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Literatur

Hillary Clinton legt Romandebüt vor

Manasi Gopalakrishnan
14. Oktober 2021

"State of Terror" heißt Hillary Clintons Romandebüt. Warum versuchen sich aktive und ehemalige Spitzenpolitiker so oft als Schriftsteller?

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Hillary Clinton (links) und Louise Penny im Splitscreen
Hillary Clinton (links) und Louise PennyBild: Evan Agostini/Invision/AP/Jean-Francois Bérubé/AP/picture alliance

Hillary Clinton, ehemalige US-Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin bei den US-Wahlen 2016, hat ihr neuestes Buch vorgestellt, einen Thriller. Verfasst hat sie "State of Terror" gemeinsam mit der kanadischen Krimiautorin Louise Penny.

Der Roman "State of Terror", der am 12. Oktober 2021 bei "HarperCollins" in deutscher Übersetzung erschienen ist, spielt in den heutigen USA und handelt von Ellen Adams, einer ehemaligen Medienmagnatin, die in das Kabinett des neuen Präsidenten Douglas Williams berufen wird. Als Außenministerin muss Adams mithilfe eines aus dem Libanon stammenden Mitarbeiters des Auswärtigen Dienstes und eines amerikanisch-pakistanischen Journalisten eine globale Terrorverschwörung aufdecken, an der Pakistan, Afghanistan und der Iran beteiligt sind.

Clinton: "Es war mir eine Herzensangelegenheit"

Bei der Ankündigung des Romans schrieb Clinton euphorisch auf Twitter: "Mein erster Ausflug in die Belletristik. Es war mir eine Herzensangelegenheit, das Buch mit meiner Freundin und Lieblingskrimiautorin Louise Penny zu verfassen, und ich kann es kaum erwarten, dass Sie es lesen."

Hillary Clinton hat zuvor bereits mehrere Sachbücher verfasst, darunter "Eine Welt für Kinder" (1996), "Gelebte Geschichte" (2003), "Entscheidungen" (2014) oder "What Happened": Letzteres erschien 2017 nach ihrer Wahlniederlage gegen Donald Trump. "State of Terror" ist ihr erster Roman. Auch ihr Mann, der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, avancierte zum Schriftsteller und stellt sich damit in eine Reihe weiterer hochrangiger Politiker, die im Laufe ihres Lebens Romane geschrieben haben. Was ist deren Motivation?

Etwas schaffen, das Bestand hat

Jacob Appel, New Yorker Autor, Literaturkritiker und Psychiater, der die psychische und physische Gesundheit US-amerikanischer Präsidenten untersucht, sagt, dass politische Führungsfiguren genau wie andere Schriftstellerinnen und Schriftsteller Bücher schreiben, weil sie der Nachwelt etwas hinterlassen wollen. "Politischer Ruhm und Reichtum sind oft vergänglich, daher kann ich mir denken, dass es reizvoll ist, ein Werk zu schaffen, das über eine Regierung oder ein Kabinett hinaus Bestand haben kann", sagt Appel. "Ehrlich gesagt machen sich Politiker oft mehr Gedanken über ihr öffentliches Vermächtnis als die meisten Menschen, daher kommt das Schreiben ihren psychologischen Bedürfnissen sehr entgegen."

Lange Tradition 

Die Tradition, dass Politiker Romane schreiben, gehe auf Ignatius Donnelly zurück, so der Literaturkritiker Colin Dickey im Magazin "Politico". Donnelly war in den 1880er-Jahren ein Kongressabgeordneter aus Minnesota, der mit seinem 1890 erschienenen dystopischen Science-Fiction-Roman "Caesar's Column" einen Bestseller landete.

Im Jahr 2003 veröffentlichte Jimmy Carter mit der Familiensaga "Das Hornissennest" als erster ehemaliger US-Präsident einen Roman. Ihm folgte Bill Clinton, der nach "The President is Missing" von 2018 im Sommer 2021 mit "Die Tochter des Präsidenten" bereits einen zweiten Thriller gemeinsam mit Krimiautor James Patterson herausbrachte. Zu den großen politischen Namen in der Belletristik gehört in diesem Jahr auch die Demokratin Stacey Abrams, deren Roman "While Justice Sleeps" im Mai 2021 erschienen ist.

Jacob Appel sitzt mit verschränkten Armen an einem Tisch, im Hintergrund ein Bücherregal.
Jacob Appel ist Professor für Psychiatrie in New YorkBild: Jacob Appel, New York, 2020

Auch in Deutschland schreiben Politikerinnen und Politiker gerne Bücher, bevorzugen aber Sachbücher. Eine Ausnahme bildet der derzeitige Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, der gemeinsam mit seiner Frau Andrea Paluch mehrere Romane verfasst hat, darunter "Hauke Haiens Tod" (2001) und "Zwei Wege in den Sommer" (2006).

Mächtige Politiker, schmächtige Romane

Doch während die Bücher von Bill Clinton und Stacey Abrams die Bestsellerlisten anführten, konnten andere, wie Jimmy Carters "Hornissennest", kaum Leserinnen und Leser für sich gewinnen. "Leider gehen Politikerinnen und Politiker oft davon aus, dass sie, weil sie in öffentlichen Reden rhetorisch stark sind oder ein Land gut führen können, auch erfolgreich darin sind, eine fesselnde Geschichte zu erzählen", meint Jacob Appel.

"Soweit ich weiß, drängte Churchill potenzielle Leserinnen und Leser, seinen einzigen Roman zu meiden", sagt Appel mit Blick auf den ehemaligen britischen Premierminister und Nobelpreisträger Winston Churchill, der den Literaturnobelpreis für seine biografischen und historischen Werke erhielt.

Warum gerade Belletristik?

Schreiben Politikerinnen und Politiker fiktionale Texte, weil sie mit ihrer Fantasie spielen und mehr Kontrolle über die Erzählung ausüben können als im wirklichen Leben? Jacob Appel verneint. "Sie glauben das vielleicht selbst, aber ich bezweifle es. Ich denke aber, dass Leser und Kritiker durch die Werke von Politikern oft etwas über deren psychologische Verfassung erfahren können."

Der Literaturkritiker Colin Dickey argumentiert ähnlich. "Die Art und Weise, wie ein Politiker sein fiktionales Universum strukturiert, verrät viel über seine Weltanschauung." Viele neuere Romane von Politikerinnen und Politikern ließen sich aber  letztlich auf eine einfache Formel reduzieren: die Darstellung von Gut gegen Böse.

Übersetzt aus dem Englischen von Sven Töniges.