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Bloß keine Wellen schlagen

Georg Matthes Kommentarbild App PROVISORISCH
Georg Matthes
25. Mai 2016

Die jüngste Finanzspritze hält die Griechen nicht nur über Wasser. Sie hält vor allem der EU eine erneute Grexit-Debatte vom Hals. Das war den Finanzministern die Brüsseler Nachtschicht allemal wert, meint Georg Matthes.

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Küste von Mykonos (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Valletta

Der Wind steht günstig für Hellas nach fast 12 Stunden Verhandlungen. Die Finanzhilfen aus Brüssel heben den griechischen Katamaran einmal mehr aus dem Wasser. Sogar die langersehnte Reduzierung der Schulden zeichnet sich am Horizont ab. Und Bootsflüchtlinge hin oder her: Die Tourismusbranche im Land steuert auf einen neuen Rekordsommer zu.

Aber Griechenland segelt nicht trotz, sondern gerade wegen der vielen Krisen in Europa so hart am Wind. Touristisch profitiert das Land, so wie Portugal und Spanien, maßgeblich vom Terror in der Türkei, in Ägypten und in Tunesien.

Georg Matthes (Foto: DW)
DW-Brüssel-Korrespondent Georg Matthes

Keine Meuterei an Deck

Innenpolitisch spielen die Krisen vor allem Regierungschef Alexis Tsipras in die Hände. Die Mannschaft im Bauch des griechischen Seglers ist müde, auch wenn die jüngst beschlossenen Sparmaßnahmen hauptsächlich die einfachen Menschen im Land treffen. Ab 1. Juni steigt die Mehrwertsteuer für viele Lebensmittel und Getränke. Benzin, Diesel und Heizöl werden ebenso teurer wie Strom, Zigaretten und Alkohol. Doch kein Grieche möchte ernsthaft eine Meuterei auf einem Schiff riskieren, das sich gerade so über Wasser hält. Von der Idee eines Neuanfangs mit dem Außenseiter Tsipras, der die Troika verjagt und die Macht der Oligarchen im Land bricht, haben sich ohnehin die meisten verabschiedet.

Warme Finanzbrise aus Brüssel

Es herrscht eine Flaute, in die jetzt die warme Finanzbrise aus Brüssel bläst. Alle Minister lobten auf diesem zweiten Treffen innerhalb von zwei Wochen die Spar- und Reformbereitschaft Athens. Sogar von neu gewonnenem Vertrauen war bei diesem Durchbruch die Rede. Dabei steht außer Frage, dass die Reformen schon längst hätten umgesetzt werden sollen. Die Griechen hängen ein gutes halbes Jahr hinter dem verabredeten Zeitplan und wichtige Reformen - wie die Modernisierung der Steuerverwaltung - stehen noch immer aus.

Nein, nicht der Spareifer wurde hier in erster Linie belohnt, sondern die Europäer wollen mitten in der Brexit-Debatte um keinen Preis auch noch eine wiederaufgewärmte Grexit-Debatte. In einem Meer von Krisen - Ukrainekrise, Terrorkrise, Flüchtlingskrise - hält sich die EU derzeit alle Probleme vom Hals. So wie im Fall der Finanzsünder Portugal und Spanien, die klar gegen den Stabilitätspakt verstoßen und statt hoher Bußgelder einfach eine neue Frist bekommen haben. Im krisengeschüttelten Europa ist die Einhaltung der Regeln einmal mehr in den Hintergrund gerückt. Noch mehr als sonst.

In den Sonnenaufgang segeln

Dass das Treffen in Brüssel dennoch so lange dauerte, lag nicht an den Europäern, sondern am Internationalen Währungsfonds. Der hatte ursprünglich eine sofortige Schuldenerleichterung ohne neue Sparmaßnahmen gefordert und hätte damit hohe Wellen schlagen können. Stattdessen bekam der IWF jetzt ein kompliziertes Dreistufenpaket vorgelegt. Nach einer langen Nacht gaben sich die Vertreter des internationalen Geldgebers damit nun zufrieden. Sie kommen bis Ende des Jahres wieder an Bord, natürlich erst nach einer Prüfung, ob die Griechen auch genug Schulden über Bord gehen lassen dürfen. Ein Schuldenschnitt, ein "Haircut" - der von Deutschland strikt abgelehnt wurde - ist damit vom Tisch, aber die Eurogruppe ist bereit, den Griechen die Spitzen schneiden zu lassen. Ein Kompromiss, den die Finanzexperten in komplizierten Zinsverträgen und längeren Laufzeiten für Kredite verstecken. Damit wird der IWF leben und Wolfgang Schäuble in den Sonnenaufgang nach Berlin segeln können.

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