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Politik

Großer Empfang für "Schlächter von Kabul"

Shamil Shams
4. Mai 2017

Der frühere Warlord und islamistische Hardliner Hekmatjar ist offiziell als Partner der Regierung in Kabul empfangen worden. Die Hoffnung: Dass die Taliban sich daran ein Beispiel nehmen.

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Afghanistan Gulbeddin Hekmatjar, Rückkehr nach Kabul
Bild: Reuters/O. Sobhani

In Kabul sind die Meinungen geteilt, ob der unter großem Sicherheitsaufgebot nach 20 Jahren "heimgekehrte" frühere Kriegsfürst Gulbuddin Hekmatjar den sogenannten "Friedensprozess" in Afghanistan befördern kann. Präsident Aschraf Ghani, bekräftigte bei der Begrüßungszeremonie am Donnerstag seine Hoffnung, dass durch das Friedensabkommen mit Hekmatjar auch die Taliban zu Verhandlungen bewegt werden und der Gewalt abschwören könnten. Hekmatjar rief in seiner Rede die Taliban, die er "Brüder" nannte, zum Frieden auf. Gleichzeitig allerdings machte er aus seinen islamistischen und anti-demokratischen Überzeugungen keinen Hehl: So erteilte er der parlamentarischen Demokratie ebenso eine Abfuhr wie der Freiheit für Frauen, keinen Schleier zu tragen.

Den Optimismus Ghanis teilen nicht alle. Ein Regierungsmitglied sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, man sei sich nicht sicher, ob man Hekmatyar  als "Partner oder Rivalen" betrachten müsse. Die Spannungen innerhalb der Regierung der nationalen Einheit zwischen dem paschtunischen Präsidenten Ashraf Ghani und dem tadschikischen "Regierungsgeschäftsführer" Abdullah Abdullah dürften durch die Einbindung des islamistischen paschtunischen Hardliners Hikmatjar eher steigen, glauben Beobachter.

Former Afghan President Karzai, Afghan President Ghani, Afghan warlord Hekmatyar, former Jihadi leader Abdul Rabb Rasool Sayyaf and Afghanistan Chief Executive Abdullah walk to attend a ceremony in Kabul
Ex-Präsident Karsai, Präsident Ghani, Gulbuddin Hekmatjar, Ex-Mudschahidin Abdul Sayyaf und Regierungbevollmächtigter Abdullah Abdullah (von links) Bild: Reuters/S.Marai

Zuspruch trotz früherer Untaten

Hekmatjar will Macht und Kontrolle ausüben, das war immer so und daran hat sich nichts geändert", sagte Abdul Hodod Paiman, ein tadschikischer Abgeordneter aus Kundus, der Heimatstadt Hekmatjars. Anders äußerte sich ein Abgeordneter aus der nördlichen Provinz Badachschan, Safiullah Muslim: "Hekmatjar ist eine einflussreiche Persönlichkeit  und er könnte eine Schlüsselrolle bei einer Friedenslösung für Afghanistan spielen." Diese Einschätzung teilt auch Faiz Mohammd Zaland, Dozent an der Universität von Kabul, gegenüber der DW: "Hekmatjar genießt immer noch viel Unterstützung bei weiten Teilen der Bevölkerung. Durch sein Bündnis mit der Regierung könnte er viele neue Leute auf ihre Seite bringen."

Die Sympathie für Hekmatjar  ist nicht nur angesichts seines Beinamens "Schlächter von Kabul" bemerkenswert. Der 70jährige hat im Laufe seiner politischen Laufbahn vielfach die Seiten und Allianzen gewechselt. Hatte er sich in seiner Jugend den Kommunisten angeschlossen, so kämpfte er später mit seiner His-bi Islami (Islamische Partei) gegen die sowjetischen Besatzer, materiell von einer Allianz aus USA, Pakistan und Saudi-Arabien unterstützt.

Nach dem sowjetischen Abzug 1989 mischte Hekmatjar im afghanischen Bürgerkrieg mit, den die verschiedenen Mudschahidin-Führer gegeneinander führten. Dabei kam es unter seinem Kommando beim Beschuss Kabuls zu Tausenden von Toten, von daher der oben zitierte Beiname. Nach der Beendigung des Bürgerkriegs durch die Machtübernahme der Taliban 1996 zog sich Hekmatjar zurück, zunächst nach Iran und später nach Pakistan. Von den USA wurde er wegen der Zusammenarbeit mit Osama Bin Ladens Al Kaida auf eine Terroristen-Liste gesetzt. Seine Kämpfer verübten gegen die "gottlosen" NATO-Truppen in Afghanistan und die Regierung in Kabul bis 2013 Anschläge.

Hamid Karzai Gulbuddin Hekmatyar
Früher Feinde - jetzt Verbündete für den Frieden? Bild: Reuters/O.Sobhani

Notwendiger Pakt mit einem Verbrecher? 

Im September 2016 kam es zum Friedensabkommen zwischen Hekmatjars Hisb-i Islami und der Regierung in Kabul, im Februar dieses Jahres erfolgte die Aufhebung der UN-Sanktionen gegen Hekmatjar. Offenbar war die internationale Einschätzung der Lage in Afghanistan inzwischen so düster, dass man der Rehabilitierung Hekmatjars nicht im Wege stehen wollte – wenn sie eine Chance auf Frieden in Afghanistan bot. Unter anderem Human Rights Watch hatte das Friedensabkommen mit Hekmatjar scharf kritisiert, dadurch würde einem Kriegsverbrecher und Auftraggeber von Morden an zivilen Kritikern Straffreiheit gewährt. Allerdings wurde bislang noch keinem afghanischen Kriegsherren der Prozess gemacht, einer der grausamsten, Rashif Dostum, hat es sogar zum Vizepräsidenten in der aktuellen Regierung gebracht.

Welche Rolle Hekmatjar in der Regierung und im "Friedensprozess" spielen wird, ist also noch unklar. Ebenso die Auswirkungen seiner Einbindung auf das Verhältnis Kabuls zu Pakistan. Hekmatjar werden gute Beziehungen zum pakistanischen Militär nachgesagt, das seinen Einfluss auf die Taliban jahrzehntelang zur Destabilisierung und Einflussnahme in Afghanistan genutzt hat. Vor diesem Hintergrund sorgte Hekmatjars Äußerung kurz vor seinem Einzug in Kabul für Aufsehen: Er hoffe, "dass unsere Nachbarn Afghanistan nicht zum Kampfgebiet für ihre politischen und militärischen Rivalitäten machen."