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Deutschland braucht Wasserstoff - Afrika soll liefern

26. Juli 2023

Die Bundesregierung hat ihre Nationale Wasserstoffstrategie aktualisiert. Der Energiehunger ist groß. Bis zu 70 Prozent des Bedarfs müssen importiert werden.

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Symbolbild Grüner Wasserstoff. Ein grüner Aufkleber mit der Aufschrift "H2 Gas" klebt an einem gelben Wasserstoffbus, von dem die Front in Nahaufnahme zu sehen ist
Wasserstoffantrieb empfiehlt sich für lange Strecken und schwere FahrzeugeBild: Hauke-Christian Dittrich/dpa/picture alliance

Weg von Öl, Gas und Kohle, mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbare Energien - so will Deutschland bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen. Dabei soll Wasserstoff eine große Rolle spielen. Das extrem flüchtige Gas wird hergestellt, indem Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Wird dafür Öko-Strom verwendet, ist der Wasserstoff klimaneutral. Derzeit wird Wasserstoff in Deutschland noch meistens aus fossilen Energien wie Erdgas hergestellt.

Wasserstoff wird überall dort eine zentrale Rolle spielen, wo die Dekarbonisierung ansonsten schwierig bis unmöglich sein wird. Experten rechnen vor, dass in keiner anderen Branche durch Wasserstoff so viel CO2 eingespart werden könnte, wie in der Stahlindustrie. Zum Einsatz kommen soll er auch in anderen energieintensiven Branchen wie der Chemie- und Zementindustrie oder beim Schwerlast-, Flug-und Schiffsverkehr.

Der französische Präsident Emmanuel Macron steht mit einer Gruppe von Menschen auf der Internationalen Pariser Luftfahrtausstellung vor dem Modell eines Airbus Zero. Der futuristisch anmutende Flieger ist vergleichsweise flach und breit hat zwei Heckflossen. Im Hintergrund steht ein weißes Düsenflugzeug, auf dem in blauer Schrift jetBlue steht
Model eines Airbus Zero, der als Hybrid-Wasserstoff-Flugzeug konzipiert ist, auf der Luftfahrtausstellung in ParisBild: Michel Euler/AP/picture alliance

Grüner Wasserstoff - Green Hydrogen: Die Nachfrage wird enorm sein

Um den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur zu forcieren, hat 2020 die damalige Bundesregierung unter Angela Merkel eine Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) beschlossen. Die aktuelle Bundesregierung hat sie nun fortgeschrieben. Unter anderem wurde beschlossen, dass Wasserstoff perspektivisch auch im Verkehr und beim Heizen von Gebäuden eingesetzt werden soll. Das treibt den absehbaren Bedarf weiter nach oben. Für 2030 wird mit 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) gerechnet. In einer aktuellen Studie für das Deutsche Maritime Zentrum heißt es, dass etwa zur Mitte des Jahrhunderts allein die deutschen Hochseeflotte mit ihren derzeit 1700 Schiffen etwa 120 TWh pro Jahr brauche. 

Deutschland | Auf einem großen Plakat, das auf einem mehrstöckigen Haus aufgestellt ist, steht in weißer Schrift auf blauem Grund: Wir kochen auch nur mit Wasserstoff. Im Vordergrund steht eine Filiale von McDonalds, der Firmenname leuchtet. Es ist früher Abend, die Dämmerung ist weit fortgeschritten. Straßenlaternen sind bereits eingeschaltet, einige Verkehrsschilder sind zu sehen.
Leuchttafel des Stahlerzeugers ThyssenKrupp in BochumBild: S. Ziese/blickwinkel/picture alliance

Die nötigen Mengen können keinesfalls in Deutschland erzeugt werden. "Mindestens 50 bis 70 Prozent werden importiert werden müssen", sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Als Importländer kommen viele in Frage. "Anders als in der fossilen Welt hat die Wasserstoffwirtschaft eine ganz große Bandbreite an potenziellen Anbieterländern. Das ist der gesamte Sonnengürtel der Welt, das sind Regionen mit hohen Potenzialen für Wasserkraft, also ansonsten Photovoltaik und Windenergie eben."

2026 geht in Marokko die erste Anlage in Afrika in Betrieb

Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird in Marokko, Brasilien, Tunesien, Algerien, Namibia und Südafrika bereits der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft unterstützt. Mit im Boot sind deutsche und europäische Unternehmen, die mit Unternehmen vor Ort zusammenarbeiten. In Marokko soll 2026 die erste großtechnische Referenzanlage für grünen Wasserstoff des afrikanischen Kontinents in Betrieb gehen.In Namibia treibt das Bundeswirtschaftsministerium den Ausbau der Windenergie voran, das BMZ unterstützt flankierend bei der Stadtplanung im Umfeld geplanter Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff und bei der Ausbildung von Fachkräften.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, im DW-Interview
Jochen Flasbarth, Staatsekretär im EntwicklungsministeriumBild: DW

"Wir haben unsere Politik auf diese Wasserstoff-Weltwirtschaft ausgerichtet", so Flasbarth. 270 Millionen Euro stehen bereit, um Investitionen in den Partnerländern anzukurbeln. "Wir gehen davon aus, dass wir damit etwas mehr als 1,3 Milliarden Euro an Investitionen auslösen können, das heißt, es geht um ein wirklich modernes Verständnis von Entwicklungspolitik, indem wir staatliches Geld so einsetzen, dass wir private Mittel in transformative Technologien lenken."

Auf Menschenrechte und Umweltstandards achten

Die Nationale Wasserstoffstrategie habe daher nicht nur eine nationale Bedeutung für Deutschland. "Aus meiner Sicht wird die Wasserstoffwirtschaft das Rückgrat der Weltwirtschaft in diesem Jahrhundert und hat das Potenzial, in eine gerechtere inklusive Weltwirtschaft zu führen als es die fossile Welt mit den wenigen Anbietern und starken Abhängigkeitsstrukturen je gewesen ist."

Grüner Wasserstoff aus Namibia

Doch dafür müssen Standards eingehalten werden. "Es geht um Arbeitsrechte, Menschenrechte und Umweltstandards", betont der deutsche Staatssekretär. Und um Nachhaltigkeit. Länder, die weiterhin auf Kohle als Energieträger setzen, sollen genauso wenig als Geschäftspartner in Frage kommen wie Länder, die unter Energieknappheit leiden. "Es macht entwicklungspolitisch und ethisch überhaupt keinen Sinn, dass wir Wasserstoff aus Ländern importieren, bei denen es viele Menschen gibt, die keinen Zugang zu Energie, zur Elektrizität haben. "Nur um eine Größenordnung zu geben: 600 Millionen Menschen in Subsahara Afrika haben im Augenblick keinen Zugang zu elektrischer Energie."

Wasser ist ein knappes Gut

Um Wasserstoff zu produzieren, braucht man neben Strom auch viel Wasser. "Insbesondere in Ländern, die auf Meerwasser-Entsalzung angewiesen sind, muss es dazu führen, dass wir den Wasserbedarf nicht nur für die Wasserstoffproduktion denken, sondern beispielsweise die nahegelegene nächste Stadt auch vernünftig mit Trinkwasser versorgen."

Burkina Faso schlechte Wasserversorgung. Ein Mädchen in einem grünen Rock und einem hellen Shirt läuft über trockenen, braunen Boden und trägt einen blauen Wasserbehälter auf seinem Kopf. Im Hintergrund stehen einige Buschbäume.
In Zentralafrika müssen Menschen viele Kilometer laufen, um an Wasser zu kommenBild: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP/Getty Images

Wird der Wasserstoff außerhalb von Europa hergestellt, muss er in der Regel verschifft werden. Das ist mit dem höchst flüchtigen Gas nicht möglich, dafür muss es in Derivate wie Ammoniak oder Methanol umgewandelt werden. Auch dafür sollen in den Partnerländern Produktionsmöglichkeiten aufgebaut werden. Schiffe könnten dann an den deutschen und europäischen Terminals anlanden, die jetzt für LNG, also Flüssiggas genutzt werden.

Neue Leitungen bauen

Grundsätzlich kann Wasserstoff über das bestehende Leitungsnetz für Erdgas verteilt werden. Es muss aber umgerüstet werden. In der Nationalen Wasserstoffstrategie heißt es, bis 2027/2028 werde ein "Wasserstoffstartnetz" mit mehr als 1800 Kilometern umgestellten und neu gebauten Leitungen in Deutschland aufgebaut. Europaweit kämen 4500 Kilometer hinzu. Bis 2030 seien "alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern verbunden".

Ab ins Heizkraftwerk - Wasserstoff in Erdgasleitungen

Ein Großteil der verbauten Technik, die für die Wasserstoffinfrastruktur gebraucht wird, soll aus Deutschland kommen. Deutsche Maschinenbauer und Elektronikunternehmen stehen bei der Produktion international mit an der Spitze. Allein der Elektronikkonzern Bosch will in den kommenden drei Jahren 2,5 Milliarden Euro in diesem Bereich investieren.

Arbeitsplätze in Deutschland sichern

Hergestellt werden sollen unter anderem Elektrolyseure, Kompressoren, die für den Transport in Pipelines und für Tankstellen benötigt werden und Brennstoffzellen, mit denen die im Wasserstoff gespeicherte Energie wieder als Strom nutzbar gemacht wird. Der Konzern rechnet damit, dass bereits im Jahr 2030 jedes fünfte schwere Nutzfahrzeug mit einem Brennstoffzellenantrieb ausgerüstet sein wird.

Das sichert auch Arbeitsplätze in Deutschland, die an anderen Stellen wegfallen werden. Für die Produktion von Elektroantrieben wird beispielsweise nur noch ein Zehntel der Mitarbeiter gebraucht, die bislang an der Herstellung von Verbrennungsmotoren arbeiten.