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PolitikJapan

Japan und Nordkorea loten Chancen für Gespräche aus

Julian Ryall
29. Februar 2024

Japan will die Rückgabe seiner von Nordkorea entführten Staatsangehörigen, Pjöngjang strebt eine Lockerung der Sanktionen an. Um ins Gespräch zu kommen, sind aber noch große Hürden zu überwinden.

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Kim Jong Un
Gespräche mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un (im Bild)? Japan streckt die Fühler aus.Bild: Uncredited/KCNA/KNS/dpa/picture alliance

Langsam und Schritt für Schritt: Japan und Nordkorea nähern sich vorsichtig einem Treffen ihrer beiden Staatschefs, Kim Jong Un und der japanische Premierminister Fumio Kishida an. Damit wäre ein Durchbruch möglich in einer Beziehung, die seit Jahrzehnten frostig ist.

Kishida sagte Anfang des Monats vor dem japanischen Parlament, er wünsche sich ein Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim. Ein Treffen zwischen den Führern beider Länder wäre das erste, seit der ehemalige japanische Premierminister Junichiro Koizumi im Mai 2004 nach Pjöngjang reiste. Damals konnte er Kim Jong Il, den Vater des derzeitigen nordkoreanischen Führers, davon überzeugen, fünf japanische Staatsbürger freizulassen, die von nordkoreanischen Agenten entführt worden waren.

Fast 20 Jahre später hoffen Kim Jong Un und Kishida, sich gegenseitig Zugeständnisse abzuringen, um ihre eigenen politischen Positionen zu stärken. Analysten warnen aber davor, dass noch viele Hürden genommen werden müssen, bevor sich die beiden Männer von Angesicht zu Angesicht treffen können.

Kishida hofft, Fortschritte im Zusammenhang mit dem Schicksal weiterer japanischer Staatsbürger zu erzielen, die in den 1970er und 1980er Jahren vom Norden entführt wurden. Laut Angaben von Aktivisten in Japan soll deren Zahl weit über hundert liegen.

Japan Premierminister Fumio Kishida
Will direkten Kontakt zu Nordkorea, Japans Premier Fumio KishidaBild: Kyodo News/AP/picture alliance

Das Kalkül von Kishida scheint dabei zu sein, dass ihn die Rückkehr einiger Entführten in den Meinungsumfragen stärken könnten. Im nächsten Jahr stehen Parlamentswahlen an. Die Umfragewerte von Kishida sind im Keller. 

Direkte bilaterale Kommunikation

Ein solches Treffen könnte auch eine direkte Kommunikation zwischen Tokio und Pjöngjang einleiten und Japan und seinen Verbündeten möglicherweise einen besseren Einblick in das Raketen- und Atomwaffenprogramm geben.

"Dies wäre eine Gelegenheit für Kishida, sich als nationalen Regierungschef auf der Weltbühne ins Rampenlicht zu rücken und diplomatische Pluspunkte für Japan zu erzielen, anstatt ständig wegen der Finanzskandale seiner Partei kritisiert zu werden", meint Robert Dujarric, Co-Direktor des Instituts für zeitgenössische Asienstudien der Temple University.

"Realistisch gesehen" dürften einige der Entführten bereits verstorben sein. "Und Kishida mag hassen, was Nordkorea diesen Menschen angetan hat, aber es könnte von Nutzen sein, diesen direkten Draht zu Kim zu haben", sagt Dujarric im Gespräch mit der DW.

Kishidas Bemühungen, Kim direkt einzubinden, erhielten bereits die Unterstützung von Familien der Vermissten. Auf einem Treffen am vergangenen Sonntag verabschiedete eine Vereinigung von Angehörigen in Tokio eine Resolution, die Aufhebung der japanischen Sanktionen gegen Nordkorea zu unterstützen, wenn die Entführten nach Japan zurückkehren dürften.

Kims Plan

Kims Bewegründe für ein Treffen seien allerdings vollkommen anderer Natur, sagt Toshimitsu Shigemura, Professor für internationale Beziehungen an der Waseda-Universität in Tokio, der sich auf Nordkorea spezialisiert hat. Der Machthaber in Pjöngjang "hofft sehr, dass Donald Trump die US-Wahlen im November gewinnt und dass er einige der Sanktionen gegen sie aufheben wird. Aber vorher wollen sie zeigen, dass sie in der Lage sind, mit Japan zu verhandeln und eine Beziehung zu einem Land aufzubauen, von dem sie immer gesagt haben, dass es dem Norden feindlich gesinnt ist."

"Wenn sie eine neue Beziehung zu Japan aufbauen können, könnte das bedeuten, dass Kishida einige der japanischen Sanktionen gegen Pjöngjang aufheben wird", sagte Shigemura. Die wohl einfachste Einschränkung, die man abschaffen könnte, wäre die Zulassung einer Fährverbindung zwischen Wonsan an der Ostküste Nordkoreas und der nordjapanischen Stadt Niigata.

Dujarric glaubt, es gebe ein finstereres Motiv hinter der Offenheit des Nordens für die Idee, dass Kishida nach Pjöngjang reist. Kim könnten versuchen, einen Keil zwischen Japan, Südkorea und die USA zu treiben, die sich erst im vergangenen Jahr zu einer noch stärkeren Sicherheitszusammenarbeit verpflichtet haben. Die drei Länder wollen damit Herausforderungen begegnen, die sich in Nordostasien abzeichnen.

"Es ist immer möglich, dass Südkorea die Idee nicht mag, dass der japanische Premierminister mit dem Norden spricht", sagte er. Um Misstrauen in Seoul zu vermeiden, sollte Kishida sehr bald nach einem Besuch in Pjöngjang mit Präsident Yoon Suk-yeol zusammentreffen, um dem südkoreanischen Staatschef das Engagement Japans für die Drei-Wege-Partnerschaft und die Sicherheit des Südens zu versichern.

Nord- und Südkorea – siebzig Jahre im Kalten Krieg

Die USA hingegen haben bereits erklärt, dass sie einen Dialog zwischen Japan und Nordkorea "begrüßen" würden und dass Washington seine eigenen Bemühungen um eine Kommunikation mit Pjöngjang fortsetzen werde, auch wenn solche Initiativen vom Norden entschieden zurückgewiesen werden.

Unterstützung von Kims Schwester

Kim Yo Jong, die Schwester des nordkoreanischen Führers, gab jüngst zu verstehen, dass die Regierung in Pjöngjang offen für die Idee von Gesprächen zur Verbesserung der Beziehungen zu Japan wäre. 

Shigemura glaubt, dass die strittigen Themen nicht völlig undiskutabel seien, da "Hindernisse aus dem Weg geräumt werden können", aber es wird einige diplomatische Manöver von Kishida erfordern, um Fortschritte bei den Themen zu erzielen, die für Japan am wichtigsten sind.

Und obwohl Japan und Nordkorea derzeit sehr interessiert an diesem Treffen zu sein scheinen, ist Dujarric nicht optimistisch, dass persönliche Gespräche zu einem Durchbruch führen werden.

Es gebe nicht genug Vertrauen und zu viele widersprüchliche Anforderungen für ein Abkommen. Und er fügte hinzu: "Ich bezweifle, dass irgendetwas passieren wird."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand