Filmfestival Venedig 2022: Netflix, Hollywood und etwas Politik

Was diese Besucherin wohl in ihrer kleinen Handtasche versteckt? Vielleicht ein Smartphone? Und wenn ja, ist darauf auch eine App von jenem Unternehmen, das mit roten Lettern auf schwarzem Grund mittlerweile die Kinowelt auf den Kopf stellt? Die Präsenz des Streamingdienstes Netflix jedenfalls ist am Filmfestival von Venedig spürbar - im Kleinen wie im Großen.

Adam Driver spielt die Hauptrolle in der US-amerikanischen Satire von Noah Baumbach, die schon sehr bald zu sehen sein wird: im Home Cinema bei Netflix. "White Noise" wird aus der Perspektive eines Professors für Hitler-Studien erzählt, der unvermittelt in eine Umweltkatastrophe gerät. Ein bissiger Kommentar zur Beeinflussbarkeit von Massen durch Fehlinformationen und Kult um Führerfiguren.

Die Filmpolitik der Festivalleitung - hier die Jury mit Festivaldirektor Alberto Barbera (2.vli.) - ist eine andere als die von Cannes. Die Produktionen der Streamingfirmen sind willkommen: Netflix steuert zum Wettbewerb neben dem Eröffnungsfilm auch das Drama "Bardo" von Alejandro Iñárritu, die Literaturverfilmung "Blonde" von Andrew Dominik und das Drama "Athena" des Franzosen Romain Gavras bei.

"Das erste Mal, als ich nach Venedig kam, habe ich in einer amerikanischen Seifenoper gespielt. Das war 1986. Wenn ich damals gewusst hätte, dass ich die Vorsitzende der Jury sein werde, wäre ich in den Kanal gefallen", sagt die 61-jährige Schauspielerin. Nun schaut sie sich mit den anderen sechs Jury-Mitgliedern 23 Wettbewerbsfilme an und kürt am 10.9. den besten Film mit dem Goldenen Löwen.

Die 78-jährige französische Schauspielerin wurde mit einem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk geehrt. Bereits 1967 hatte sie für ihre Rolle als unzufriedene Hausfrau und Edelprostituierte in Luis Buñuels "Belle de Jour - Schöne des Tages" einen Goldenen Löwen erhalten. "Ich habe eine lange Geschichte mit dem Filmfestival von Venedig", so Deneuve.

Auf dem Roten Teppich war auch Model Alessandra Ambrosio zu bewundern. In den kommenden Tagen werden neben den Filmstars auch viele weitere Berühmtheiten aus Fashion-, Kultur- und Musikszene am Lido erwartet. Sänger Harry Styles etwa spielt in dem außer Konkurrenz laufenden Thriller "Don't worry Darling" die männliche Hauptrolle.

Unter den vielen Stars, die bei der Eröffnung von "La Mostra" über den Roten Teppich schritten, war überraschend auch die ehemalige US-Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Sie wirbt bei ihrem Besuch für Unterstützung ihrer Organisation "Vital Voices Global", die sich für die Stärkung von Frauen in Führungspositionen einsetzt.

Politisch wurde es auch bei der Eröffnungszeremonie. Wie schon in Cannes und bei den Grammys äußerte sich der ukrainische Präsident Wlodomir Selenskyj: "Seit 189 Tagen läuft diese Geschichte außer Konkurrenz, es ist ein Drama, das auf Fakten, Mördern, Schlächtern basiert, eine Tragödie ohne die Musik von Morricone, ein Horror aus Explosionen und Tod, der nicht nur 120 Minuten dauert."

Die Politik mischt mit beim 79. Filmfestival in Venedig, trotz allem Glamour und Bemühen, das "Dolce Vita" am Lido in den Vordergrund zu stellen. Neben den Netflix-Produktionen dominieren in Venedig allerdings vor allem Hollywood und europäische Filme. "No Bears" vom im Iran inhaftierten Filmemacher Jafar Panahi ("Taxi Teheran") bildet eine der wenigen Ausnahmen.

Ebenfalls im Wettbewerb: Der Film "Tár" von Todd Field, in dem Nina Hoss (im Bild), mitspielt, und der Cate Blanchett in der Hauptrolle zeigt. Die deutsche Schauspielerin zeigt hier eines der Features, das das "älteste Filmfestival der Welt" zu seinem besonderen Charme und mondänem Stil verhilft: die Anfahrt im Vaporetto, eines der Wasser-Taxis von Venedig.