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Geothermie auf dem Vormarsch?

24. August 2023

Erdgas ist klimaschädlich und seit Russlands Krieg teuer. Erdwärme wäre eine günstige und umweltfreundliche Alternative. Beginnt nun das goldene Zeitalter der Geothermie?

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Geothermie: Erdwärmekraftwerk in Neustadt-Glewe dahinter Wohnsiedlungen
Mit 98 Grad heißem Wasser aus 2400 Metern Tiefe heizen über 6000 Bürger in Neustadt-Glewe (bei Schwerin) ihre Häuser Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

In der Mitte unserer Erde ist es so heiß wie auf der Sonne, rund 6000 Grad. 2000 bis 5000 Meter tief unter der Erdoberfläche sind es dann noch 60 bis 200 Grad und in Vulkanregionen an der Oberfläche bis zu 400 Grad Celsius.

Seit wann gibt es Geothermie?

Erdwärme nutzten unsere Vorfahren in einigen Regionen schon lange: Im ersten Jahrhundert heizten die Römer in Aachen und Wiesbaden Häuser und Thermen mit heißem Quellwasser, in Neuseeland nutzten die Maori die Erdhitze zum Kochen und im italienischen Larderello wurde 1904 zum ersten Mal aus Geothermie Strom erzeugt.

Menschen baden in heißen Quellen auf der Insel Bali im Freien
Baden in heißen Quellen hat weltweit eine lange Tradition wie hier auf der Insel BaliBild: Stella/imageBROKER/picture alliance

Vulkanregionen erzeugen Strom mit Geothermie

Rund 400 Kraftwerke erzeugen in 30 Ländern mit Dampf aus der Erde Strom - die Gesamtleistung liegt bei 16 Gigawatt (GW). Vor allem in Vulkanregionen entlang des pazifischen Feuerrings, in den USA, Mexiko, El Salvador, Island, Türkei, Kenia, Indonesien, Philippinen und Neuseeland hat diese Stromerzeugung eine Bedeutung -  im globalen Durchschnitt liegt der Anteil von Strom aus Geothermie jedoch bei nur 0,5 Prozent.

Bei der geothermischen Stromerzeugung im Kraftwerk de Berlín in El Salvador kommt viel Dampf aus den Kühltürmen
El Salvador erzeugt fast 30 Prozent seines Stroms mit GeothermieBild: Camilo Freedman//SOPA Images via ZUMA Wire/dpa/picture alliance

Heizen mit Tiefengeothermie überall möglich

Weltweit bedeutender ist die Geothermie zum Heizen von Schwimmbädern, Gebäuden, Gewächshäusern und für städtische Wärmenetze. Aus bis zu 5000 Meter tiefen Bohrlöchern wird bis zu 200 Grad heißes Wasser aus wasserführenden Schichten gepumpt, die Wärme genutzt und über ein zweites Bohrloch das abgekühlte Wasser wieder zurück gepresst.

Diese Wärmegewinnung ist weltweit möglich, günstig und wird auch in Ländern ohne vulkanische Aktivität zunehmend genutzt. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt im "Status Report Renewables", einem Bericht über den Stand des erneuerbaren Energien, dass die installierte Leistung von geothermischen Wärmekraftwerken derzeit weltweit bei 38 Gigawatt liegt. Das ist mehr als doppelt so viel wie die von geothermischen Kraftwerken zur Stromerzeugung.

Mit großer Entschlossenheit verfolgen bislang vor allem China (14 GW), Türkei (3 GW), Island (2 GW) und Japan (2 GW) den Ausbau der Tiefengeothermie und beheizen damit immer mehr Stadtteile und Gewächshäuser. In Deutschland heizt vor allem die Stadt München günstig mit Geothermie und will mit dieser Energie im Wärmebereich bis 2035 klimaneutral werden.

Auch die neue Bundesregierung setzt nun auf den Ausbau der Tiefengeothermie zur klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2045 und will die Erschließung der tiefen Wärmequellen mit zahlreichen Maßnahmen fördern. Laut Studien könnte die Tiefengeothermie in Deutschland mit einer installierten Leistung von 70 GW rund 300 TWh/a Wärme erzeugen, das ist mehr als die Hälfte des zukünftigen Wärmebedarfs aller Gebäude.

Heizen aus der Oberfläche mit Wärmepumpe 

Genutzt wird Erdwärme zunehmend aber auch aus der nahen Erdoberfläche in Kombination mit Wärmepumpen. In Bohrlöchern von 50 bis 400 Meter Tiefe fließt hierbei in einem geschlossenem Rohrsystem Wasser von oben nach unten und wieder zurück und erwärmt sich dabei auf 10 bis 20 Grad. Anschließend nutzt dann eine Wärmepumpe diese Energie, um daraus 30 bis 70 Grad heißes Wasser zu erzeugen, das für die Beheizung von Gebäuden eingesetzt werden kann.

Forscher sehen in dieser oberflächennahen Geothermie ein ähnlich großes Wärmepotential wie bei der Tiefengeothermie. In Deutschland ließe sich allein mit diesen beiden Technologien künftig der gesamte Wärmebedarf für Gebäude decken.

Infografik Temperatur 3000 Meter Tiefe DE

Was kostet Wärme mit Tiefengeothermie?

Laut Analyse von sechs deutschen Forschungsinstituten kostet die Wärmeerzeugung mit Tiefengeothermie weniger als drei Eurocent pro Kilowattstunde (kWh).

Diese nutzt heiße wasserführende Schichten im tiefen Untergrund, pumpt dann heißes Wasser durch einen Brunnen an die Oberfläche und nutzt dort die Wärme.

Nun wird in Geretsried (Bayern) die weltweit erste kommerzielle Geothermie-Anlage gebaut, die ohne wasserführende Schichten im tiefen Untergrund funktioniert. Laut Professor Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur und Geothermie, könnte die neue Technik ein weiteres geothermisches Potential weltweit erschließen.

Mit ausgefeilter Bohrtechnik werden dort Rohrleitungen im tiefen Untergrund verlegt. In einem geschlossenen Kreislauf wird dann Wasser von der Oberfläche in die Tiefe geführt, heizt sich dort auf und wird wieder nach oben gepumpt. Laut Betreiber der Anlage sollen bei diesem System die Kosten der Wärmeerzeugung bei vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde liegen.

Vor Russlands Angriff auf die Ukraine war die Wärmeerzeugung mit Erdgas aus Pipelines für viele Stadtwerke in Europa jedoch günstiger, das Investment in den Bau von Anlagen mit Tiefengeothermie schien deshalb nicht attraktiv. Durch den Krieg und stark gestiegene Gaspreise in Europa auf über 12 Cent pro kWh hat sich die Lage komplett verändert. Stadtwerke zeigen nun großes Interesse an der Tiefengeothermie für die kommunale Wärmeversorgung.

Weiße LKW mit speziellen Messgeräten, die auf dem Boden liegen und Schallwellen produzieren
Sogenannte Vibro-Trucks erzeugen Schallwellen und messen die Reflektionen im UntergrundBild: FrankHoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Kann Geothermie den Wärmebedarf komplett decken?

Nein. Das Potential von Geothermie ist zwar nahezu unbegrenzt und weltweit lässt sich mit Tiefengeothermie und oberflächennaher Geothermie in Kombination mit Wärmepumpen der Wärmebedarf für die Beheizung von Gebäuden überall decken.

Aber in der Industrie sind zum Teil auch Temperaturen von mehr als 200 Grad erforderlich. Sie lassen sich derzeit in der Regel nicht mit Geothermie und Wärmepumpen erreichen. Für so hohe Temperaturen sind Heizungen mit Strom, Biogas, Biomasse und grünem Wasserstoff die klimafreundlichen Alternativen.

Wie schnell gelingt Wärmeversorgung mit Tiefengeothermie?

Weltweit sammelte vor allem die Öl- und Gasindustrie in den letzten hundert Jahren Expertise über den Untergrund, es gibt Fachpersonal und eine ausgereifte Technik für Bohrungen. Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur und Geothermie (IEG), zeigt sich im Gespräch mit der DW zuversichtlich, dass die Geothermie zügig ausgebaut werden kann "wenn sich die Öl- und Gasindustrie der Geothermie zuwenden sollte".

Wenn sich die Firmen jedoch weiter auf die Förderung von Öl und Gas konzentrieren, weil damit mehr Geld verdient werden kann, "dann bin ich pessimistisch", so Bracke. Denn dann fehle es an Personal und Bohrtechnik für den zügigen Ausbau der Geothermie. Die Erschließung von Wärmequellen in der Tiefe dauert laut Bracke bei schneller Genehmigung zwei bis drei Jahre, in Deutschland durch bürokratische Verzögerungen etwa dreimal so lang. Die Bundesregierung will nun diesen Prozess beschleunigen und bis 2030 die Wärmegewinnung mit Tiefengeothermie von derzeit einem Terawatt verzehnfachen.

Eine Ingenieurin steht in Schutzkleidung an der Geothermal Power Plant in Indonesien
Indonesien will seine geothermische Stromproduktion bis 2030 auf 8 GW vervierfachenBild: Denny Pohan/ZUMAPRESS/picture alliance

Kann Tiefengeothermie Beben verursachen?

Ja. In Regionen mit Erdbebenaktivität kann Geothermie kleine Erdbeben auslösen, wenn Wasser mit zu hohem Druck in den Untergrund verpresst wird und dort bestehende Spannungen auslöst. In einigen Fällen führten die Beben zu Rissen in Gebäuden und in der Folge zur Ablehnung dieser Technik.

In Regionen ohne Spannungen im Erduntergrund gibt es laut Bracke keine Erfahrungen mit Beben. Inzwischen wurde die geothermische Nutzung auch verbessert: Mit geringeren Wasserdrücken im Untergrund und verfeinerten Überwachungsmethoden können Beben an der Oberfläche vermieden werden.

Im Vergleich zur Förderung von Erdöl, Erdgas und Kohle ist die Geothermie jedoch viel weniger riskant, betont Bracke und "mit Abstand die sicherste Energiequelle aus unserer Erde".

Dieser Artikel wurde ursprünglich im Januar 2023 veröffentlicht und am 24. August aktualisiert.

Geothermie – Heizungswärme aus der Erde

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion