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PolitikMosambik

Angriffe von Dschihadisten weiten sich aus

Antonio Cascais
15. September 2022

Die Angriffe in Mosambiks Nordprovinz Cabo Delgado haben sich auf die angrenzende Provinz Nampula ausgeweitet. Eine katholische Gemeinde wurde angegriffen und in Brand gesetzt. Mindestens sechs Menschen wurden getötet.

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Verbrannte Häuser im Norden Mosambiks
Im Norden Mosambiks häufen sich die Angriffe der TerroristenBild: AFP/J. Nhamirre

"Sie kamen in der Dunkelheit, etwa um circa 21 Uhr. Fünf bis sechs Terroristen drangen mit Gewalt in das Gebäude, wo unsere Ordensschwestern wohnen, und schossen unserer italienischen Schwester Maria de Coppi in den Kopf", berichtet der katholische Bischof von Nacala, Dom Alberto Vera Aréjula im DW-Interview. Der Angriff ereignete sich am 6. September. Neben der 83-jährigen Schwester des italienischen Comboni-Ordens, die bereits seit 1963 in Mosambik lebte, kamen am selben Tag zwei weitere Menschen in der Gemeinde Chipene zu Tode, wo die katholische Kirche eine Mission und mehrere Hilfsprojekte betreibt. 

"Schwester Maria hat noch versucht, mit den Angreifern zu reden, sie sprach mehrere Nationalsprachen, aber es half nichts. Eine andere spanische Ordensschwester konnte, Gott sei Dank, fliehen und die 12 Waisenmädchen warnen, die sich ebenfalls im Gebäude befanden. Sie konnten sich in den Wald retten."  

Welle der Gewalt breitet sich aus

Der Norden Mosambiks wurde in den vergangenen Wochen von einer Welle dschihadistischer Gewalt überzogen, mit vielen Enthauptungen, vor allem von Kleinbauern und ihren Familien, aber auch Brandschatzungen, also durch Androhung von Brand und Plünderung bewirkte Erpressung. Dutzende Häuser sind angezündet worden. Neben Cabo Delgado ist nun auch die Nachbarprovinz Nampula betroffen. 

Bischof Alberto hält es für wahrscheinlich, dass sich die Angriffe in der Region wiederholen. Er habe keinen Zweifel, dass der Angriff auf die Mission Chipene, die südlich an die Unruheprovinz Cabo Delgado grenzt, ein ernster Hinweis darauf ist, dass sich der Terrorismus auf die Nachbarprovinzen ausweitet. "Dies ist die Fortsetzung des Krieges in Cabo Delgado. Es scheint, dass es sich bei den Angreifern um dieselbe Gruppe handelt, die eine Woche zuvor in Ancuabe und Chiure zugeschlagen und mehrere Menschen getötet hat", sagt Dom Alberto und fügt hinzu: "An allen Orten, an denen sie vorbeikommen, erzeugen sie große Panik unter der Bevölkerung."

Die Kirche müsse jetzt ihre Arbeit neu organisieren. Die Unterstützung der Vertriebenen habe aber Priorität. "Wir werden unsere Nothilfeprojekte fortsetzen, denn hier sind bereits viele Menschen geflohen. Sie brauchen Nahrung, um zu überleben. Ich werde mich heute mit Vertretern der Caritas treffen, um zu sehen, was wir tun können", fügt der Bischof von Nacala hinzu. 

Regierung und Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft

"Sechs Menschen wurden enthauptet, drei Menschen wurden entführt. Dutzende Häuser wurden in Brand gesetzt", bestätigte Präsident Filipe Nyusi auf einer Pressekonferenz, am Tag nach dem Anschlag auf die katholische Mission von Chipene, in der Provinz Nampula. 

Nyusi betonte, es gehe den Terroristen darum, die Regierung zu destabilisieren und auch die Gas- und Ölprojekte in der rohstoffreichen Region zu untergraben. Mosambik stehe aber nicht allein da, sondern erfahre eine große internationale Solidarität, vor allem auch auf militärischer Ebene, seitens der circa 1000 ruandischen Soldaten aber auch seitens der SADC-Truppen, bestehend aus circa 3.000 Soldaten aus neun Ländern des südlichen Afrikas, die im Rahmen des SAMIM-Stabilisierungsmission Mosambik bei der Bekämpfung des Terrorismus unterstützten.

Streitkräfte in Mosambik
Die Kämpfer nutzten Guerilla-Taktiken, aber die Streitkräfte seien ihnen auf den Fersen, so General MankayiBild: Estácio Valoi/DW

Auf einer Pressekonferenz in Cabo Delgado räumte der oberste Kommandant der SAMIM-Truppen, der südafrikanische Major General Xolani Mankayi, ein, dass die Dschihadisten weiterhin angreifen und dabei auf die altbewährte "Guerrilla-Taktik" zurückgreifen. General Mankayi versprach: "Sie können sicher sein, dass wir ihnen auf der Spur sind und sie neutralisieren werden."

Josep Borrell, Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, reiste zwei Tage nach dem Angriff auf die katholische Gemeinde von Chipene nach Maputo. Der Top-Diplomat der EU führte Sicherheitsgespräche mit Mosambiks Präsident Filipe Nyusi und Außenministerin Veronica Macamo und versprach, Mosambik im Kampf "gegen den Terrorismus" zu helfen. Der Diplomat sagte, die EU habe zusätzliche Militärhilfe in Höhe von 15 Millionen Euro zur Unterstützung einer regionalen Mission in der Provinz Cabo Delgado genehmigt. 

Wer und was steckt hinter den mosambikanischen Al-Shabaab-Kämpfern?

"Über die Identität, die Ziele und die Ideologie der Gruppe ist wenig bekannt und dies macht die Lösung der Krise noch schwieriger", heißt es in einer neuen Studie des "Institute for Security Studies, ISS Africa", eine Non-Profit-Organisation mit Hauptsitz in Pretoria. Die Autoren der Studie machen darauf aufmerksam, dass der bewaffnete Aufstand im Norden Mosambiks "eine der am wenigsten verstandenen und nebulösesten Bedrohungen Afrikas" sei und schlagen vor, "eine Untersuchungskommission über die Treiber des gewalttätigen Extremismus einzurichten und eine nationale Strategie zu entwickeln, um alle Aspekte der Krise anzugehen". 

Dschihadistische Gewalt in Mosambik eskaliert

Die Ursachen für den Konflikt seien komplex: Neben religiösen und ideologischen Aspekten spielten vor allem sozio-ökonomische Aspekte eine Rolle.

Einige in der ISS-Studie zitierten Experten unterstützen die These, dass die militanten Gruppe Ahlu-Sunnah wal Jama'a (ASWJ), die vom Islamischen Staat in Mosambik unterstützt wird, "durch den sogenannten Fluch der natürlichen Ressourcen" erst stark gemacht wurde. 

Der Rohstoffreichtum habe das Erstarken der Dschihadisten erleichtert, weil die ungerechte Verteilung der Einnahmen aus den Verträgen über die Ausbeutung der Ressourcen noch offener hervortraten. Die Erwartungen der Bevölkerung seien durch die Rohstoff-Projekte erhöht worden, "gleichzeitig hätten die Ungleichheiten aber zugenommen". 

Seit 2017 ist die Region Cabo Delgado Schauplatz von Anschlägen durch Islamisten. Diese brachten zeitweise ganze Städte unter ihre Gewaltherrschaft. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR leben zurzeit 946.000 Binnenvertriebene in Cabo Delgado. Die Anzahl der Todesopfer wird von ISS Africa mit circa 3.000 beziffert. 

Mitarbeit: Delfim Anacleto (Pemba, Cabo Delgado)