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Davos diskutiert über Künstliche Intelligenz

Ashutosh Pandey aus Davos
17. Januar 2024

KI dominiert das Weltwirtschaftsforums in Davos. Ist die neue Technologie Fluch oder Segen? Vertreter aus Politik und Wirtschaft sind sich uneins und suchen den Mittelweg.

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Schweiz Davos | AI und Weltwirtschaftsforum
Nicht zu übersehen: KI ist das Hauptthema in DavosBild: DW

Die Begeisterung für Künstliche Intelligenz ist bereits auf der Promenade in Davos spürbar. Viele Häuserwände und Immobilien sind mit Plakaten beklebt, die mit den Vorzügen von KI werben.

Auch ein ganzer Pavillon des Weltwirtschaftsforums ist dem Top-Technologie-Trend gewidmet ist. Er trägt den Namen "AI House" und gehört zu den beliebtesten Adressen in diesem Jahr. 

Bei den Eliten aus Politik und Wirtschaft herrscht im Grunde eine optimistische Stimmung über die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz im Bildungs- und Gesundheitswesen. Doch meist wird der Optimismus mit einem Nebensatz eingeleitet, wie, "wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt wird", oder mit einem, "aber wir sollten vorsichtig sein".

World Economic Forum 2024 | Davos | Künstliche Intelligenz
Wie kommen Vertrauen und Künstliche Intelligenz zusammen? Häuserwand in Davos mit WerbungBild: Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/picture alliance

Das Weltwirtschaftsforum hat in seiner jährlichen Risikoumfrage KI-gesteuerte Falschinformationen und Desinformationen als größte Gefahr der nächsten zwei Jahre bezeichnet.

In der Studie heißt es, dass die "Verbindung zwischen gefälschten Informationen und gesellschaftlichen Unruhen im Mittelpunkt stehen wird", wenn in diesem Jahr weltweit vier Milliarden Menschen - unter anderen in Ländern wie den USA und Indien - zur Wahl gehen.

Verschärft KI Ungleichheiten?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt davor, dass die KI-Revolution weltweit fast 40 Prozent der Arbeitsplätze betreffen wird, darunter auch hochqualifizierte Arbeitsplätze. In den Industrieländern könnten es sogar 60 Prozent der Arbeitsplätze sein. 

Weil aber Schwellen- und Entwicklungsländer vielleicht weniger von der KI-Revolution betroffen sind, könnte sie das eben auch in ihrer Entwicklung zurückwerfen. Denn mangelnde Infrastruktur und qualifizierte Arbeitskräfte machten es für sie schwerer, die Vorteile der KI zu nutzen, so der IWF.

Das könnte die Ungleichheit zwischen den Nationen verschärfen. "Das ist ein beunruhigender Trend, den die Politik proaktiv angehen muss, um zu verhindern, dass die Technologie die sozialen Spannungen weiter anheizt", sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva zu Beginn der Treffens in Davos.

Die KI birgt viele Risiken

Zu den größten Risiken gehört die Qualität der Daten, die den verschiedenen KI-Modellen zugrunde liegen. Hinzu kommen die neuen Möglichkeiten, qualitativ hochwertige Inhalte wie Deep Fakes zu relativ geringen Kosten zu erstellen.

AI-Unternehmen haben die Datenquellen, die ihren großen Modellen - wie beispielsweise ChatGPT - zugrunde liegen, nicht transparent gemacht. Das führt zu Bedenken bei der Zuverlässigkeit der Sprachmodelle.

"Haben sie Daten aus Fortran (eine Programmiersprache) oder haben sie Daten aus einem bestimmten Teil von Reddit (ein soziales Netzwerk)? Das kann man nur vermuten", sagt James Landay, Professor für Informatik an der Stanford University, im Gespräch mit der DW.

"Was wir wissen, ist, dass sie hauptsächlich aus einer westlichen Perspektive kommen. Die kulturellen Werte, die in den Daten enthalten sind, sind für andere Kulturen nicht passend. Es ist fast eine Form von Imperialismus", so Landay.

Der Informatik-Professor hat sich auf die Interaktion zwischen Mensch und Computer spezialisiert. Er verweist auf die drei zentralen Bedrohungen von KI: Desinformation, Fälschung und Diskriminierung.

Die Chancen von KI

Trotz dieser Risiken wird die KI auch als wichtiger Impulsgeber für die Tech-Branche angepriesen. Führende Vertreter schwärmen davon, wie die Technologie zu einem großen Produktivitätssprung geführt hat.

Nigel Vaz, CEO von Publicis Sapient, einem Beratungsunternehmen für die Digitale Transformation wies daraufhin, dass KI in der Softwareentwicklung zu Produktivitätssteigerungen von 30 bis 40 Prozent geführt habe.

"Es ermöglicht den Entwicklern, sich mehr auf die eigenen Ideenfindung zu konzentrieren und nicht so sehr auf die Generierung von Codes", sagte er auf einer Podiumsdiskussion.

Auch Experten betonen die potenziellen Vorteile, die KI vor allem in Bereichen wie Bildung haben kann. Dort könnten Kinder mit eingeschränktem Zugang zu Schulen eines Tages persönliche Tutoren haben. Oder im Gesundheitswesen, wo die Technologie bereits zur Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung beiträgt.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, eine bekennende Technikoptimistin, stimmt dem zu. "KI kann die Produktivität in einem noch nie dagewesenen Tempo steigern", sagte sie vor den Teilnehmern in Davos.

"Europa muss seinen Beitrag leisten und den Weg zu einem verantwortungsvollen Einsatz von KI weisen. Das ist eine Künstliche Intelligenz, die die menschlichen Fähigkeiten erweitert, die Produktivität verbessert und der Gesellschaft dient."

Die Begeisterung, die die generative KI im vergangenen Jahr erlebt hat, könnte sich in diesem Jahr etwas abkühlen, sagt Alexandra Mousavizadeh, CEO von Evident, einer Firma, die KI-Umsetzungen im Bankensektor verfolgt, vergleicht und analysiert.

"Es gibt einen riesigen Hype um generative KI und es wird viel darüber diskutiert, was sie für Unternehmen tun kann. Aber es ist extrem schwierig, sie zu implementieren", so Mousavizadeh gegenüber DW.

"Es gibt ein klares Verständnis dafür, was die großen Sprachmodelle leisten können, aber man zögert, ob sie für die Anwendungsfälle, die wir in unseren Organisationen haben, zuverlässig genug sind."

Wie geht verantwortungsvolle KI?

Chancen nutzen und Risiken minimieren - ganz klar einer der zentralen Diskussionspunkte in Davos. Ramayya Krishnan, Experte für digitale Transformation an der Carnegie Mellon University, geht davon aus, dass das Risiko von Arbeitsplatzverlusten durch KI verringert werden könnte, indem in Echtzeit lokale Arbeitsmärkte auf Bedürfnisse von Arbeitgebern abgeklopft werden.

"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine KI im Wesentlichen alle Aufgaben in einem bestimmten Beruf ersetzen kann", so Krishnan, der auch Mitglied des National Artificial Intelligence Advisory Committee des US-Handelsministeriums ist.

Wenn es um Fehlinformationen und Desinformationen geht, bemühen sich die Unternehmen, die Nutzer besser zu informieren. Google zum Beispiel hat SynthID entwickelt, ein Tool zur Kennzeichnung mit digitalen Wasserzeichen und Identifizierung von KI-generierten Bildern. Doch derzeit gibt es noch keinen Industriestandard. 

"Die Anforderung sollte sein, dass jedes KI-Modell, wenn es Inhalte erstellt, eine Herkunft mit diesen verknüpft und neben dem Inhalt ein Tool freigibt, mit dem das Wasserzeichen oder die Provenienz des Inhalts verarbeitet werden kann. So weiß der Mensch, der mit dem Inhalt interagiert, ob er mit einem KI-Inhalt interagiert oder nicht", sagte Krishnan der DW. 

Der Text wurde von Nicolas Martin aus dem Englischen adaptiert.