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HIV in Kamerun: Leben mit dem Virus

Killian Chimtom
1. Dezember 2022

An HIV hängt in Kamerun nach wie vor ein großes Stigma - häufig wird nicht offen darüber gesprochen. Zum Welt-AIDS-Tag beleuchten wir, wie junge Kameruner damit umgehen.

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Winkende Menschen stehen am Tag der Papstankunft auf einer Straße in Kamerun neben einem großen Schild mit der Aufschrift "AIDS"
Allgegenwärtig: Die Warnung vor der Geißel AIDSBild: CHRISTOPHE SIMON/AFP/Getty Images

Fabiola Yerimah erfuhr eher zufällig, dass jemand in ihrem Haushalt HIV-positiv ist, nämlich ihr zwei Jahre alter Cousin. "Als ich meine Mutter fragte, was er hat, sagte sie, 'eine Pilzinfektion'", sagte die 22-Jährige der DW. "Als ich dann selbst HIV-positiv getestet wurde, fragten sie sofort, ob es andere Fälle in meinem Haushalt gebe. Ich sagte nein, nur mein kleiner Cousin nimmt dauerhaft Medikamente, aber wegen eines Pilzes." Erst als die Sanitäter seine Medikamente in Augenschein nahmen, dämmerte es Yerimah: Ihr Cousin hat HIV.

In Kamerun leben laut Angaben des UNAIDS-Programms der Vereinten Nationen rund 500.000 Kinder und Erwachsene mit dem HI-Virus.

Akzeptanz als erster Schritt

In der ersten Zeit nach der Diagnose habe sie im Gebet um Heilung ersucht, sagt Yerimah. Als das nicht half, dachte sie an Suizid. Aber als sie schließlich realisierte, dass das Virus gekommen war, um zu bleiben, arrangierte sie sich damit. "Mir geht es gut, ich bin im Reinen mit meinem Status und habe akzeptiert, wer ich bin", sagt Yerimah heute.

Mithilfe antiretroviraler (ARV) Medikamente unterdrückt sie das Virus. "Ich weiß: Wenn das Virus sich in deinem System einnistet, zerstört es dein Immunsystem. Wenn du es nicht unterdrückst, kannst du andere infizieren." Bei korrekter Einnahme reduzieren die Tabletten die Viruslast im Blut des Patienten auf ein niedriges Niveau. Dadurch bleibt das Immunsystem leistungsfähig und ein Ausbruch von AIDS wird meist verhindert.

In einer Metallwanne liegen Tabletten; Hände sortieren sie in kleinere Beutel ein
Antiretrovirale Medikamente helfen HIV-positiven Menschen dabei, ein normales Leben zu führenBild: BARBARA DEBOUT/AFP/Getty Images

Häufig ist sechs Monate nach Therapiebeginn die Viruslast so niedrig, dass HIV gar nicht mehr nachweisbar ist. In diesem Zustand können die Patienten HIV nicht an ihre Sexualpartner weitergeben, heißt es auf den HIV-Informationsseiten der US-Regierung.

Kultur des Schweigens

Auch Briand Tubuoh kann über Frustration und Widerstandskraft im Zusammenhang mit HIV berichten: Als einmal seine Mutter schwer krank war, wurde er selbst positiv getestet. "Ich zeigte ihr das Ergebnis und sagte, dass ich zur Bestätigung ins Krankenhaus kommen sollte", sagt der heute 22-Jährige im Gespräch mit der DW. "Sie sagte, wir könnten zusammen hingehen, sobald sie sich besser fühlt. Aber dann ist sie gestorben."

Im Krankenhaus wurde Tubuohs Diagnose später bestätigt. In den nächsten Monaten habe er niemandem von seinem positiven Testergebnis erzählt. Als er sich endlich dazu durchrang, seiner Familie und seinen Freunden von seinem HIV-Status zu erzählen, erntete er niederschmetternde Reaktionen: "Sie wiesen mich ab - und es gab Zeiten, in denen ich mir gewünscht hätte, dass Gott einfach mein Leben beendet. Warum sollte ich in diesem Zustand leben? Habe ich eine Zukunft?"

Im Hinterzimmer eines Kinos in Yaoundé werden Kondome ausgegeben
Im Verborgenen: im Hinterzimmer eines Kinos in Yaoundé werden Kondome ausgegebenBild: AFP/Getty Images

Doch diese Fragen verhalfen ihm letztlich zu neuer Hoffnung, dank der Hilfe der Ärztinnen und Pfleger seines Krankenhauses. "Sie gaben mir ARV-Medikamente, berieten mich, und ich verstand, dass ich nicht anders war als die anderen. Heute akzeptiere ich meinen Status und nehme meine ARVs", sagt Tubuoh stolz.

Bedenken beim Kinderwunsch

Genau wie Tausende anderer junger Menschen, die mit HIV leben, tragen Tubuoh und Yerimah eine Sorge mit sich: Wenn sie eines Tages Familien gründen, werden sie das HI-Virus an ihre Kinder weitergeben?

Die Silhouette einer schwangeren Frau vor einem Vorhang
Schwanger und HIV-positiv? Die Medizin kann das Risiko einer Weitergabe des Virus an das Baby reduzierenBild: Xinhua/IMAGO

Eine berechtigte Sorge, findet auch Gilbert Tene, Kinderarzt bei der Gesundheitsbehörde CDC in Kameruns Hauptstadt Yaoundé. Er arbeitet schwerpunktmäßig zum Thema HIV-Übertragung von der Mutter zum Kind. "HIV hindert niemanden daran, ein Kind zur Welt zu bringen. Doch das Risiko, dass das Kind positiv zur Welt kommt, besteht", sagt Tene zur DW.

Deshalb rät er HIV-positiven Frauen und Männern mit Kinderwunsch, erst dann ein Kind zu zeugen, wenn die Viruslast unter der Nachweisschwelle liegt. Das lässt sich mit speziellen Viruslast-Tests überprüfen. Bei geringen Virusmengen schlägt er nicht an, während ein Standard-HIV-Test immer noch positiv wäre. In so einem Fall wäre die Gefahr einer Übertragung auf ein ungeborenes Kind nicht gänzlich gebannt, aber deutlich reduziert.

Junge Menschen mit HIV

In Kamerun sinkt die Zahl der HIV-positiven Kinder nach Angaben von Gilbert Tene deutlich. Von 2009 auf 2015 habe sich die Zahl halbiert, aktuell seien um die 33.000 Personen unter 14 Jahren betroffen. Tene gibt sich besorgt, dass von ihnen nur etwa jeder Zweite die lebensrettende ARV-Medikamente nimmt.

HIV AIDS in Afrika | Kamerun Yaounde
Warten auf Medikamente: in diesem Zentrum für LGBTI-Menschen in Yaoundé muss man Geduld mitbringen, wenn man ARV-Tabletten willBild: AFP

Diese Lücke ist auch dem in Subsahara-Afrika tätigen Gesundheitsnetzwerk PATA (Kinder- und Heranwachsenden-Behandlung in Afrika) bekannt: Das Netzwerk arbeitet daran, sie zu schließen. Ein Mittel dazu sei, schwangere Teenagerinnen und Frauen mit HIV unbedingt mit ARV-Medikamenten auszustatten. Dazu müssten auch soziale und strukturelle Barrieren fallen, die dem Zugang zu solchen Leistungen im Wege stehen.

Dafür setzen sich auch Fabiola Yerimah und Briand Tubuoh ein. Sie verschaffen sich in Kamerun Gehör, um zur Umsetzung eines großen Ziels der UN beizutragen: die HIV- und AIDS-Epidemie bis 2030 zu beenden.

Adaptiert aus dem Englischen von David Ehl.