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Digitale Agenda: Verliert Deutschland den Anschluss?

Kay-Alexander Scholz, Berlin7. September 2016

Gigabit, Hintertüren und anderer Fetisch: In Berlin standen die drei zuständigen Minister für das Internet und die digitale Transformation Rede und Antwort zum Thema Digitale Agenda.

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Deutschland - Veranstaltung "2 Jahre Digitale Agenda der Bundesregierung" in Berlin mit Alexander Dobrindt, Thomas de Maiziere und Sigmar Gabriel (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Beim Thema Internet hinkte die deutsche Politik im europäischen Vergleich und erst recht im Vergleich mit Amerika jahrelang hinterher. Angela Merkels Satz "vom Neuland Internet", so gesagt im Jahr 2012, trieb manchem deutschen (Internet-) Unternehmer eine Schames-Röte ins Gesicht, die sich im Ergebnis aber wenig von der vorherigen Zornes-Röte unterschied. Denn im Hochtechnologieland Deutschland surften viele Weltmarktführer, nämlich die in der Provinz, wo es traditionell viele davon gibt, mit einer Geschwindigkeit wie in den 1990er-Jahren.

Dann endlich, im August 2014, beschloss die Bundesregierung eine sogenannte Digitale Agenda. Eine Art Aufgabenheft, offiziell überschrieben mit dem Wunsch, Deutschland zum führenden IT-Standort zu machen, eigentlich aber eine Liste von Versäumnissen.

Seither wachen Netzaktivisten, Lobby-Vereine und Bundestagsabgeordnete über die Einhaltung der 45 Punkte der Digitalen Agenda. Auch die Deutsche Welle hat schon Bilanz gezogen.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., kurz: eco, schaffte es in der ersten Parlamentswoche nach der Sommerpause, die drei zuständigen Minister Sigmar Gabriel (Wirtschaft), Thomas de Maizière (Inneres) und Alexander Dobrindt (Verkehr) zusammen auf die Bühne zu bringen. Denn in Deutschland gibt es kein Internetministerium, sondern gleich drei Ressorts, die für das Internet zuständig sind.

Infografik: So schnell ist das Internet in Deutschland (Grafik. DW)

Digitales Entwicklungsland

Natürlich fanden die drei Spitzenpolitiker das bisher Erreichte schon "gut", auch wenn bisher erst 60 Prozent der Agenda abgearbeitet sind. Eco-Vorstandsmitglied Oliver J. Süme ließ dies nicht gelten: Die wohl vieles entscheidende Frage, mit welcher Geschwindigkeit jemand im Internet unterwegs sein kann, sei in Deutschland noch immer unzureichend beantwortet, kritisierte er.

Die Bundesregierung hatte angekündigt, dass von 2018 an in ganz Deutschland mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde gesurft werden könne. Dabei gehe es längst um eine andere Größenordnung, erklärte Verbandschef Süme. In Japan würden schon 75 Prozent der Bevölkerung mit 1000 Mbit/s surfen, in Schweden kann das jeder Zweite.

In Deutschland sind bisher nur 1,5 Prozent der Einwohner Mitglied in der exquisiten Gigabit-Gesellschaft. Verbandschef Süme fordert, dass bis 2025 der Anschluss auch hierzulande geschafft werden müsse.

Minister Dobrindt versicherte, dass er dieses Ziel im Blick habe und es am Geld nicht mangeln solle. Die Förderprogramme würden angepasst. Schon jetzt sei Gigabit bei neuen Gewerbegebieten Pflicht. Außerdem würden überall dort, wo neue Straßen und Schienen gebaut würden, entsprechende Leitungen mit verlegt.

Flüchtlinge beschleunigen digitale Bürokratie

Eine andere Baustelle in Deutschland ist E-Government. Hier wusste der Innenminister Interessantes zu berichten. Die Flüchtlingskrise habe nämlich die Chance mit sich gebracht, bei der Registrierung der Flüchtlinge einmal über Zuständigkeitsgrenzen hinweg den digitalen Weg zu gehen. Davon könne die deutsche Bürokratie doch lernen.

In einem anderen Punkt versprach de Maizière, unbedingt die "Balance" halten zu wollen: Überwachung. Natürlich müsse es in gesetzlich geregelten Fällen möglich sein, Kommunikation zu überwachen, so wie es möglich sei, Briefe zu öffnen oder Telefonate abzuhören. Niemand solle sich einer Strafverfolgung durch das Darknet entziehen können, so der Minister.

Auf der anderen Seite solle es im Internet Sicherheit geben. Das heißt: keine Hintertürchen in Software oder auf Geräten, die eine Massenüberwachung zulassen. An der Tweetwall überschlugen sich daraufhin die eingehenden Tweets.

Minister Dobrindt ergänzte die Digitale Agenda bei dem Treffen auch noch um einen Punkt, der vor zwei Jahren noch gar nicht zur Debatte stand: autonomes Fahren. In der Tat hat Dobrindt dafür in letzter Zeit Teststrecken und Versuche auf den Weg gebracht. Die deutsche Autoindustrie, die in diesem Punkt ihre Führungsrolle in Gefahr sieht, hat das wohlwollend begleitet.

Warnschild "Autonomes Fahrzeug kreuzt" (Foto: Dpa)
Neue Technik, neue Verkehrsschilder: Müssen Fußgänger sich künftig vor autonomen Fahrzeugen fürchten?Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Kritik am Leistungsschutzrecht

Am Ende äußerte Eco-Vertreter Süme drei Wünsche. Es sollte nur einen Internetminister geben. Was Minister Gabriel aber gleich als "Fetisch" abtat, da das Thema nun einmal eine klassische Querschnittsaufgabe sei. Zweitens müsse die Digitale Agenda kontinuierlich angepasst und über das Jahr 2017 hinaus fortgeschrieben werden.

Deutschland solle sich - drittens - gegen die EU-Pläne für ein Leistungsschutzgesetz für Verlage, eine "Lex Google", aussprechen. Das entsprechende deutsche Gesetz habe gezeigt, wie das Vorhaben, alte Geschäftsprozesse schützen zu wollen, "krachend gescheitert" sei.