1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Goethe-Medaille für Prinzessin aus Kamerun

Killian Chimtom
28. August 2021

Sie ist Entwicklungsökonomin und Förderin der Kultur in Kamerun: Jetzt wurde die Königstochter Marylin Douala Manga Bell für ihr Engagement zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit auf besondere Weise geehrt.

https://p.dw.com/p/3z8RX
Marilyn Douala Manga Bell
Marilyn Douala Manga Bell: "Mit Kunst echte Diskussionen anregen"Bild: Max Mbakop

Kolonialismus und Erinnerungskultur

Marilyn Douala Manga Bell ist eine viel beschäftigte Frau. Die 1957 in Kamerun Geborene ist Mitbegründerin des Zentrums für zeitgenössische Kunst "Doual'art" und hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Akteurinnen im Kunstbereich in dem zentralafrikanischen Land entwickelt.

Große Anerkennung wird ihr zuteil, weil sie mithilfe von Kunst Diskussionen anstößt: über aktuelle Themen der Zeit, aber auch über die Geschichte ihres Landes. "Es gibt viele Künstler, die sich damit begnügen, Werke zu schaffen, die der bloßen Dekoration dienen" sagt Manga Bell. "Wir wollen aber mit Künstlern zusammenarbeiten, die mit ihren Kunstwerken echte Diskussionen anregen".

Vor der Gründung von Doual'art war sie in einem ganz anderen Bereich tätig: Sie studierte Entwicklungsökonomie an der Universität Nanterre in Frankreich und arbeitete anschließend fast zehn Jahre für mehrere Nichtregierungsorganisationen im Bereich der ländlichen Entwicklung. Dann kam der nächste Karriereschritt: Manga Bell wurde Beraterin für eine Reihe internationaler Organisationen, unter anderem beim Internationalen Währungsfonds.

Deutschland | Verleihung Goethe-Medaillen in Weimar
Die Goethe-MedailleBild: arifoto UG/dpa/picture alliance

Nach ihrer Rückkehr nach Kamerun gründete sie 1991 zusammen mit ihrem Ehemann, dem Kunsthistoriker Didier Schaub, Doual'art. Durch die Kunstorganisation und Manga Bells Engagement konnten in den vergangenen Jahren viele Kunstwerke finanziert und den Menschen in Kameruns Wirtschaftsmetropole Douala zugängig gemacht werden. Das bedeutendste Projekt: "La Nouvelle Liberté" - "Die neue Freiheit". Diese majestätische, zwölf Meter hohe Skulptur zum Thema Recycling in Douala sorgte von Anfang an für kontroverse Diskussionen bei den Bürgern der größten Stadt Kameruns.

Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit

Eine der Diskussionen, die noch lange nicht zu Ende geführt sind, ist die Debatte um die Aufarbeitung der Kolonialzeit Kameruns, die auch eng mit der Geschichte der Familie Manga Bell verwoben ist: Marylin Douala Manga Bell ist Urenkelin des Königs Rudolf Douala Manga Bell, deshalb führt sie auch den Titel Princess.

Der König gilt als Widerstandskämpfer und wird in Kamerun bis heute als Nationalheld gefeiert. Ihm ist auch gerade eine Ausstellung im MARKK in Hamburg gewidmet. Rudolf, der einen Teil seiner Jugend in Deutschland verbracht hatte und perfekt Deutsch sprach, protestierte in der Kolonialzeit mit Briefen und Petitionen gegen die Ausbeutung und Vertreibung seines Volkes durch die deutschen Besatzer und widersetzte sich Plänen in Douala die Rassentrennung einzuführen. Am 8. August 1914 wurde er deshalb wegen Hochverrats erhängt. Doch König Rudolf war es auch, der drei Jahrzehnte zuvor ein Abkommen unterzeichnet hatte, dass dem deutschen Kaiserreich das Recht einräumte, Kamerun zu verwalten.

Rudolf Duala Manga Bell (um 1902)
Rudolf Duala Manga Bell (um 1902): Widerstandskämpfer und NationalheldBild: Stadtarchiv Aalen/J. van Daalen

"Mit meiner Arbeit heute versuche ich aufzuarbeiten, was meine Vorfahren damals auslösten, als sie beschlossen, diesen Vertrag zu unterzeichnen", so Urenkelin Marylin Manga Bell im DW-Gespräch: "Dieser Vertrag bedeutete den Verlust der Souveränität, weil er die Deutschen aufforderte, Kamerun zu verwalten."

Ihr sei es wichtig, die Ereignisse der Kolonialzeit in den geschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Nur so könne man die Geschichte richtig verstehen und aus ihr lernen: "Es ist sehr interessant, dass einige Kameruner heute behaupten, meine Vorfahren hätten Kamerun verkauft. Tatsache aber ist, dass es damals keine Alternative gab, weil zu der Zeit nahezu alle afrikanischen Länder kolonisiert wurden. Dieser Vertrag, der 1884 von meinem Urgroßvater unterzeichnet wurde, war wie eine Verfassung, aber diese Verfassung wurde von den Deutschen nicht respektiert."

Dieses habe zum offenen Konflikt zwischen ihren Vorfahren und der deutschen Kolonialverwaltung geführt und sei schließlich in einen Schauprozess gemündet, der den Tod ihres Urgroßvaters und mehrere seiner Unterstützer durch Erhängen zur Folge hatte. Heute will Marylin Manga Bell die Erinnerungskultur an diese und andere schmerzliche Episoden der Kolonialzeit fördern, indem sie sich für die Gleichstellung afrikanischer Museen und die Restitution kultureller Exponate aus kolonialen Kontexten einsetzt. Sie tut dies auch als Hommage an ihren Urgroßvater.

Deutsch-kamerunisches Museum in Planung

Marilyn Douala Manga Bells nächstes Ziel ist die Einrichtung eines deutsch-kamerunischen Museums in Douala, das dazu beitragen soll, wichtige Episoden der Geschichte Kameruns ans Licht zu bringen. Ein weiteres Anliegen ist die Rückführung einiger der bedeutendsten Kunstwerke, die während der deutschen Kolonialherrschaft widerrechtlich nach Europa gebracht wurden.

Infografik Karte Kamerun DE

Für ihr inzwischen zwei Jahrzehnte währendes Engagement im Kunstbereich erfährt sie viel Anerkennung – auch und vor allem in Kamerun selbst: Der Kunstkritiker und Journalist Telesphore Mba Bizo sagt über die Prinzessin, Marilyn Douala Manga Bell spiele bei der Umgestaltung der kamerunischen Kultur eine entscheidende Rolle: "Marilyn ist eine, die sich aus vollster Überzeugung mit Kunstthemen beschäftigt. Marilyn ist eine Ausnahmeerscheinung."

Auch aus Deutschland bekam die Kameruner Prinzessin nun eine bedeutende Auszeichnung für ihr Engagement: die Goethe-Medaille, das offizielle Ehrenzeichen der Bundesrepublik für Persönlichkeiten, die sich in besonderer Weise um den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben. Marylin Douala Manga Bell entwickle "viel beachtete Ideen zur Aufarbeitung kolonialen Unrechts sowie zur Festigung der eigenen kamerunischen Identität", hieß es in der Begründung der Jury.

Neben Manga Bell erhiellten noch der Komponist Toshio Hosokawa aus Japan und die Tänzerin Wen Hui aus China in diesem Jahr eine Goethe-Medaille. Die Auszeichnungen wurden wie immer traditionell am Geburtstag des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe am 28. August vergeben - Corona-bedingt auch in diesem Jahr in einem digitalen Festakt. Die Vergabe wurde in Kooperation mit der Deutschen Welle organisiert und ist als Stream auf den Kanälen des Goethe-Instituts zu sehen.

Adaptiert aus dem Englischen von Antonio Cascais.