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EM-Qualifikation: Israels Fußballer als Gastgeber in Ungarn

13. November 2023

Das israelische Nationalteam kann wegen des Nahostkonfliktes seine Heimspiele nicht in Israel austragen. Warum aber ausgerechnet in Ungarn?

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Israels Nationalmannschaft - beim EM-Qualifikationsspiel im Kosovo
Israels Nationalmannschaft - beim EM-Qualifikationsspiel im KosovoBild: Visar Kryeziu/AP/dpa/picture alliance

Welche Folgen hatten der Angriff der Terror-Organisation Hamas vom 7. Oktober und der anschließende militärische Konflikt im Gaza-Streifen für den israelischen Fußball?

Der nationale Spielbetrieb in Israels Fußball ruht wegen des andauernden Nahost-Konflikts bis auf Weiteres. Internationale Spiele der Nationalmannschaften und der Klubs wurden nach dem Hamas-Angriff zunächst verschoben, inzwischen aber wieder aufgenommen. So verlor das Nationalteam der Männer am vergangenen Sonntag (12. November) in der EM-Qualifikation im Kosovo mit 0:1. In der Europa League unterlag Maccabi Haifa am Donnerstag vergangener Woche (9. November) in Larnaka auf Zypern gegen den spanischen Verein FC Villarreal mit 1:2. Die Nationalmannschaft der Frauen steigt am 23. November wieder in die Spiele der Nations League ein: mit einer Partie in Kasachstan. Die ursprünglich in Israel geplanten Heimspiele mussten in Absprache mit dem europäischen Fußballverband UEFA aus Sicherheitsgründen ins Ausland verlegt werden.

Wo tragen die israelischen Nationalmannschaften ihre "Heimspiele" aus?

Das Frauenteam spielt zunächst jeweils im Doppelpack in Kasachstan (Auswärtsspiel 23. November, "Heimspiel" in 26. November, beide in Astana) und in Armenien (Auswärtsspiel 29. November in Armawir, "Heimspiel" 2. Dezember in Eriwan). Für den 5. Dezember ist das letzte Gruppen-"Heimspiel" der Israelinnen in der ungarischen Kleinstadt Felcsut angesetzt. Dort ist auch das israelische Nationalteam der Männer zweimal Gastgeber: an diesem Mittwoch (15. November) spielte die Auswahl gegen die Schweiz 1:1 unentschieden, am Samstag (18. November) heißt der Gegner Rumänien.

Warum spielen beide Nationalteams ausgerechnet in Ungarn, das vom Rechtspopulisten Viktor Orban regiert wird?

Die UEFA hat sich zu den Gründen nicht geäußert. Der ungarische Fußballverband erklärte Ende Oktober, es habe "außer Frage gestanden", dem israelischen Verband und der UEFA einen "neutralen" Spielort zur Verfügung zu stellen. Seit 2020 sei Ungarn bereits für 32 Spiele von Klubs und Nationalteams als neutraler Veranstalter eingesprungen.

Ministerpräsident Viktor Orban ist  erklärter Fußballfan. Mit dem ebenfalls rechtskonservativen israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu verbindet ihn zudem eine jahrelange Freundschaft. In vielen politischen Fragen sind sich die beiden einig. Orban verweist gerne auf seine guten Beziehungen zu Netanjahu, wenn er den Vorwurf kontert, in seiner Regierung gebe es antisemitische Tendenzen. Und auch die Auftritte der israelischen Nationalmannschaften werden auf diese Weise genutzt, wie eine Äußerung von Balasz Orban auf dem Portal X zu den bevorstehenden EM-Qualifikationsspielen der Israelis in Ungarn zeigt: "Die Liberalen, die die ungarische Rechte lange Zeit fälschlicherweise des Antisemitismus beschuldigt haben, täten gut daran, von nun an und für immer zu schweigen", schreibt der politische Direktor von Ministerpräsident Orban. Die beiden Politiker sind trotz des gleichen Familiennamens nicht miteinander verwandt.

Viktor Orban (l.) und Benjamin Netanjahu schütteln sich bei einem Israel-Besuch Orbans 2018 die Hand.
Viktor Orban (l.) und Benjamin Netanjahu verstehen sichBild: picture-alliance/Xinhua/M.I. Sellem

Die israelische Nationalmannschaft spielt in der 1800-Einwohner-Gemeinde Felcsut, rund 20 Kilometer westlich der Hauptstadt Budapest. Dort war 2014 die Pancho-Arena eingeweiht worden. Das Fußballstadion mit 4000 Plätzen liegt direkt neben dem Wochenendhaus von Ministerpräsident Orban, der in Felcsut einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. Die Opposition warf dem Regierungschef vor, für das Projekt Steuergelder verschwendet zu haben. Das Stadion hatte 12,4 Millionen Euro gekostet.

Wie sieht es mit der Sicherheit bei den Spielen der israelischen Nationalteams in Ungarn aus?

Bei der Partie der Israelis im überwiegend muslimischen Kosovo hatte es ein hohes Aufgebot an Sicherheitskräften gegeben, auch der israelische Geheimdienst war in das Sicherheitskonzept mit eingebunden. Pfiffe und Buhrufe während der israelischen Nationalhymne, wie sie in Pristina von den Tribünen zu hören waren, wird es in Felcsut höchstwahrscheinlich nicht geben. "Dieser Ort bietet ihnen [Israels Fußballern - Anm. d. Red] ein sicheres Umfeld für Vorbereitung und Spiel", versprach Balasz Orban.

In Ungarn werden propalästinensische Kundgebungen regelmäßig verboten. Das Land stimmte Ende Oktober als einer von nur vier EU-Staaten gegen eine UN-Resolution, in der eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen gefordert, der Hamas-Terror aber nicht klar erwähnt wurde. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete pro-palästinensische Demonstrationen in anderen EU-Staaten als alarmierend und in Ungarn undenkbar: "Unser Standpunkt ist glasklar: Israel hat das Recht, sich zu verteidigen."

Mindern die Heimspiele in der Fremde die Chancen Israels in der EM-Qualifikation?

Nach dem 1:1 gegen die Schweiz hat Israel als Tabellendritter weiter vier Punkten Rückstand auf die zweitplatzierten Eidgenossen und damit eher schlechte Chancen, sich für die EM zu qualifizieren. Nur die beiden Bestplatzierten lösen direkt das Ticket für die EM 2024 in Deutschland. Schwerer als der fehlende Heimvorteil dürfte die mangelnde Spielpraxis der Israelis durch die wochenlange Pause wiegen. Das war in Pristina - wo Bayern-Torwart Daniel Peretz nur auf der Ersatzbank saß - deutlich zu sehen.

Israels Verteidiger Miguel Vitor im Duell mit zwei Gegenspielern des Kosovo.
Israels Team - hier Miguel Vitor (2.v.l.) - zog im Kosovo den KürzerenBild: Armend Nimani/AFP/Getty Images

Sollte Israel die direkte Qualifikation für die EM verpassen, bleibt noch eine weitere Chance. Als Nations-League-Gruppensieger in Liga B hat Israel einen Platz im Play-off-Turnier im März 2024 sicher. Dort werden unter zwölf teilnehmenden Mannschaften noch drei weitere EM-Startplätze vergeben.

Dass Nationalteams auch außerhalb des Heimatlands erfolgreich sein können, beweist die ukrainische Mannschaft, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ihre "Heimspiele" im Ausland bestreitet, unter anderem in Polen, der Slowakei oder Tschechien. Als Gruppenzweiter der Gruppe C hinter England steht die Ukraine noch vor Europameister Italien. Am kommenden Montag (20. November) treffen beide Mannschaften in Leverkusen aufeinander.

Der Artikel wurde nach dem Spiel Israels gegen die Schweiz aktualisiert. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter