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Glaube

Es eifre jeder seiner von Vorurteilen freien Liebe nach

13. Mai 2022

Bei #OutInChurch outen sich immer mehr Mitarbeitende der katholischen Kirche als queer. Christine Schardt und Ulrike Gerdiken sprechen darüber, was ihr Queersein für ihre Arbeit in der katholischen Kirche bedeutet.

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Wir sind zwei queere Frauen, deren Arbeitgeberin die katholische Kirche ist. Wir arbeiten in der Hochschulseelsorge und in Forschung und Lehre. Außerdem sind wir beide ehrenamtlich in der Kirche aktiv. Oft werden wir gefragt: „Warum tut Ihr Euch das an, als Frauen und queere Menschen?“ Über diese Frage haben wir uns kurz nach Beginn der Aktion #OutInchurch wieder einmal Gedanken gemacht.

Zunächst haben wir uns gefragt, warum wir überhaupt für die Katholische Kirche arbeiten, obwohl sie uns das Leben oft schwer macht. Für Ulrike ist die Antwort ganz banal: Die Katholische Hochschule Mainz hatte zur passenden Zeit die passende Professur ausgeschrieben und diese Chance hat sie genutzt. Die katholische Trägerschaft war dabei nicht ausschlaggebend. Da sie früher schon bei der katholischen Kirche gearbeitet hatte, wusste sie, auf welche Rahmenbedingungen sie sich einlässt. Christine findet keine einfache Antwort, obwohl sie schon lange in der römisch-katholischen Kirche lebt und arbeitet. Manchmal hadert sie und dann erlebt sie einen neuen Aufbruch, wie gerade jetzt, eine neue Energie und einen ernsthaften Willen zur Veränderung. Als Hochschulseelsorgerin motiviert sie die konkrete Arbeit mit den Studierenden und Lehrenden der Hochschulen, das gemeinsame Fragen und Nachdenken in einem offenen Dialog.

Da der Kirche die sexuelle Orientierung ihrer Mitarbeitenden ein so wichtiges Anliegen zu sein scheint, haben wir uns die Frage gestellt, welche Bedeutung unser Queersein denn für uns bei unserer Arbeit hat. Für Christine ist das öffentliche Zeigen als queere* Seelsorgerin der katholischen Kirche ein politisches Statement, für das sie mit ihrer ganzen Person einsteht. Sie macht bei #Ou-tInchurch mit, weil Kirche ein Ort bunter Vielfalt von Menschen sein sollte, die sich in ihrem persönlichen Wachstum und ihrer individuellen Entfaltung unterstützen und sich achtsam und wertschätzend begegnen. Ulrike unterscheidet zwischen den verschiedenen Rollen, die sie als Professorin innehat. Auf der fachlichen Ebene hat ihr Queersein keine Bedeutung, denn ihr Fachwissen hängt nicht mit ihrer sexuellen Selbstdefinition zusammen. Sie versteht sich aber auch als Ansprechpartnerin und Rolemodel für die Studierenden. In diesem Zusammenhang ist ein offenes und vertrauensvolles Miteinander in einer angstfreien Atmosphäre wichtig. Das kirchliche Arbeitsrecht verhindert eine solche Atmosphäre, denn sie muss mit negativen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie mit ihrem Queersein zu offen umgeht. Darum hat nicht ihr Queersein, sondern die Haltung der Kirche eine – leider negative – Bedeutung für ihre Arbeit, denn sie verhindert, dass sie sich frei mit all ihren Möglichkeiten einbringen kann.

Trotz allem sind wir glaubende Christinnen. Darum haben wir uns auch gefragt, welche Rolle unser Glaube für unsere Arbeit spielt. Ulrike findet in der christlichen Botschaft Anregungen und Ermutigungen für ihre Lehre und ihre Forschung. Durch Soziale Arbeit und Kulturelle Bildung sollen Menschen befähigt werden, ihr Leben selbstständig und verantwortungsvoll zu gestalten. Die christliche Botschaft verfolgt die gleichen Ziele. Darum kann sich beides befruchten. Der Glaube ist für sie eine Übersetzungshilfe, um diese Ziele lebendig werden zu lassen. Für Christine ist ihr Glaube ein permanenter Veränderungsprozess. Er wird inspiriert durch die biblische Botschaft von der Hoffnung und der Neugier auszuprobieren, „… was möglich wär noch“ (kurt marti). Sie liebt diese Schöpfung und die Vielfalt der Menschen und ist von der Sprengkraft der Bibel überzeugt, die uns auffordert, nicht zaghaft sondern entschieden zu handeln.

Eines ist uns wieder einmal deutlich geworden: Die Spannung zwischen dem, was uns antreibt, und dem, was uns die katholische Kirche als Arbeitgeberin zumutet, ist nur schwer auszuhalten. Unsere Verbundenheit zur Kirche auf der einen Seite steht im Widerspruch zu Ablehnung und Diskriminierung auf der anderen Seite. Diesen Spagat müssen wir täglich meistern. Und wir sind nicht alleine. Mit uns leiden zahlreiche haupt- und ehrenamtliche queere Mitarbeitende an und in ihrer Kirche. Das muss allen, die die aktuelle Lehre und das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland so belassen möchten, klar sein. Das ständige Ausbalancieren und Abwägen kostet Kraft, die wir viel lieber in die unsere Arbeit investieren würden. Trotzdem bleiben wir, denn wir sind uns sicher: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2 Tim 1,7)

Autorinnen:

Christine Schardt ist Pastoralreferentin, Hochschulseelsorgerin und Beauftragte für queersensible Pastoral im Bistum Mainz. Außerdem engagiert sie sich als Bundesvorsitzende der Konferenz für Ka-tholische Hochschulpastoral(KHP), Mitglied von #OutInchurch, Vorstand der Conference of European University Chaplains (CEUC) und der International Association of Chaplains in Higher Education (I-ACHE).

Dr. Ulrike Gerdiken ist Professorin für Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt Kulturelle Bildung an der Katholischen Hochschule Mainz. Sie hat Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung studiert und viele Jahre als Referentin in der katholischen Jugend- und Erwachsenenbildung im Bistum Limburg und bei der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz gearbeitet. Beim Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) ist sie die Vertreterin der Einzelmitglieder auf Bundesebene.