.

Kein Grund zur Panik!

Allerdings reagieren die meisten Experten vergleichsweise unaufgeregt auf "Deltrakron". Denn bislang gibt es nur einige Einzelfälle in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und den USA. Dies deutet eher darauf hin, dass die Hybridvariante dann doch nicht so gefährlich ist.

"Wäre das eine Variante, die sich wirklich schneller ausbreitet und sehr krank macht, gäbe es inzwischen schon viel mehr Proben", erläutert Immunologe Cicin-Sain. Natürlich müsse man die Hybridvariante genau im Auge behalten, aber er sei jedenfalls im Moment nicht alarmiert.

Ähnlich sieht es auch Etienne Simon-Lorière vom Institut Pasteur, bisher sei die Hybridvariante noch extrem selten und sie zeige auch keine Anzeichen von einem exponentiellen Wachstum. Sprich: die Variante weist keine besorgniserregende Wachstumsrate auf.

Auch der US-amerikanische Intensivmediziner Pierre Kory warnt auf Twitter vor erhöhter Besorgnis: 

Dass die Experten vergleichsweise unaufgeregt auf den Deltrakron reagieren, liegt auch daran, dass solche Rekombinations-Varianten von Sars-CoV-2 bereits mehrfach aufgetreten sind.

"Dies geschieht, wenn wir uns in der Phase des Übergangs von einer dominanten Variablen zu einer anderen befinden, normalerweise eine wissenschaftliche Kuriosität, aber nicht viel mehr", erläuterte Dr. Jeffrey Barrett, der zuvor die COVID-19-Genomikinitiative am Wellcome Trust Sanger Institute leitete.

Wie ist Deltrakron entstanden?

Laut WHO sei eine solche Rekombinante zu erwarten gewesen, wenn zwei Coronavarianten wie Delta und Omikron so stark zirkulieren.

Solche Rekombinations-Varianten entstehen, wenn sich Personen gleichzeitig mit zwei Coronavirus-Varianten anstecken. Das kommt zwar sehr selten vor, aber vor allem um den Jahreswechsel herum hat Omikron gerade Delta als dominante Variante abgelöste. Kam eine Person gleichzeitig mit beiden Virentypen in Kontakt, kann sie sich mit beiden Varianten infiziert haben.

Bei der Vermehrung der Viren in der Wirtszelle kann sich das genetische Material dann vermischt und zu einer Hybridvariante kombiniert haben. Dies ist allerdings eher die Ausnahme, denn in den seltensten Fällen kann sich solch eine Hybridvariante durchsetzen, weil sie gewöhnlich keinen evolutionären Vorteil zu den ursprünglichen Varianten hat.

Belebte Fussgängerzone nach gelockerten Schutzmaßnahmen
Manchen kommt der weitgehende Wegfall aller Corona-Schutzmaßnahmen zu frühBild: Christoph Hardt/Geisler Fotopress/picture alliance

Schützen die Impfungen gegen Deltakron?

Weder Impfungen noch Booster können eine Corona-Infektion verhindern, das zeigen auch die seit Wochen auf sehr hohem Niveau verharrenden Infektionszahlen. Das liegt vor allem daran, dass die Omikron-Variante mittels Escape-Mutation den aufgebauten Immunschutz teilweise umgehen kann.

Also werden weder die Impfungen noch eine durchgemachte Infektion wahrscheinlich vollständig vor Deltrakron schützen können. Aber: Bislang hat sich diese Hybridvariante nicht durchsetzen können. Und die Impfungen samt Booster schützen zumindest vor schweren Krankheitsverläufen.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund