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Deutsche Weinkönigin gewählt: Ein Wettbewerb mit Tradition

Nikolas Fischer
29. September 2023

Eine typisch deutsche Tradition feiert Jubiläum: Wer ist die 75. Deutsche Weinkönigin? Im Finale griffen fünf junge Frauen nach der Krone. Sie mussten durch Fachwissen, Schlagfertigkeit und Persönlichkeit überzeugen.

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Wahl der 75. Deutschen Weinkönigin: Eva Brockmann (in der Mitte) und die  Weinprinzessinnen Lea Baßler (links) sowie Jessica Himmelsbach (rechts) bekommen Kronen aufgesetzt
Die neue Königin und ihre Prinzessinnen werden gekröntBild: Lando Hass/dpa/picture alliance

Die Deutsche Weinkönigin ist die wichtigste Botschafterin der Branche. Ein Jahr lang vertritt sie rund 15.000 deutsche Winzerinnen und Winzer bei vielen Anlässen im In- und Ausland. Für das Finale 2023 im pfälzischen Neustadt an der Weinstraße qualifizierten sich bei einem Vorentscheid die letzten fünf von zwölf Kandidatinnen. Vor etwa 700 Gästen im Saalbau wählten dann eine Jury und das Publikum die 24-jährige Eva Brockmann aus Franken zur neuen Weinkönigin sowie Lea Baßler (Pfalz) und Jessica Himmelsbach (Baden) zu Weinprinzessinnen. 

Im Konfettiregen und dem Jubel ihrer Fangemeinde nahm die neue "First Lady des Rebensafts" nach ihrem Sieg die Krone von Vorgängerin Katrin Lang aus Baden entgegen. "Ich spüre pure Freude, pure Emotion", sagte die strahlende Siegerin Eva Brockmann.

Deutschland, Wahl der 75. Deutschen Weinkönigin 2023: Eva Brockmann bei der Blindverkostung
Die spätere Gewinnerin Eva Brockmann zeigt im Wettbewerb, was sie kannBild: Lando Hass/dpa/picture alliance

Die Gewinnerin setzte sich im Wettbewerb gegen harte Konkurrenz durch, zeigte sich aber fair und meinte: "Jede hätte es verdient."

Was eine Weinkönigin auszeichnet

Die meisten deutschen Weinanbaugebiete haben zuvor - ebenfalls für ein Jahr - ihre eigenen Weinköniginnen gewählt, die dann bei der Wahl zur Deutschen Weinkönigin gegeneinander antreten. 

Eine Weinkönigin ist volljährig und durchschnittlich 25 Jahre alt. Bis 1999 durfte sie noch nicht verheiratet sein. Das gilt inzwischen nicht mehr. Die Kandidatinnen um den Titel müssen sich sehr gut mit Rebsorten und Weinanbau auskennen, zudem sollten sie sympathisch und charismatisch rüberkommen und durchaus schlagfertig sein. Auch Fremdsprachenkenntnisse schaden nicht.

Laut Website zur Wahl der Deutschen Weinkönigin des Deutschen Weininstituts erfüllten die fünf Finalistinnen alle Voraussetzungen. Beim Vorentscheid sprachen sie etwa über die "Vorzüge des eLabels (QR-Code) für Nährstoffangaben auf Etiketten", über die "Voraussetzungen einer erfolgreichen Eisweinlese (mindestens -7 Grad Celsius)" oder über "zukünftige Herausforderungen im Weinbau wie Klimawandel, Pflanzenschutz und veränderten Trinkgewohnheiten".

Werbung für die 13 deutschen Weinanbaugebiete

Ein Mann zwischen Weinreben schneidet Trauben.
Weinlese der Sorte Sauvignon Blanc in Rhodt unter Rietburg (Rheinland-Pfalz)Bild: Andreas Arnold/picture alliance/dpa

Die Jahressiegerin wirbt dann zwölf Monate lang für Weine aus deutschen Anbaugebieten. Insgesamt gibt es 13 von ihnen, der Größe nach sortiert sind das:

1. Rheinhessen (ca. 26.500 Hektar): Vor allem Riesling und Silvaner kommen aus dem Gebiet zwischen Bingen, Mainz, Worms und Alzey.
2. Pfalz (ca. 23.000 Hektar): Im pfälzischen Bad Dürkheim steigt das größte Weinfest der Welt, der "Dürkheimer Wurstmarkt". Bei diesem Oktoberfest für Weintrinker gibt man sich nicht mit den üblichen Gläsern ab. Auch bei den Essensportionen ist man nicht zimperlich. Jedes Jahr im September lockt der Wurstmarkt fast 700.000 Besucher an.
3. Baden (ca. 15.800 Hektar): Die 73. und 74. Deutsche Weinkönigin, Sina Erdrich und Katrin Lang, kommen aus Baden, dem höchsten - und sonnenverwöhntesten - Weinanbaugebiet Deutschlands. Hier gedeihen berühmte Weine wie Riesling oder Spätburgunder.
4. Württemberg (ca. 11.400 Hektar). Dominant in diesem Weinanbaugebiet ist die Rebsorte Trollinger, aus der der gleichnamige Rotwein entsteht.
5. Mosel (ca. 8800 Hektar): Neben dem kleinen Winzerort Bremm erhebt sich der Berg Calmont - der steilste Weinberg Europas. Mit 300 Metern Höhe und einer Steigung von bis zu 60 Grad ist er nichts für Menschen mit Höhenangst. 
6. Franken (ca. 6100 Hektar). Die Weine Müller-Thurgau und Silvaner sind bekannte Sorten aus dem Fränkischen Weinland. Nun kommt auch die neue Weinkönigin (Eva Brockmann) aus dieser Region.
7. Nahe (ca. 4200 Hektar). Dieses Weinanbaugebiet liegt im Bundesland Rheinland-Pfalz.
8. Rheingau (ca. 3100 Hektar). Weingauer Rieslinge und Spätburgunder sind bekannt für den Rheingau.
9. Saale-Unstrut (ca. 750 Hektar): In Deutschland gilt der 52. Breitengrad als Polarkreis des deutschen Weinanbaus. Dort etwa liegt der Ort Werder in Brandenburg, der als offiziell nördlichstes Weinanbaugebiet der Welt anerkannt ist.
10. Ahr (ca. 540 Hektar). Aus dem Ahrtal, das zum Teil in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen liegt, stammen vor allem Spätburgunder. Warme Schieferböden und ein nahezu mediterranes Klima sind eine Besonderheit der Ahr-Weinberge. Die Flut von 2021 hat vielen Winzern schwer zugesetzt.
11. Sachsen (ca. 490 Hektar). Im sächsischen Weinanbaugebiet wachsen vorrangig weiße Rebsorten. Auch rund um die Landeshauptstadt Dresden wird seit über einem Jahrtausend schon Wein angebaut. 
12. Mittelrhein (ca. 460 Hektar). Das zweitkleinste Weinanbaugebiet deckt sich weitgehend mit dem malerischen Mittelrheintal. 
13. Hessische Bergstraße (ca. 450 Hektar). Der Bergsträßer Wein ist überwiegend Weißwein.

Weinkönigin Julia Klöckner im Rebstock hält Weinglas und Krone fest in der Hand (Archivbild)
Die ehemalige Deutsche Weinkönigin Julia Klöckner (1996), die später Bundeslandwirtschaftsministerin wurdeBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Rheinland-Pfalz machte 1931 den Anfang

1931 kürte die Pfalz als erstes deutsches Weinanbaugebiet eine Weinkönigin: Ruth Bachroth. Sie war dadurch automatisch auch das deutsche Weinoberhaupt und gleichzeitig die erste "produktbezogene" Königin überhaupt. Mittlerweile gibt es in Deutschland Bierköniginnen, Apfelköniginnen, Weißwurstköniginnen und viele andere Königinnen mehr.

Während der NS-Zeit wurde das junge Ritual der pfälzischen Weinkönigin von den Nazis vereinnahmt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs wählte ein Fotograf, welche lokale Schönheit den Titel tragen sollte. Er suchte die "hübscheste dem Wein verbundene Frau", entsprechend dem NS-Schönheitsideal.

Schwarzweißporträt von Gustel Hauptmann von 1937.
Sie war für 1937/38 als pfälzische Weinkönigin ausgewählt worden: Gustel Hauptmann aus HaardtBild: United Archives International/IMAGO

1950 schlossen sich andere Weinanbaugebiete dem pfälzischen Vorbild an und kürten Weinköniginnen. Die Deutsche Weinkönigin wird in einer eigenen Wahl ermittelt. Früher mussten die Bewerberinnen ledig sein und aus einer Winzerfamilie stammen. Seit dem Jahr 2000 sind die Voraussetzungen lockerer, es geht um "eindeutige und starke Verbundenheit mit deutschen Weinen".

Voller Terminkalender - Die Pflichten einer Königin

Weinkönigin mit Leonard Bernstein vor einem Flugzeug 1968.
Die Deutsche Weinkönigin begrüßte 1968 den Gast Leonard BernsteinBild: akg-images/picture-alliance

Der Terminkalender einer deutschen Weinkönigin ist voll, schließlich repräsentiert sie eines der wichtigsten Wirtschafts- und Kulturgüter Deutschlands. Früher am liebsten adrett, im Dirndl. Es blieb bis 1981 Arbeitskleidung der amtierenden Weinkönigin.1968 wurde sogar der US-amerikanische Komponist und Dirigent Leonard Bernstein von der Botschafterin des deutschen Weins bei seiner Ankunft am Kölner Flughafen empfangen.

Weinköniginnen von 2013 posieren in Bikinis oder Unterwäsche mit Plakaten.
Österreichische Weinköniginnen posieren für den "Jungwinzerinnen Kalender 2014"Bild: Hans Klaus Techt/picturedesk/APA/picture alliance

Nicht zu den Pflichten deutscher Weinköniginnen gehört, nackte Haut zu zeigen. Ganz anders in Österreich. Dort wird jährlich der Jungwinzerinnen-Kalender herausgegeben. Unter dem Motto "jung, erfolgreich, sexy" werben die jungen Winzerinnen mit Fotos, auf denen sie nur leicht bekleidet sind, für ihre Weine.

Warum nicht auch mal ein Weinkönig?

Weinkönig Sven Finke-Bieger mit riesigem Weinglas und römischem Outfit.
Weinkönig Sven Finke-Bieger 2017 in TrierBild: Birgit Reichert/dpa/picture alliance

Als das Moseldorf Kesten im Sommer 2016 keine Weinkönigin fand, sprang der Jurastudent Sven Finke-Bieger als römischer Weingott Bacchus ein. Nach zwei Jahren gab er den Staffelstab weiter - zurück an eine Frau. Zwei tolle Jahre seien es gewesen, so der Student, aber nach 200 Terminen sei es auch genug. Sein Fazit lautete: "Ich kann es nicht besser als Frauen, aber genauso gut."

"Meet the Germans"-Roadtrip: Westdeutschland