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Griechenland: Aufstieg der extremen Rechten?

Jannis Papadimitriou
30. Juni 2023

Drei rechte Parteien sitzen jetzt im Athener Parlament. Für Furore sorgen vor allem die "Spartaner", die mutmaßliche Nachfolgepartei der verbotenen "Goldenen Morgenröte".

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Ein Blick auf das Parlamentsgebäude in Athen
Der Aufstieg der extremen Rechten ist eine Herausforderung für Griechenlands DemokratieBild: Michael Varaklas/AP/picture alliance

Erstmals seit Wiederherstellung der Demokratie in Griechenland im Jahr 1974 haben drei rechtsextreme und nationalistische Parteien bei der Wahl am vergangenen Sonntag (25.06.2023) den Sprung ins Athener Parlament geschafft. Insgesamt erreichten sie 13 Prozent der Stimmen. Ihre Namen: Spartiates (Spartaner), NIKI (Sieg) und Elliniki Lisi (Griechische Lösung).

Besonderes Erstaunen löste der Wahlerfolg der Spartaner aus, einer Partei, die erst wenige Wochen vor der Wahl aktiv geworden war. Sie avancierte auf Anhieb zur fünftgrößten politischen Kraft. Parteichef ist Vassilis Stingas, der am Wahlabend keine Reporterfragen beantworten wollte.

Eine Nachfolgepartei für die Goldene Morgenröte?

"Dass die Spartaner aus dem Nichts gekommen sind, ist nicht ganz korrekt", sagt die Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou der DW. Immerhin sei die Partei seit 2017 beim Obersten Gerichtshof registriert. Doch lange Zeit war nichts von ihr zu hören. Dass sie nun plötzlich an die Öffentlichkeit trat, hat einen Grund: Ilias Kasidiaris, ehemaliger Sprecher der verbotenen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte, hatte kräftig die Werbetrommel für die Spartaner gerührt.        

Ilias Kasidiaris von der inzwischen verbotenen Goldenen Morgenröte spricht bei einer Protestkundgebung am 8.02.2016 in Athen in ein Mikrofon
Ilias Kasidiaris von der inzwischen verbotenen Goldenen Morgenröte bei einer Protestkundgebung Bild: Panayiotis Tzamaros/NurPhoto/picture alliance

"Kasidiaris forderte seine Anhänger auf, bei dieser Wahl für die neue Partei zu stimmen. In meiner Nachbarschaft habe ich sogar Flugblätter gesehen, in denen er dazu aufruft, sagt Georgiadou, die zum Thema Rechtsextremismus forscht. In einer Stellungnahme vor der Wahl hatte Parteichef Stingas erklärt, er sei stolz auf die Unterstützung von Kasidiaris.

Von der Protestpartei zur kriminellen Vereinigung

Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise war die Goldene Morgenröte zur drittgrößten politischen Kraft in Griechenland avanciert. 2013 kam es zu Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, nachdem Parteianhängern vorgeworfen wurde, einen griechischen Musiker und Linksaktivisten erstochen zu haben.

Im Oktober 2020 wurde die Führungsspitze der Goldenen Morgenröte zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, auch Kasidiaris musste für 13 Jahre ins Gefängnis. Nun hat er anscheinend eine neue politische Heimat gefunden. Der Erfolg der Spartaner sei "eine krachende Niederlage für das politische System und ein Triumph der Griechen, die für ihre Heimat kämpfen", ließ der Häftling am Wahlabend verlauten.

Juristisches Nachspiel möglich

Darf ein Führungsmitglied der Neonazi-Partei Wahlkampf aus dem Gefängnis heraus machen und durch die Hintertür in die Politik zurückkehren? Vieles spricht dafür, dass die Sache ein juristisches Nachspiel haben wird. Die Politikwissenschaftlerin Georgiadou geht davon aus, dass der Oberste Gerichtshof den Fall eingehend prüfen wird. Schließlich hätten die Spartaner als trojanisches Pferd für Kasidiaris gedient.

 

Griechenland: Deutlicher Wahlsieg der Konservativen

Handlungsbedarf sieht auch der Verfassungsrechtler und ehemalige EU-Parlamentarier der Linkspartei Syriza, Kostas Chrysogonos. "Innerhalb von zwei Wochen nach der Wahl darf man das Wahlergebnis anfechten mit dem Ziel, den Wahlerfolg der neuen Partei für null und nichtig zu erklären", sagte der Jurist dem TV-Sender Skai. Allerdings müsse die anfechtende Person auch beweisen können, dass Kasidiaris als heimlicher Parteichef agiert und die Fäden in der Hand hält. Der Hinweis, dass er zur Stimmabgabe für die Spartaner aufgerufen habe, reiche da nicht aus.

Politik "in Gottesfurcht"

Anders als die Goldene Morgenröte, unterhält die ultraorthodoxe Partei NIKI wohl keine Schlägertruppen. Parteichef Dimitrios Natsios - Lehrer, Theologe, Schriftsteller und Reserveoffizier - machte auf seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahlerfolg am Sonntag Abend einen geradezu schüchternen Eindruck. Was er zu Protokoll gab, lässt viele Fragen offen: "In Gottesfurcht werden wir den Kampf um den Sieg des Griechentums führen", so der politische Neuling.

Dimitrios Natsios, Chef der rechten Partei NIKI spricht und gestikuliert bei einer Wahlkampfveranstaltung in Piräus an einem Rednerpult mit der griechischen Aufschrift NIKI vor einer griechischen Fahne am 22.06.2023
Dimitrios Natsios und seine rechte Partei NIKI haben es ins Parlament geschafft Bild: THEOPHILE BLOUDANIS/AFP/Getty Images

Der religiöse Charakter sei hier viel stärker ausgeprägt als bei anderen konservativen Gruppierungen, erläutert Georgiadou. "Anscheinend unterhält NIKI Beziehungen zu Klostergemeinschaften und religiös motivierten Organisationen, auch außerhalb der offiziellen orthodoxen Kirche." Auf ihrer Webseite plädiert die ultrareligiöse Gruppierung dafür, "den Ideenreichtum unserer Vorfahren neu kennenzulernen" und protestiert gegen den Einfluss der "neo-osmanischen Türkei" auf dem Balkan. Nur die Orthodoxie sei in der Lage, die Stellung zu halten.

Erst vor vier Jahren gegründet, wurde NIKI als Protestpartei gegen das sogenannte "Prespa-Abkommen" von 2018 bekannt, das den jahrelangen Namensstreit zwischen Griechenland und Nordmazedonien beilegte. Sowohl in Athen als auch in Skopje waren damals linksgerichtete Politiker an der Macht. In beiden Ländern tobte die konservative Opposition gegen den Kompromiss. In einem diplomatischen Drahtseilakt erklärte der damalige griechische Oppositionschef und heutige Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, er lehne den Kompromiss im Namensstreit ab. Da das Abkommen aber bindend sei, werde er auch als Regierungschef nicht daran rütteln. "In diesem Kontext schaffte es eine Protestpartei wie NIKI, Stammwähler der Konservativen anzusprechen und an sich zu binden", analysiert die Athener Politikwissenschaftlerin Georgiadou.

Eine "griechische Lösung" im Parlament

Von den Protesten gegen das Prespa-Abkommen profitierte auch die Elliniki Lisi (Griechische Lösung). Auf dem Höhepunkt der Protestwelle Anfang 2018, als in Athen und Thessaloniki Hunderttausende gegen den bevorstehenden Kompromiss im Namensstreit demonstrierten, meldete sich Parteichef Kyriakos Velopoulos mit einer radikalen Interpretation zu Wort: Die Amerikaner wollten in Skopje ein Protektorat etablieren, um die russischen Interessen in Schach zu halten. Griechenland sollte dagegenhalten und eine gemeinsame Grenze mit Serbien anstreben. Auf die Frage eines Journalisten, ob er wirklich zum Krieg aufrufe, erklärte der Rechtspopulist: "Natürlich nicht, es gibt ja auch den Wirtschaftskrieg."    

Diese Antwort ist typisch für Velopoulos - man weiß nie so genau, ob er das, was er sagt, auch ernst meint. Kurioserweise begann der studierte Historiker seine politische Karriere in der Sozialistischen Jugend, doch bald wechselte er zur rechtsnationalen Sammlungsbewegung LAOS. Sein Geld verdiente er vor allem als Televerkäufer für Heilsalben und religiöse Schriften. Angebliche Originalbriefe von Jesus Christus gab es auch in seinem Angebot.

2016 gründete Velopoulos seine eigene Partei, die Griechische Lösung. Seitdem ist er im ständigen Angriffsmodus gegen vermeintliche Feinde im In- und Ausland. Von den Wählern wird er dafür immer wieder belohnt. Am Wahlabend zeigte er sich kämpferisch und gab den Ton für die nächste Legislativperiode vor: "Die führen Krieg gegen uns, ich durfte überhaupt nicht auftreten im Staatsfernsehen, aber wir haben es ihnen gezeigt. Wir sind im Parlament, zum vierten Mal haben wir es geschafft und wir werden es noch vierzig Mal schaffen."