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Einreisesperren für Rechtsextreme sind schwierig

Ben Knight
2. Februar 2024

Deutschland erwägt ein Einreiseverbot für den österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner. Doch die rechtlichen Hürden der EU dafür sind hoch.

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Martin Sellner hält Handy, hinter ihm eine Demonstration
Zahlreiche Politiker in Deutschland sehen in Martin Sellner (dunkelblaue Jacke) eine Gefahr und würden ihn gern von Deutschland fernhaltenBild: Isabelle Ouvrard /IMAGO

Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner hat aus seiner Einreise nach Deutschland ein Ereignis gemacht und führende deutsche Politiker verhöhnt, die genau das verhindern wollen. Während seiner live gestreamten zweistündigen Fahrt in einem Mietwagen zur deutschen Grenze gab es regelmäßig Videos von ihm in den sozialen Medien. Er wolle in Passau kurz hinter der Grenze einen Kaffee trinken, versprach der frühere Kopf der Identitären Bewegung Österreichs.

Der Höhepunkt von Sellners Coup war eine kurze Begegnung mit der deutschen Polizei an der Grenze, die ihn nach Bayern hineinließ. Sofort filmte er dann ein weiteres Video, in dem er der deutschen Innenministerin Nancy Faeser und Bundeskanzler Scholz sarkastisch für die Einreise nach Deutschland dankte.

Screenshot Sellner vor nächtlicher Stadtkulisse und die Worte "Ich bin in Passau: Danke Faeser!
Sellner machte sich nach seinem Grenzübertritt über deutsche Politiker lustigBild: Screenshot X.com

Öffentliche Aufmerksamkeit bekam der 35-jährige Sellner im Januar, als herauskam, dass er bei einem rechtsextremen Treffen im November in Potsdam bei Berlin als Redner aufgetreten war. Bei diesem Treffen, an dem auch Mitglieder der Partei Alternative für Deutschland, AfD, teilgenommen hatten, soll Sellner einen "Masterplan" über "Remigration" vorgestellt haben - ein rechtes Konzept zur Rückführung von Zugewanderten.

Das öffentliche Interesse an Sellner erreichte einen neuen Höhepunkt, als Martina Renner von der Linkspartei im Bundestagsinnenausschuss die Frage aufwarf, ob die Bundesregierung Sellners Einreise verhindern wolle. Man prüfe das, hieß es als Antwort. Die Stadt Potsam, Schauplatz des Treffens, will ebenfalls prüfen, ob die Zusammenkunft eine "Gefahr für die Sicherheit und öffentliche Ordnung" dargestellt habe.

Bedrohung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit?

Eine ganze Reihe von Politiker verschiedener Parteien haben eine mögliche Einreisesperre gegen ihn begrüßt. "Wir sollten in unserer wehrhaften Demokratie generell keine Agitation gegen unsere Verfassungsordnung dulden - insbesondere nicht von ausländischen Extremisten wie Martin Sellner", sagte der CDU-Politiker Philipp Amthor der Nachrichtenagentur dpa.

Dass Sellner nun doch wieder nach Deutschland eingereist ist, spricht nach Meinung von Martina Renner nicht gegen die Prüfung eines Einreiseverbots durch die Stadt Potsdam, "da diese bei einem positiven Ausgang eine längerfristige Einreisesperre zur Folge haben könnte. Wir dürfen keine Rechtsmittel ungeprüft und ungenutzt lassen, die Neonazis und Faschisten ihre politische Betätigung erschwert", schreibt Renner in einer E-Mail an die DW.

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Das EU-Recht sieht zwar das Recht auf Freizügigkeit vor, erlaubt es den Mitgliedsstaaten aber, Personen die Einreise zu verwehren, wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedroht sind. Voraussetzung ist aber, "es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt".

Renner glaubt, dass Sellner eine solche Bedrohung darstellt: "Teilnahmen an Treffen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland zur Planung und Umsetzung millionenfacher Deportationen von Menschen aus Deutschland verletzten auf grundlegende Weise diese Grundinteressen", schreibt sie.

Stefan Martini, Rechtswissenschaftler von der Universität Kiel, ist dagegen skeptisch, ob die Gründe für eine Einreisesperre ausreichen. "Es hängt davon ab, wie konkret man diese Remigrationspläne für angesetzt hält. Ist das quasi schon eine Anstiftung zum Umsturz in Deutschland? Dann wäre es gerechtfertigt. Aber wenn es nur einfach irgendwelche abstrakten Szenarien sind, die er dargelegt hat, dann genügt es wahrscheinlich noch nicht."

Die EU hat strenge rechtliche Kriterien

Andere Staaten haben in der Vergangenheit Sellner die Einreise verweigert, weil sie in ihm eine Gefahr sahen, so die USA und Großbritannien 2018 beziehungsweise 2019. Zuvor war bekannt geworden, dass Sellner Kontakt zu Brenton Tarrant gehabt hatte, dem australischen Terroristen, der im März 2019 in einer Moschee im neuseeländischen Christchurch 51 Muslime tötete. Sellners Organisation, die Identitären, hatte auch eine Spende von Tarrant erhalten. 

Doch die Europäische Union legt strengere Kriterien für die Verhängung einer Einreisesperre an, vor allem für EU-Bürger wie Sellner, der innerhalb der EU Freizügigkeit genießt. "Allein aufgrund der europäischen Regelungen ist Deutschland weitaus strenger", sagt Martini. "Die Person muss angehört werden. Die Gründe müssen bekanntgegeben werden, warum das Einreiseverbot verhängt wird. Die rechtstaatlichen Einschränkungen einer solchen Entscheidung sind in Deutschland weitaus strenger als in anderen Ländern."

"Es muss wirklich ein Grundinteresse der Gesellschaft betroffen sein, zum Beispiel das friedliche Zusammenleben der Völker", so der Rechtswissenschaftler. "Selbst wenn eine Straftat begangen wurde, muss noch zusätzlich noch prüfen, ob das verhältnismäßig ist."

Beispiele für Einreisesperren

Doch es hat in der Vergangenheit durchaus Einreisesperren gegen Extremisten in der EU gegeben, auch wenn sie sich meist auf konkrete Ereignisse bezogen. 2020 verweigerte Deutschland dem dänisch-schwedischen Politiker Rasmus Paludan die Einreise, nachdem er bei einer Demonstration in Kopenhagen öffentlich einen Koran verbrannt hatte. Seine Gruppe hatte eine Kundgebung im stark muslimisch geprägten Berliner Bezirk Neukölln geplant.

Rasmus Paludan spricht in ein Megaphon und hält ein Buch hoch
Gegen den rechtsextremen dänisch-schwedischen Politiker Rasmus Paludan verhängte Deutschland eine EinreisesperreBild: Sergei Gapon/AFP

2019 sorgte die nordrhein-westfälische Landesregierung dafür, dass der russische Extremist Denis Kapustin ein Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum bekam, nachdem Kapustin für Neonazigruppen in ganz Europa Kampfsportveranstaltungen organisiert hatte.

Martini sagt, in solchen Fällen erstelle das Bundesinnenministerium normalerweise eine Gefahrenanalyse und weise daraufhin die Polizei entsprechend an; gebe es solche Anweisungen nicht, könne aber auch die Bundespolizei an der Grenze nach eigener Einschätzung der Lage handeln.

"Im Fall von Herrn Sellner wurde offenbar auch eine Befragung an der Grenze vorgenommen, das heißt, konkret erst dort geprüft, ob sein Einreisezweck eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellt", sagt Martini. Wenn Sellner den Beamten dann gesagt habe - so wie gegenüber seinen Anhängern -, er wolle auf deutscher Seite Kaffee trinken, hätten die Beamten wohl keinen Grund gesehen, ihm die Einreise zu verweigern.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.