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PolitikEuropa

Serbien und Kosovo nähern sich an

28. Februar 2023

Nach jahrelangen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo haben beide einem EU-Plan zugestimmt, der ihre zukünftigen Beziehungen regeln soll. Unklar bleiben jedoch Umsetzung und Zeitplan.

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Serbien, Belgrad | Protest gegen die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo
Proteste in Belgrad: Serben demonstrieren Mitte Februar gegen die Normalisierung der Beziehungen zum KosovoBild: Darko Vojinovic/AP/picture alliance

Der EU-Außenbeauftragte zeigte sich erfreut: Er könne mitteilen, verkündete Josep Borrell am Anfang dieser Woche, dass Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und Kosovos Premierminister Albin Kurti zugestimmt hätten, "dass keine weiteren Diskussionen über den Europäischen Vorschlag mehr nötig sind".

Der "europäische Vorschlag" ist ein Übereinkommen, das die seit langem angespannten Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien auf "eine tragfähige Grundlage" stellen soll. 2008 hatte sich Kosovo von Serbien unabhängig erklärt. Serbien akzeptiert diesen Schritt nicht. Der Plan zur Normalisierung der Verhältnisse geht auf einen deutsch-französischen Vorschlag aus dem vergangenen Herbst zurück und wurde beim jüngsten EU-Gipfel im Februar dieses Jahres von allen 27 Mitgliedstaaten begrüßt. 

Was enthält der europäische Vorschlag zu Kosovo und Serbien?

Im Wesentlichen sollen beide Staaten die jeweiligen Grenzen akzeptieren und wechselseitig diplomatische Vertretungen in den Hauptstädten eröffnen. Dabei klammern sie eine gegenseitige staatliche Anerkennung aber offiziell aus. Allerdings handelt es sich, so Florian Bieber, Professor für Geschichte und Politik Südosteuropas an der Universität Graz, um eine De-facto-Anerkennung. Das wird mit dem deutsch-deutschen Modell verglichen, wie es 1972 mit dem Grundlagenvertag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vereinbart worden war.

Belgien l EU-Gespräche in Brüssel mit Kurti, Vucic und Borrell
Immerhin an einem Tisch: EU-Gespräche mit Albin Kurti, Aleksandar Vucic und Josep BorrellBild: Virginia Mayo/AP/picture-alliance

Beide Staaten sollen gegenseitig ihre Dokumente und nationalen Symbole anerkennen, wie etwa Pässe, Diplome und Fahrzeug-Nummernschilder des anderen. Die Anerkennung von Nummernschildern hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen zwischen Kosovo und Serbien geführt.

Die Länder sollen sich außerdem nicht in ihrem Bestreben behindern, Mitglieder der EU zu werden. Serbien darf laut Abkommen auch nicht Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen blockieren.

Allerdings, so der Politikwissenschaftler Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik: Ob Serbien tatsächlich akzeptieren werde, dass Kosovo Mitglied der Vereinten Nationen wird - dahinter stehe noch ein "großes Fragezeichen". Im politischen Diskurs habe der serbische Präsident eine solche Mitgliedschaft immer als rote Linie bezeichnet.

Noch ist das Abkommen nicht unterschrieben

Nun werden weitere Verhandlungen notwendig, um das Abkommen konkret umzusetzen. Vor allem aber muss es noch unterschrieben werden. Kosovos Premier Kurti sagte dazu Anfang der Woche, er sei bereit gewesen, den Grundlagenvertrag zu unterzeichnen, doch Serbien sei noch nicht soweit gewesen.

"Solange es keinen richtigen Umsetzungsplan gibt", erwiderte Serbiens Präsident Vucic auf Nachfrage der DW, "wird genau das gleiche passieren wie seit zehn Jahren mit dem Brüsseler Abkommen." Kosovo sei seiner einzigen Pflicht nicht nachgekommen, die Kosovo-Serben einen Verbund serbischer Gemeinden gründen zu lassen

Streit über serbische Gemeinden in Kosovo

Das Brüsseler Abkommen ist eine Vereinbarung zwischen Serbien und Kosovo aus dem Jahre 2013. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass es eine Gemeinschaft von Kommunen mit serbischer Mehrheit im Kosovo geben solle. Für Serbien sei ein konkreter Zeitraum für die Umsetzung und ein Rahmen für die serbische Gemeindeverwaltung sehr wichtig, gibt der Grazer Forscher Bieber zu bedenken, während genau das für Kosovo sehr sensibel sei. 

Kosovo: Die Lage bleibt angespannt

Der kosovarische Präsident Kurti wolle keinen starken, mit Exekutivgewalt ausgestatteten serbischen Gemeindeverbund, ergänzt sein Kollege Dzihic, denn diesen sehe er als "trojanisches Pferd" für serbische Einflussnahme.

Der Politikwissenschaftler hält es für unrealistisch, dass das Brüsseler Abkommen so umgesetzt wird, wie Serbien es verlangt. Der Verfassungsgerichtshof Kosovos habe einen Gemeindeverbund, der auf ethnischen Kriterien basiert, bereits als verfassungswidrig eingestuft. Dies könne, so Dzihic, einer der größten Streitpunkte für das neue Übereinkommen werden.

Kosovo kämpft um seine Anerkennung als Staat

Für Kosovo wiederum sei die fehlende Aussicht auf volle staatliche Anerkennung der Knackpunkt, so Südosteuropa-Experte Bieber. Die Regierung in Pristina wolle vor allem eine Mitgliedschaft in internationalen Organisationen erreichen. Die entscheidende Frage sei, ob das neue Abkommen diese Blockade überwinden könne.

Kosovo: Der Streit um die Nummernschilder 

Derzeit wird Kosovo von den EU-Staaten Spanien, Rumänien, Slowakei, Zypern und Griechenland nicht anerkannt. Die Grünen-Abgeordnete Viola von Cramon-Taubadel ist Mitglied der Serbien-Delegation des EU-Parlaments. Sie erwartet, dass das Abkommen diese EU-Mitgliedstaaten veranlassen werde, Kosovo anzuerkennen. Dann könne sich das europafreundliche Kosovo auf den formalen Weg zu einem EU-Beitritt begeben.

Ist der EU-Vorschlag bereits ein Erfolg?

"Selbst wenn die finale Unterschrift noch fehlt, ist das ein riesiger politischer Erfolg für die EU, aber auch für die gesamte Region", so Cramon zur DW.

Etwas skeptischer sehen das die Südosteuropa-Experten. "Bis nicht alles unter Dach und Fach ist, ist es kein politischer Erfolg". kommentiert Bieber. Und auch Dzihic sieht bislang nur einen "vorläufigen Schritt".

Im März sollen sich die beiden Regierungschefs erneut treffen, um die Umsetzung zu klären. Der EU-Außenbeauftragte Borrell ist zuversichtlich, dass bis zum nächsten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Ende März die Arbeit abgeschlossen sein wird.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel