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KonflikteIsrael

Israels schwieriges Verhältnis zu seinen arabischen Nachbarn

Monir Ghaedi
21. Oktober 2023

Wie reagieren Israels arabische Nachbarn auf die Terror-Angriffe der militanten Hamas auf Israel und den Krieg in Gaza?

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Porträtaufnahme des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Er sitzt mit gefalteten Händen auf dem Stuhl.
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi will keine Flüchtlinge aus Gaza aufnehmenBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Seit seiner Staatsgründung ist das Verhältnis Israels mit seinen arabischen Nachbarn konfliktbeladen. Nach einer tödlichen Explosion im überfüllten Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza-Stadt, bei der am Dienstag zahlreiche Menschen ums Leben kamen, beschuldigten die meisten arabischen Staaten in der Region Israel, dafür verantwortlich zu sein. Israel spricht dagegen vom Einschlag einer fehlgeleiteten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. 

Nach dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas am 7. Oktober, machten die meisten arabischen Staaten - auch solche, die über Jahrzehnte einen Dialog mit der israelischen Regierung geführt und die Zusammenarbeit aufrechterhalten hatten - Israel für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Sie verwiesen dabei insbesondere auf den anhaltenden Siedlungsbau Israels im besetzten Westjordanland sowie das Vorgehen in Bezug auf den Gazastreifen.

Wie verhalten sich die unmittelbar an Israel angrenzenden arabischen Länder angesichts des aktuellen Konflikts?

Ägypten

Am 15. Oktober kritisierte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Reaktion der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) auf die Angriffe der Hamas. Diese gingen "über das Recht auf Selbstverteidigung hinaus" und kämen einer kollektiven Bestrafung gleich.

Ägypten pflegt eine jahrzehntelange Partnerschaft mit Israel, seit sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern im Zuge des Camp-David-Abkommens von 1978 und des anschließenden ägyptisch-israelischen Friedensvertrags von 1979 normalisiert haben.

Der Friedensvertrag hat schon mehrere Krisen überstanden, darunter den israelischen Einmarsch im Libanon im Jahr 1982, die erste und zweite Intifada, Israels erneute Besetzung der unter der palästinensischen Autonomieverwaltung stehenden Städte des Westjordanlands im Jahr 2002 (Operation Schutzschild) und zahlreiche Konflikte zwischen Israel und der Hamas. Während eines dieser Konflikte, dem Gaza-Konflikt von 2014, plädierte Ägypten sogar für ein energischeres Vorgehen Israels. Doch Israel zögerte, da es befürchtete, dies könnte in der Region zu Chaos und einem Machtvakuum führen.

Trotz ihrer engen Beziehungen zum Iran unterhält die Hamas, die von den USA, der EU und mehreren anderen Ländern als terroristische Organisation eingestuft wird, auch komplexe Beziehungen zur Muslimbruderschaft, einer islamistischen Bewegung in Ägypten. Die Regierung in Kairo fürchtet die Folgen, die diese Beziehungen auf den religiösen Extremismus und die Sicherheit im eigenen Land haben könnten. Gleichzeitig ermöglichen sie es den ägyptischen Nachrichtendiensten aber auch, über geheime Kanäle zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln.

Blick auf den ägyptischen Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen
Am Donnerstag verständigten sich Israel und Ägypten darauf, den Grenzübergang Rafah für humanitäre Hilfslieferungen zu öffnenBild: REUTERS

Im aktuellen Israel-Hamas-Konflikt ist Ägypten Vertretern zufolge bereit, humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen. Es will jedoch nicht zulassen, dass Bewohner des Gazastreifens die Grenze zur Sinai-Halbinsel überqueren. Al-Sisi betonte in einer Pressekonferenz am Mittwoch, Millionen von Ägyptern seien vehement gegen die Zwangsumsiedlung von Palästinensern in den Sinai, da dies die ägyptische Halbinsel zu einer Basis für Angriffe gegen Israel machen könne. Dieser Widerstand gegen die Aufnahme von palästinensischen Flüchtlingen wird auch mit der desolaten wirtschaftlichen Lage in Ägypten sowie der anhaltenden Zahl von Menschen, die vor dem Bürgerkrieg im Sudan fliehen, in Verbindung gebracht.

Jordanien

Jordanien und Israel befanden sich offiziell jahrzehntelang im Krieg. Sie hielten während dieser Zeit jedoch durchgehend Kontakte aufrecht, die schließlich 1994 zum Abschluss eines Friedensvertrags führten.

Bei mehreren Anlässen stand Jordanien Israel unterstützend zur Seite, so zum Beispiel während der Unruhen in Jerusalem im November 2014, bei denen es um den Zugang zum Tempelberg und zur Al-Aqsa-Moschee ging. Damals arbeiteten jordanische Beamte mit der IDF zusammen, um die Sicherheit an den heiligen Stätten zu gewährleisten. Israel wiederum kooperiert mit Jordanien bei verschiedenen Projekten in den Bereichen Handel, Landwirtschaft, Industrie und öffentliche Gesundheit.

Zivilisten sollen Gaza-Stadt verlassen

Trotzdem kommt es immer wieder zu Spannungen. Am 11. Oktober unterstrich König Abdullah von Jordanien in einer Rede die zentrale Rolle einer Zwei-Staaten-Lösung: "Unsere Region wird erst sicher und stabil sein, wenn wir einen gerechten und umfassenden Frieden auf Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung erreicht haben."

Auch Jordanien ist sehr zurückhaltend, wenn es um die Aufnahme neuer palästinensischer Flüchtlinge geht, und beharrt darauf, dass die Palästinenser in ihrer Heimat bleiben müssen, wenn sie einen eigenen Staat gründen wollen. Das Land mit seinen 11,6 Millionen Einwohnern bietet bereits mehreren Millionen Migranten aus den palästinensischen Gebieten, Syrien und dem Irak Zuflucht und gehört somit zu den Ländern mit dem höchsten Flüchtlingsanteil.

Libanon

Im Libanon stellt die schiitische politische Organisation Hisbollah eine erhebliche Bedrohung für Israel dar. Der militärische Flügel der Organisation, der ebenfalls von den USA, der EU und anderen Staaten als terroristisch eingestuft wird, verfügt über ein beachtliches Waffenarsenal und hat innerhalb des Libanons beträchtlichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Während der vergangenen Jahrzehnte kam es zwischen Israel und der Hisbollah immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die Spannungen zwischen Israel und dem Libanon gehen bis ins Jahr 1948 zurück, als Libanon zusammen mit anderen arabischen Staaten dem jungen jüdischen Staat kurz nach der Staatsgründung den Krieg erklärte. Seitdem leben im Libanon viele palästinensische Flüchtlinge.

Israel hat wiederholt Teile des Südlibanon besetzt. Nach umfangreichen Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen zog sich Israel im Jahr 2000 aus den besetzten libanesischen Gebieten zurück. Die Grenze zwischen beiden Ländern bleibt jedoch umstritten und es kommt immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen.

Nach dem unerwarteten Angriff der Hamas auf Israel erklärte die Hisbollah ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Immer wieder kam es in den vergangenen Tagen zu Gefechten im Grenzgebiet. 

Syrien

Syrien betrachtet  - wie der Libanon - Israel offiziell als Gegner. Seit der Gründung des Staates Israels im Jahr 1948 befinden sich Syrien und Israel im Kriegszustand. Während des Sechstagekriegs im Jahr 1967 eroberte Israel die Golanhöhen, einen hügeligen Landstrich, der seitdem von Israel besetzt ist. Syrien unterhält zudem ein Bündnis mit dem Iran.

Auf Friedensbemühungen des syrischen Machthabers  Baschar al-Assad hin erklärte sich Israel 2007 zu einem Gebietsaustausch bereit. Es stellte jedoch die Bedingung, dass Syrien seine Beziehungen zum Iran und zu israelfeindlichen Guerillagruppen abbrechen müsse. Das lehnte Syrien ab.

Wann kommt Hilfe für Zivilisten im Gazastreifen?

In den vergangenen zwei Wochen kam es auch zwischen Israel und Syrien zu Schusswechseln. Über die Jahre wurden immer wieder von Syrien aus Raketen auf Israel abgefeuert, meist wenn es innerhalb Israels zu Unruhen gekommen war. Diese landeten jedoch überwiegend auf offenem Gelände.

Seit in Syrien 2011 der Krieg begann, hat Israel verschiedentlich Luftangriffe auf Syrien geflogen. Diese zielten hauptsächlich darauf ab, Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden und Einrichtungen Irans und seiner Stellvertreter in Syrien zu treffen. Vergangene Woche griff Israel die beiden wichtigsten syrischen Flughäfen in Syrien mit Raketen an und legte so die Flughäfen in der syrischen Hauptstadt Damaskus und in Aleppo lahm.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.