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Gaskrise: Kein Grund zur Panik, sagen Ökonomen

8. August 2022

Kann Deutschland einen vollständigen Gas-Lieferstopp Russlands verkraften? Es kann, so eine neue Studie. Gespart werden muss natürlich trotzdem.

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Gasspeicher Etzel
Bild: Uniper SE

"Es drohen im Fall eines Stopps russischer Gasimporte weder Massenarmut noch Volksaufstände, sondern Produktionseinbußen, die Deutschland schon in der Vergangenheit bewältigt hat, wenn es sich Krisen stellen musste", schreiben Rüdiger Bachmann (University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana), Moritz Schularick (Universität Bonn) und weitere Ökonomen und Energiewirtschaftler in der Studie "Wie es zu schaffen ist".

"Panikmache ist fehl am Platz", heißt es dort weiter. "Gleichwohl sollte jedem klar sein, dass der russische Überfall auf die Ukraine Deutschland dauerhaft ärmer gemacht hat."

Kritik vom Kanzler

Die Gruppe bestätigt damit die Ergebnisse einer früheren Studie mit dem Titel "Was wäre wenn", die im März veröffentlicht wurde, kurz nach Beginn Ukraine-Kriegs. Den volkswirtschaftlichen Schaden ohne Gas aus Russland hatten die Ökonomen damals auf maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung beziffert.

Deutschland | Gasspeicher
Auch wenn nicht allzu viel Gas aus Russland kommt: Die Gasspeicher füllen sich. Bild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Das hatte damals für eine Kontroverse gesorgt. Andere Ökonomen sagten einen doppelt so hohen Einbruch der Wirtschaftsleistung voraus. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte es "unverantwortlich", solche Berechnungen überhaupt anzustellen.

Solche Berechnungen spielten im Frühjahr vor allem bei der Beurteilung der Frage eine Rolle, ob Deutschland und Europa als Reaktion auf den russischen Angriff einen Importstopp für russisches Gas verhängen sollten. Die Bundesregierung entschied sich damals gegen einen Importstopp, musste allerdings dabei zusehen, wie Russland seinerseits die gelieferte Gasmenge immer weiter reduzierte.

Zu lange gezögert?

Das Zögern der Regierung hat nach Ansicht der Forscher wertvolle Zeit gekostet. "Im Vergleich zum Frühjahr ist die Gaslücke zwar kleiner, aber die verbleibende  Anpassungszeit kürzer", schreiben sie fünf Monate nach ihrer ersten Studie.

Um ohne russisches Gas durch den Winter zu kommen, müssten Haushalte und Unternehmen ihren Verbrauch nun um 25 Prozent reduzieren. Je nachdem, wie sehr sich Einsparungen durch alternative Energiequellen in der Stromerzeugung erzielen lassen, vielleicht auch nur um 20 Prozent.

"Eine solche Reduktion ist bei einer kollektiven Anstrengung umsetzbar, wenn schnell Maßnahmen getroffen werden", heißt es in der Studie.

Die Bewertung der Strategie der Bundesregierung, im März nicht einen Lieferstopp für russische Gas zu verhängen, fällt nach Ansicht der Forscher "zwiespältig" aus. Zwar sei die Gaslücke heute etwas kleiner als im März und die Gasspeicher voller - derzeit beträgt der Füllstand etwas mehr als 72 Prozent. 

Andererseits gebe es nun weniger Zeit, "die entsprechenden Anpassungen für die Heizperiode im Winter vorzubereiten", so die Forscher. "Die Fokussierung auf Speicherstände und Vernachlässigung von Anpassungsmaßnahmen war insofern nicht geeignet, Deutschlands Abhängigkeit von Russland und die politische Erpressbarkeit vollständig und schnell zu beenden."

2,5 Grad weniger

Die Ökonomen loben, dass einige Unternehmen, insbesondere in der Chemie- und Glasindustrie, "auch ohne entsprechende politische Rahmensetzungen" kostspielige Investitionen auf sich genommen haben, um Gas durch andere Energiequellen zu ersetzen. Wie viele es sind, lasse sich aber nur schwer abschätzen. 

Den Großteil des Gasverbrauchs mache in den Wintermonaten ohnehin das Beheizen von Gebäuden aus. Die Forscher sehen hier deshalb ein besonders großes Potenzial für Sparanstrengungen. "Ein realistischerweise erreichbarer Einsparbeitrag der Haushalte und des Gewerbes liegt bei rund 15 Prozent ihres Verbrauchs. Beim Heizen entspricht dies etwa einer Absenkung der Raumtemperatur um bis zu 2,5 Grad C", heißt es in der Studie.

bea/hb (econtribute.de)