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KonflikteIsrael

Flucht aus Gaza-Stadt: "Keiner begreift, was passiert"

15. Oktober 2023

Eine große Zahl von Zivilisten ist auf der Flucht aus Gaza-Stadt. So auch der Journalist Hazem Balousha, der von der Evakuierung und der Lage in der Region berichtet. DW-Reporterin Tania Krämer hat mit ihm gesprochen.

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Gazastreifen | Fliehende in und auf Autos und LKW
Das israelische Militär hat mehr als eine Million Palästinenser im Norden des Gazastreifens zum Verlassen des Gebiets aufgefordertBild: Mahmud Hams/AFP/Getty Images

Israels Militär hat die Bevölkerung von Gaza-Stadt und des nördlichen Gazastreifens mehrfach aufgefordert, die Gegend zu räumen und in den Süden des Gazastreifens zu wechseln. Die Militärführung begründete den Evakuierungsaufruf damit, in den kommenden Tagen würden sie weiter "in erheblichem Umfang" in Gaza-Stadt im Einsatz sein.

Unter den Flüchtenden ist Hazem Balousha, der mit seiner Familie sein Zuhause verlassen musste. Der Journalist lebt in Gaza-Stadt und arbeitet für internationale Medien. Er beschreibt die Situation auf dem Weg zum Nuseirat-Flüchtlingslager im südlichen Teil des Gazastreifens.

DW: Wie war der Weg aus Gaza-Stadt?

Hazem Balousha: Es ist chaotisch. Niemand begreift, was passiert ist. Als ich meine Stadt, Gaza-Stadt, verlassen habe, gab es lange Autoschlangen, mit Matratzen auf den Autodächern und Kindern auf dem Rücksitz. Manche gehen zu Fuß, weil sie kein Transportmittel haben. Viele Menschen sind mit ihren Eselskarren in den Süden aufgebrochen. Ich habe viele zerstörte Gebäude gesehen. Einige Viertel sind so zerstört, dass ich sie nicht mehr wiedererkannt habe. Überall liegt Schutt und überall ist Staub in der Luft. 

Gazastreifen | Flüchtende mit einem vollgeladenen Pick-Up, auf dem Dach Matratzen
Auf der Flucht vor Vergeltungsangriffen: Palästinensische Familien mit ihrem Hab und GutBild: Mohammed /dpa/picture alliance

Gaza und der gesamte Gazastreifen sind in einem totalen Blackout. Es gibt keine Elektrizität, kein Wasser. Internet gibt es nur noch in einigen Gebieten. Für alles muss man anstehen, überall gibt es lange Schlangen, bei den Bäckereien, den Supermärkten. Wir können kaum miteinander kommunizieren, die Mobiltelefone funktionieren nur noch mäßig, das Netz ist fast weg, auch weil jeder versucht, irgendwie durchzukommen.

Wie ist die Situation im Süden?

Einige haben bereits am Freitag die Stadt verlassen. Ich habe eine große Menge an Menschen gesehen, die versuchen, von Norden nach Süden zu kommen. Einige sind in Schulen untergekommen, andere sind auf der Straße und fragen nach Unterkunftsmöglichkeiten. Vor mir sehe ich gerade Leute, die versuchen, Wasserbehälter aufzufüllen, weil es kein Wasser mehr in den Gebäuden oder Häusern gibt. Man kann auch die Toilette nicht ohne Wasser benutzen. Ich habe mich seit fünf Tagen nicht duschen können und rieche ziemlich übel.

Gazastreifen | Menschen suchen Schutz - hier in einer UN-Schule im Nuseirat-Flüchtlingslager
Vorerst am Ziel: Geflohene suchen Schutz im Nuseirat-FlüchtlingslagerBild: Hatem Moussa/AP/picture alliance

Hier in Nuseirat ist noch recht viel Verkehr, aber sehr viele sind auch zu Fuß unterwegs, mehr als an anderen Orten. Das Benzin ist überall knapp. An den meisten Tankstellen gibt es kein Benzin mehr. Ich habe es an mehreren Tankstellen probiert, da ich nur noch so wenig Benzin hatte. Wir haben es gerade so damit geschafft aus Gaza-Stadt bis hierher. Jeder sagte: Hier gibt es kein Benzin, frag bei einer anderen Tankstelle nach, aber ohne Erfolg. Öffentliche Verkehrsmittel funktionieren auch nicht. Viele bleiben in ihrem Auto oder schlafen darin. Sie haben mitgenommen, was sie tragen können.

Wie gehen die Menschen damit um?

Die Menschen sind wütend, verzweifelt. Man weiß nicht, was vor sich geht und was noch passieren wird. Viele fragen mich, ob es Verhandlungen oder Gespräche über eine Waffenruhe oder irgendetwas in der Art gibt.

Aber das wichtigste ist momentan, am Leben zu bleiben, irgendwo sicher zu sein. Doch keiner weiß, ob der Ort, an dem man gerade ist, sicher ist oder nicht. 

Das Gespräch führte Tania Krämer.

Menschen im Gazastreifen hoffen auf Hilfe durch die UN

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin