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Politik

Fridays for Future mit neuer Strategie in Deutschland

1. März 2024

Statt Schulstreiks für mehr Klimaschutz unterstützt die Bewegung einen Gewerkschaftsstreik für besseren öffentlichen Nahverkehr. Freitag gibt es einen gemeinsamen Aktionstag. Kann das den Niedergang von FFF stoppen?

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Ein Mädchen in einer Gruppe hält ein Schild mit der Aufschrift "end fossil fuels" hoch
Schülerinnen demonstrieren für mehr Klimaschutz - jetzt will FFF zusammen mit einer Gewerkschaft auch für besseren Nahverkehr streikenBild: Markus Schreiber/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Irgendwie ist der Schwung raus. Zu ihren Hochzeiten vor wenigen Jahren brachte Fridays for Future freitags oft zehntausende Kinder und Jugendliche in Deutschland auf die Straße. Statt zur Schule gingen sie für mehr Klimaschutz demonstrieren. Sie waren Teil einer weltweiten Bewegung, seit 2018 die damals 15-jährige Schwedin Greta Thunberg sich vor ihre Schule gesetzt und für den Klimaschutz gestreikt hatte. Doch in jüngster Zeit sieht man hierzulande nicht mehr viel von FFF.

Dabei schienen die Umstände in Deutschland besonders günstig. Die Politik zeigte sich überwiegend verständnisvoll. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhielt sich mit Thunberg. Luisa Neubauer, das prominenteste Gesicht von FFF in Deutschland, tingelt seit Jahren durch die Talkshows. Und seit die Grünen Teil der Berliner Koalition sind, hat die Bewegung einen natürlichen Verbündeten in der Bundesregierung.

Soziologe: "Das Potential ist weitgehend ausgereizt"

Aber die größten Sorgen der Deutschen sind heute nicht mehr der Klimawandel. In einer Allensbach-Umfrage von Anfang des Jahres rangierte das Thema weit abgeschlagen hinter Themen wie Kriegsgefahr, Inflation und unkontrollierter Einwanderung.

Außerdem hat die radikalere Gruppe Letzte Generation (LG) mit ihren Verkehrsblockaden und Farb- und Suppen-Anschlägen auf Kunstwerke und Monumente FFF die Schau gestohlen. Allerdings hat die Letzte Generation im Januar angekündigt, diese Form des Klimaprotests aufgeben zu wollen.

Überwiegend junge Leute mit orangefarbenen Westen sitzen auf der Straße und blockieren den Verkehr, davor ein Motorradpolizist
Die Letzte Generation ist radikaler als Fridays for Future, erntete aber auch viel Unverständnis in der Bevölkerung und will auf solche Verkehrsblockaden angeblich in Zukunft verzichtenBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

"Unser Anspruch an Aktionen ist nicht maximale Aufmerksamkeit, sondern vielmehr maximale Wirksamkeit", antwortet FFF-Sprecherin Annika Rittmann auf die Frage der DW, ob ihre Bewegung gegenüber der LG an Einfluss verloren habe.

Der Protestforscher Dieter Rucht von der Freien Universität Berlin glaubt: "Fridays for Future hat im Vergleich zur Letzten Generation allemal an medialer Sichtbarkeit verloren." Doch "beide Gruppen, obgleich unterschiedlich vorgehend, scheinen ihr Potential weitgehend ausgereizt zu haben", schreibt er der DW.

Antisemitismus-Vorwürfe gegen Thunberg

Den vielleicht schwersten Schlag gegen Fridays for Future zumindest in Deutschland hat Greta Thunberg selbst der Bewegung versetzt. Nach dem verheerenden Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels Gegenschlag im Gaza-Streifen erschienen antisemitische und gegen Israel gerichtete Posts auf dem Instagram-Account der internationalen Bewegung. Darin ist zum Beispiel von einem "Völkermord" gegen Palästinenser die Rede und von einem "Apartheidsystem" Israels. Am Ende des Posts wird zur Befreiung Palästinas aufgerufen. Luisa Neubauer distanzierte sich von Thunberg. Doch der Schaden war angerichtet.

Zwei junge Frauen nebeneinander schauen nach oben - Luisa Neubauer (r) und Greta Thunberg (l) (Archivbild)
Der führende Kopf von FFF in Deutschland, Luisa Neubauer (rechts), hier im Januar 2023 zusammen mit Greta Thunberg bei einem Protest gegen Kohleabbau im Rheinland, hat sich nach Antisemitismus-Vorwürfen gegen Thunberg von ihr distanziertBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

FFF-Ortsgruppen lösten sich auf. In hessischen Marburg zum Beispiel, weil man "keine Perspektive mehr" für die eigene Bewegung sehe, ebenso in Bremen, wo sich aber inzwischen eine neue Gruppe gegründet hat.

Im November gaben auch die Deutschen insgesamt laut einer Umfrage für die "Augsburger Allgemeinen" nicht mehr viel auf die Zukunft von Fridays for Future: Knapp zwei Drittel der Befragten sahen sie als gescheitert. Nur knapp ein Viertel sah eine Zukunft für sie.

FFF-Sprecherin: "Wir haben uns weiterentwickelt"

Jetzt hat Fridays for Future die Strategie geändert: Statt Schulstreiks für mehr Klimaschutz beteiligt sich FFF an Streiks der Gewerkschaft ver.di im öffentlichen Nahverkehr. "Wir fahren zusammen" nennen die beiden Organisationen ihr Bündnis. "Wir lassen nicht mehr zu, dass die Ampelregierung den Nahverkehr und die Klimapolitik vor die Wand fährt", heißt es im Aufruf zur Demonstration. "Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns zusammentun und gemeinsam für das kämpfen, was wir alle zum Leben brauchen."

Ein Mann in einer Demonstrantengruppe hält ein Schild mit der Aufschrift "AfD-Verbot for future" hoch, dahinter das Brandenburger Tor
Fridays for Future hat sich auch an Demonstrationen gegen die rechtspopulistische Partei AfD beteiligtBild: Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopress/picture alliance

Außerdem nimmt FFF an den seit Wochen stattfindenden und von der Bundesregierung unterstützten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teil. "Die letzten Jahre haben gezeigt: Klimagerechte Politik kann es nur mit einer lauten Zivilgesellschaft und einer starken Demokratie geben", begründet das ihre Sprecherin Annika Rittmann. "Über die vergangenen Jahre haben wir uns weiterentwickelt und angefangen, neben großen Aktionstagen auch vor Ort konkret Forderungen zu stellen und auf die Menschen zuzugehen."

Passen FFF und ver.di zusammen?

Frank Werneke, der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, freut sich über die Unterstützung: "Die Erreichung der Klimaziele ist ohne eine echte Verkehrswende und eine nachhaltige und dauerhafte Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs nicht möglich. Deswegen kämpfen ver.di und Fridays for Future gemeinsam."

Doch reichen die Gemeinsamkeiten? Und gibt es mögliche Interessenskonflikte? Dieter Rucht glaubt: "Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften wird sich auf einige Felder beschränken, zum Beispiel die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Da sehe ich keine Interessenkonflikte. Ansonsten werden beide Organisationen aber weitgehend unabhängig voneinander agieren."

Streikankündigung auf einer Anzeige an einer Bushaltestelle
Jetzt will Fridays for Future auch bei einem klassischen Gewerkschaftsstreik dabei seinBild: Rainer Keuenhof/Manngold/IMAGO

Bei der Protestwelle gegen Rechtsextremismus spiele FFF "nur eine marginale Rolle. Sie taucht vereinzelt als initiierende oder unterstützende Gruppierung auf, aber das eher auf dem Papier als im tatsächlichen Protestgeschehen", meint Rucht.

Annika Rittmann glaubt an die Zusammenarbeit: "Gerade jetzt, wo der politische Diskurs so polarisiert ist, können wir mit unserer Bündnisfähigkeit eine wichtige Stärke strategisch ausspielen."

Doch der Soziologe Dieter Rucht ist skeptisch, was die Zukunftsaussichten von Fridays for Future angeht: "Die Mobilisierungskraft von FFF hat stark abgenommen. Die Erfolgsaussichten sind für eine einzelne Gruppierung wie FFF sehr gering. Wenn überhaupt, so kann die Klimabewegung nur in der Summe ihrer diversen Gruppierungen und - ungewollt - durch weitere, im Alltag der Menschen zu spürende negative Klimafolgen einflussreich werden."

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik