1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Geschichte der Noten

16. Juli 2021

Was Wagner, Mozart und viele andere große Musiker verbindet? Sie alle druckten ihre Noten im Mainzer Schott-Verlag. Das Gutenberg-Museum weiß auch, warum.

https://p.dw.com/p/3wUY3
Ausstellung "Noten für die Welt" im Gutenberg-Museum Mainz: Jemand mit Handschuhen hält ein Buch mit handschriftlichen Noten auf
Kirchengesänge auf Latein - einer der Schätze der Ausstellung Bild: Gutenberg-Museum Mainz

Eigentlich ist es eine Jubiläumsschau, die das Mainzer Gutenberg-Museum schon im vergangenen Jahr zeigen wollte: Denn der Schott-Verlag, weltweit führend in der Herstellung von Noten, feierte sein 250-jähriges Bestehen. Grund genug, die Verlagshistorie Revue passieren zu lassen, in der sich die Wegmarken europäischer Musikgeschichte spiegeln - und wichtige Stationen der Notationsgeschichte. Dann aber kam Corona. Und wie viele andere Häuser musste auch das Mainzer Museum monatelang schließen.

In der Graphik "Noten für die Welt" tanzen die Buchstaben auf und ab - fast wie in einer Partitur
Die Grafik für die Ausstellung im Mainzer Gutenberg-Museum ähnelt einer PartiturBild: Gutenberg-Museum Mainz

Umso überraschender, wie weit die Sonderschau jetzt ihren zeitlichen und inhaltlichen Bogen spannt - nämlich von den mittelalterlichen sogenannten Neumen, der Niederschrift liturgischer Musik wie etwa dem gregorianischen Gesang, aus karolingischer Zeit bis hin zu Notationen des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Mainzer Ausstellung zeigt denn auch - als eine ihrer Attraktionen - Neumen auf einer vor gut 1000 Jahren entstandenen Handschrift.

Im hohen Mittelalter folgten dann die Quadratnotation und die - wegen ihrer rautenförmigen Notenköpfe - sogenannten "Hufnagelnoten". "Bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ließen sich Noten lediglich handschriftlich vervielfältigen", sagt Kuratorin Maria Linsmann. Für ihre Ausstellung hat sie tief in den Archiven gegraben. Auch das berühmte "Psalterium Benedictium cum canticis et hymnis", gedruckt 1459 von Peter Schöffer dem Älteren, ist in ihrer Schau zu sehen, ein Hauptwerk mit heiligen Gesängen aus der Sammlung des Gutenberg-Museums, das ebenfalls handgemalte Noten enthält.

Außenansicht des historischen Gebäudes des Gutenberg-Museums
Widmet der Geschichte der Noten eine ganze Sonderaustellung: das Mainzer Gutenberg-MuseumBild: picture-alliance

Die geniale Idee des Johannes Gutenberg

Anfang des 16. Jahrhunderts brachten neben Ottaviano Petrucci, der landläufig als der "Erfinder des Musiktypendrucks" gilt, auch andere Drucker mehrstimmige Musik im Typendruck heraus. Lange vorher, bereits um 1450, hatte Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern entwickelt. Seine epochale Erfindung war eine Zäsur in der Kommunikation der Menschheit. Und die Drucktechnik machte Schule: Spätestens im 17. und 18. Jahrhundert fanden gedruckte Noten weite Verbreitung, allen voran Gesang- und Messgesangsbücher für Gottesdienste. War anfangs der Kupferstich das Mittel der Wahl, setzte sich Anfang des 19. Jahrhunderts allmählich das lithografische Druckverfahren für Musiknoten durch.

Blick in das Archiv des Schottverlags. In Regalen lagern beschriftete Dokumentenkisten
Blick in das Archiv des Schottverlags, das 250 Jahren Musikgeschichte geschrieben hatBild: Strecker-Stiftung/Peter Andersen

Die Gründungsjahre des Schott-Verlags

Erst mit Ausbruch der französischen Revolution verließ der Notendruck sein dankbares Kirchenumfeld. "Das Kunstlied", so Kuratorin Maria Linsmann, "fand immer mehr Anhänger. Komponisten wandten sich immer häufiger dem zumeist in einfachen Strophen vertonten Klavierlied zu. Das wurde dann im intimen Rahmen vorgetragen." Gedichte von Goethe oder auch Herders Volksliedsammlung gerieten zu beliebten Textvorlagen. Die Noten hierzu druckte - der Schott Verlag.

Ein historisches Gemälde des Porträtmalers Benjamin Orth zeigt die drei Gründer des Schott-Verlags
Gründeten vor 250 Jahren ihren Musikverlag: die drei Schott-Brüder (auf einem Porträt des Malers Benjamin Orth)Bild: Schott Söhne

Bernhard Schott (1748-1809) hatte den Verlag unter dem Namen "B. Schott's Söhne" gegründet. Schon 1780 erhielt der Musiker und Kupferstecher sein "privilegium exclusivum" und das Prädikat ″Hofmusikstecher". Damit durften seine Werke innerhalb des Kurfürstentums nicht nachgestochen werden. Schott verwendete das Vervielfältigungsverfahren der Lithographie, was ihm hohe Auflagen in konstanter Qualität sicherte. 

Noten von Mozart auf einem historischen Notenblatt.
Partitur von Mozarts Sonate, gedruckt Ende des 18. Jahrhunderts im Mainzer Schott-VerlagBild: Gutenberg-Museum Mainz

Die Klavierauszüge und Erstausgaben der Mozartoper "Die Entführung aus dem Serail" zählen zu den ersten Höhepunkten der Verlagsgeschichte. Mozarts vier Sonaten für Klavier und Violine KV6-9 waren 1764 seine ersten gedruckten Kompositionen. Im Jahr 1859 setzte dann Franz Schott, der Enkel des Verlagsgründers, einen Schwerpunkt bei deutschen Komponisten. Richard Wagner brachte große Bühnenwerke wie "Die Meistersinger von Nürnberg", "Der Ring des Nibelungen" oder "Parsifal" im Mainzer Schott-Verlag heraus. Eine Auswahl historischer Druckplatten, Lithosteine und Druckwerkzeuge machen den Druckprozess in der Ausstellung anschaulich.

Wagners "Die Meistersinger"-Partitur

Ungewöhnlich auch die Gegenüberstellung der äußerst selten gezeigten Originalpartitur der "Meistersinger von Nürnberg" mit einem frühen, bei Schott von den Platten gedruckten Klavierauszug von Karl Tausig. Hier zeigt sich nicht nur die Sorgfalt der Wagner-Partitur, in der sich zahlreiche Konkretisierungen, Ergänzungen und Festlegungen des Komponisten finden, sondern auch die Genauigkeit und Qualität der Schott'schen Drucke.

Ein aufgeschlagenes Notenbuch zeigt die bildhafte Partitur eines Komponisten
Fast wie ein Gemälde: die Partitur des modernen Komponisten György LigetiBild: Gutenberg-Museum Mainz

Und auch der Sprung in die neue Zeit lässt sich in der Mainzer Schau bestaunen: Kunstvoll gestaltete Partituren moderner und zeitgenössischer Komponisten, darunter Paul Hindemith, György Ligeti und Chaya Czernowin, schmücken die Museumsvitrinen. Hörbeispiele unter "Musikduschen" erwecken die Noten hörbar zum Leben. Und belegen zugleich die internationale Ausrichtung des aktuellen Verlagsprogramms von Schott. Die Ausstellung "Noten für die Welt" im Mainzer Gutenberg-Museum ist noch bis zum 7. November 2021 zu sehen.