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Glaube

Kardinal Marx will im Amt bleiben

27. Januar 2022

Der Münchner Erzbischof räumt auch eigenes Versagen ein und schließt einen späteren Rücktritt nicht aus. Der oberste Kirchenrichter der Diözese, Prälat Wolf, lässt dagegen alle seine Ämter ruhen.

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Kardinal Reinhard Marx bei der Pressekonferenz zum Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising
Kardinal Reinhard Marx bei der Pressekonferenz zum Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und FreisingBild: Sven Hoppe/dpa Pool/picture alliance

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx will zumindest vorerst im Amt bleiben. "Ich klebe nicht an meinem Amt", betonte er allerdings bei einer Pressekonferenz in der bayerischen Landeshauptstadt: "Das Angebot des Amtsverzichts im letzten Jahr war sehr ernst gemeint. Papst Franziskus hat anders entschieden und mich aufgefordert, meinen Dienst verantwortlich weiterzuführen."

Als Erzbischof trage er Verantwortung für das Handeln des Erzbistums, auch für das Versagen beim Umgang mit Missbrauch, ergänzte Marx in seiner Reaktion auf das Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW). Falls er oder andere den Eindruck gewinnen sollten, er wäre bei der Aufarbeitung "eher Hindernis als Hilfe", werde er das Gespräch mit den entsprechenden Beratungsgremien suchen und sich kritisch hinterfragen lassen, kündigte der Erzbischof an.

"Missbrauch und Gewalt Teil der Geschichte des Erzbistums"

Marx bezeichnete das vergangene Woche veröffentlichte Gutachten als tiefen Einschnitt für die Kirche. "Missbrauch und Gewalt sind eine dunkle Seite und werden als Teil der Geschichte des Erzbistums sichtbar sein." Er kündigte an, enger mit dem Betroffenenbeirat der Diözese und der  Unabhängigen Aufarbeitungskommission zusammenzuarbeiten.

Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte Missbrauchsfälle im Erzbistum München und Freising zwischen 1945 und 2019 untersucht. Die Gutachter fanden Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt, sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester. Zudem werfen sie dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Fehler im Umgang mit Missbrauchs-Tätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vor. Auch Marx wiesen sie Fehlverhalten in zwei Missbrauchsfällen nach. Er soll in seiner Amtszeit pflichtwidrig Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben. 

"Kein wirkliches Interesse am Leiden der Betroffenen"

Marx betonte mehrfach, er habe auch selbst Fehler gemacht. Die größte Schuld sei gewesen, die Betroffenen übersehen zu haben. "Das ist unverzeihlich. Es gab bei uns kein wirkliches Interesse an ihrem Leiden. Das hat nach meiner Auffassung auch systemische Gründe, und zugleich trage ich dafür als amtierender Erzbischof moralische Verantwortung."

Zugleich wies der Kardinal Vorwürfe zurück, er habe das Thema zu sehr delegiert: "Der Umgang mit Missbrauch in der Kirche war und ist für mich Chefsache und steht nicht im Gegensatz zum Verkündigungsauftrag. Ich war und bin nicht gleichgültig. Hätte ich noch mehr und engagierter handeln können? Sicher ja!"

Marx bat erneut "persönlich und auch im Namen des Erzbistums" die Betroffenen um Entschuldigung. Eine weitere solche Bitte richtete er an die Gläubigen, "die an der Kirche zweifeln, die den Verantwortlichen nicht mehr vertrauen können und in ihrem Glauben Schaden genommen haben. Auch die Pfarrgemeinden, in denen Täter eingesetzt wurden, haben wir zu lange nicht ausreichend im Blick gehabt und sie einbezogen."

Laut dem Missbrauchsgutachten gibt es in in zwölf von 104 Fällen Anlass zu Kritik am Handeln von Offizial Lorenz Wolf
Laut dem Missbrauchsgutachten gibt es in in zwölf von 104 Fällen Anlass zu Kritik am Handeln von Offizial Lorenz WolfBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Der Münchner oberste Kirchenrichter Lorenz Wolf (66) teilte unterdessen mit, er lasse alle seine Ämter und Aufgaben ruhen. Marx sagte dazu: "Damit bin ich einverstanden. Er will zu gegebener Zeit Stellung nehmen."

Einer der einflussreichsten Kirchenmänner in Bayern 

Wolf zählt zu den einflussreichsten Kirchenmännern in Bayern. Er ist neben seinen Funktionen im Erzbistum München und Freising als Leiter des Katholischen Büros die Schnittstelle der Kirche zur Politik in Bayern. Außerdem sitzt er seit 2014 dem Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) vor. Aus diesem Gremium waren in den vergangenen Tagen Rücktrittsforderungen laut geworden. Als Offizial ist der Kirchenrechtler seit 1997 für die kirchliche Gerichtsbarkeit im Erzbistum verantwortlich. Oft war er als zweite Instanz im Auftrag der römischen Kurie mit Missbrauchsfällen befasst.

Im Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) heißt es über Wolf, sein Handeln in zwölf von 104 Fällen gebe "Anlass zu Kritik". Der Offizial verzichtete auf Stellungnahmen zu den einzelnen Fällen, engagierte aber Rechtsbeistände, die die Legitimität der Untersuchung bezweifeln. Die Hauptkritik der Gutachter lautet, Wolf habe im Umgang mit Missbrauchsfällen die Interessen der Beschuldigten vor die der mutmaßlichen Opfer gestellt.

sti/pg (dpa, kna, epd)