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EU verbietet Mikroplastik in vielen Produkten

Anne-Sophie Brändlin
17. Oktober 2023

Zahnpasta, Peeling oder Dünger: Viele Produkte, die Mikroplastik enthalten, dürfen in der EU bald nicht mehr verkauft werden. Welche Auswirkungen hat das? Und was bedeutet es für Industrie und Verbraucher?

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Grossaufnahme einer Fingerspitze, darauf liegt ein Häufchen kleiner weisser und blauer Mikroplastikteilchen. Sie sind weniger als einen halben Millimeter gross.
Mikroplastik findet sich inzwischen auch im menschlichen KörperBild: Alexander Stein/JOKER/picture alliance

Ob in der Tiefsee oder auf Berggipfeln, in der Nahrung, im Trinkwasser, oder in unserem Blut: es gibt nur wenige Orte, an denen bisher kein Mikroplastik gefunden wurde. Die UNO schätzt, das die Zahl der Mikroplastikteilchen mittlerweile grösser ist als die Anzahl der Sterne in unserer Galaxis. 

Mikroplastik kann sich durch die Luft, im Wasser oder im Boden verbreiten und nicht mehr entfernt werden, sobald es einmal in die Umwelt gelangt ist. Weil es sich nicht natürlich zersetzt, kann es jahrhundertelang eine Bedrohung für Tiere und Pflanzen darstellen und in die Nahrungskette gelangen. Welche Auswirkungen das genau auf unsere Gesundheit haben kann, ist noch nicht ausreichend erforscht. 

Derzeit werden jährlich geschätzt 42.000 Tonnen Mikroplastik, das absichtlich Produkten zugesetzt wurde, in der EU freigesetzt.

"Deshalb ist es so wichtig, den Eintrag in die Umwelt zu stoppen", sagt Johanna Bernsel, Pressesprecherin der Europäischen Kommission.

Die Europäische Kommission hat jetzt Maßnahmen im Rahmen der REACH-Verordnungen für schädliche Chemikalien erlassen. Damit wird der Verkauf von Mikroplastik sowie wie von Produkten, denen es absichtlich zugesetzt wurde, in der EU verboten.  

Welche Produkte sind vom Mikroplastik-Verbot betroffen?

Das neue Verbot definiert Mikroplastik als "synthetische Polymerpartikel mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern, die organisch, unlöslich und nicht abbaubar"  sind. Diese sind in zahlreichen Produkten enthalten, darunter in Make-up, Kosmetika, Reinigungsmitteln, Glitzer, Pflanzenschutzmitteln, Dünger, Spielzeug, Arzneimitteln, und im Granulat für künstliche Sportbeläge. Die Mikroplastik-Teilchen wirken zum Beispiel als Schleifpartikel in Zahnpasta oder Peelings oder beeinflussen als Bindemittel die Konsistenz von Flüssigkeiten. 

Mikroplastik im Gemüse?

Von der neuen Regel nicht betroffen sind Baustoffe, die zwar Mikroplastik enthalten, es jedoch nicht freisetzen, ebenso wie Produkte, die für Industrieanlagen verwendet werden. Die Hersteller müssen jedoch ihre geschätzten Emissionen von Mikroplastik jährlich melden und Anweisungen zur Verwendung und Entsorgung der betroffenen Produkte bereitstellen, um die Freisetzung von Mikroplastik zu verhindern.

Das Verbot gilt für in der EU selbst hergestellte Produkte und auch für Importe aus dem Ausland, die Mikroplastik enthalten.

"In dieser Hinsicht fördert es die Innovationskraft der europäischen Industrie", sagt Bernsel.

Wann treten die Mikroplastik-Regeln der EU in Kraft?

Für einige Produkte, darunter Mikroperlen, losen Glitzer, sowie einige Kosmetika gilt das Verkaufsverbot ab Mitte Oktober. Für andere Produkte gibt es eine Übergangsfrist von vier bis zwölf Jahren, je nach Komplexität der Herstellung und der Verfügbarkeit geeigneter Alternativen zu Mikroplastik.  

Frau mit Glitzerstaub auf der Wange
Schminken geht auch weiterhin: Es gibt auch biologisch abbaubare Alternativen zu plastikbasiertem GlitterBild: Zheng Huansong/Xinhua News Agency/picture alliance

Für Füllmaterialien wie Granulate, die auf Sportplätzen verwendet werden, gilt eine Schonfrist von acht Jahren, um den Betreibern Zeit zu geben, auf Alternativen umzusteigen. Die Bodenbeläge der meisten bestehenden Sportanlagen erreichen innerhalb dieser Frist das Ende ihrer Nutzungsdauer und müssen ohnehin ersetzt werden.

Gibt es Ersatz für Mikroplastik-Kunststoffe?  

Marc Kreutzbruck, Leiter des Instituts für Kunststofftechnik an der Universität Stuttgart, sagt, es gebe keine Ersatzstoffe, mit der wir unsere Klimaziele besser erreichen können als mit Kunststoffen.

"Das ist leider so, weil Kunststoff ein Werkstoff ist, den man mit ganz geringen Temperaturen in Form bringen kann", sagt er. "Egal, ob Metall, Keramik, oder Glas, alle anderen Werkstoffe brauchen sie viel mehr Energie, um Produkte herzustellen. Und Energie können sie gleichsetzen mit CO2 Emissionen."

Aus seiner Sicht gehe es klar um Verantwortung und Nachhaltigkeit.

"Wir müssen es schaffen, wirklich ein hundertprozentiges Recycling hinzubekommen. Kunststoff ist kein Wegwerfartikel, sondern ein Wertstoff, den man sammeln muss, weil er wirklich wertvoll ist, und das muss man in die Köpfe der Leute hineinbekommen", fügt er hinzu.

Drehender Vorderreifen eines Autos in Fahrt.
Bleibt ein Problem: Mikroplastik, das beim Abrieb von Autoreifen freigesetzt wird, ist bisher nicht verbotenBild: Mint Images/IMAGO

Es gibt noch andere Ansätze, wie zum Beispiel biologisch abbaubare Kunststoffe, die sich schnell zersetzen, wenn sie in die Umwelt gelangen. Bisher haben sie jedoch nur einen sehr kleinen Marktanteil von etwa einem Bruchteil von einem Prozent. Darüber hinaus könnten sie nicht für alle Produkte verwendet werden, insbesondere nicht für komplexe Produkte wie etwa Lebensmittelverpackungen.

Bernsel sagt, es erfordere eine gemeinsame Anstrengung von Politikern, der Industrie und der Forschungsgemeinschaft, um nachhaltige Alternativen zu finden. Und sie ist zuversichtlich, dass das Verbot die notwendigen Anreize dafür bieten wird.

"Wir glauben, die Zukunft der Chemieindustrie liegt in der Betonung von Nachhaltigkeit und nachhaltigen Alternativen. Das ist eine Gelegenheit für die europäische Industrie, an der Spitze der Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Innovationskraft zu stehen. So können wir unseren Wettbewerbsvorteil bewahren", sagt sie.

Welche Auswirkungen wird das Mikroplastik-Verbot haben?

Im Rahmen des "Zero Pollution" Aktionsplans hat sich die EU verpflichtet, bis 2030 eine Reduzierung von 30 Prozent des Mikroplastikabfalls zu erreichen. Die neue Regelung ist ein erster Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.

Es wird erwartet, dass das Verbot die Freisetzung von etwa einer halben Million Tonnen Mikroplastik in die Umwelt verhindern wird. Doch Kreutzbruck drängt, es müsse noch viel mehr getan werden.

"Es ist wichtig zu verstehen, wie groß der Anteil von Mikroplastik in Kosmetika ist: gemessen am gesamten Kunststoffeintrag ist es etwa ein Prozent. Das heißt, es ist es zwar gut, dass diese Maßnahmen ergriffen werden, aber sie kratzen nur an der Oberfläche", sagt er.

Mikroplastik auf der Spur

In weiteren Schritten und Maßnahmen könnte die EU künftig auch Mikroplastik verbieten, das unabsichtlich freigesetzt wird, beispielsweise durch den Reifenabtrag beim Fahren oder durch das Waschen von Kleidung.

Bernsel hofft, dass die neue Mikroplastik-Verordnung in der EU andere Regionen der Welt dazu inspirieren könnte, ähnliche Regelungen zu erlassen.

"Natürlich können wir für andere Länder oder Regionen der Welt keine Regeln vorschreiben. Aber als EU Umweltbeispiele zu setzen hat sich in anderen Bereichen in der Vergangenheit als sehr erfolgreich erwiesen", sagt Bernsel.