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Kroatien beschließt umstrittenes Gesetz gegen Whistleblower

14. März 2024

Nach der Neuregelung kann die Weitergabe geheimer Informationen an Journalisten künftig mit Gefängnis bestraft werden. Europarat und die Opposition sehen die unabhängige Berichterstattung in Kroatien in Gefahr.

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Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic
Andrej Plenkovic hat sich mit Nachdruck für das neue Gesetz stark gemacht Bild: Alex Nicodim/IMAGO

Im Volksmund heißt das umstrittene Gesetz in Kroatien nur "Lex AP" (Gesetz AP), nach den Anfangsbuchstaben des bürgerlichen Ministerpräsidenten Andrej Plenkovic. Seine Regierung hatte die Neuregelung vorangetrieben. Das Gesetz sieht vor, dass diejenigen, die vertrauliche Informationen aus Ermittlungsakten der Justiz weitergeben, mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden können. Das Parlament in Zagreb hat die Änderung im Strafgesetz des Landes nun beschlossen, wie kroatische Medien berichten.

Nach monatelangen Protesten von Journalistenverbänden und Anhängern der Opposition ist aus dem ursprünglichen Gesetzestext der Passus gestrichen worden, dem zufolge auch Reporter für die Veröffentlichung dieser Informationen hätten bestraft werden können. Ihre Arbeit werde dennoch jetzt behindert, dadurch dass Whistleblowern Strafe droht, bemängeln Kritiker. Der Präsident des kroatischen Journalistenverbandes HND, Hrvoje Zovko, sprach bei einer Kundgebung Ende Januar in Zagreb von einem "Angriff des Staates auf das öffentliche Interesse".

Schild mit dem Namen Europarat - auf Englisch und Französisch - vor dem Eingang des Gebäudes
Der Europarat in Straßburg sieht die Pressefreiheit in Kroatien in Gefahr Bild: uncil Daniel Kalker/picture alliance

Auch der Europarat im französischen Straßburg hatte das Vorhaben der kroatischen Regierung scharf kritisiert. Er sehe die Gefahr, dass mit dem Gesetz ein neues Zeitalter der staatlichen Kontrolle der Medien eingeleitet werde - was nicht im Einklang mit europäischen Standards stehe, heißt es in einem Bericht. Dem Europarat gehören 46 Staaten an. Er wurde 1949 als erste große europäische Nachkriegsorganisation gegründet und setzt sich hauptsächlich für den Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ein.

Kroatiens Regierungschef, der auch Parteivorsitzender der HDZ (Kroatischen Demokratischen Union) ist, argumentierte mehrfach, Ziel sei es, die Verbreitung von Informationen während der Beweisaufnahme zu verhindern, um so das Prinzip der Unschuldsvermutung zu schützen. Dessen ungeachtet wirft die Opposition Plenkovic vor, mit der von ihm durchgesetzten Neuregelung einer Vertuschung korrupter Machenschaften seiner Parteifreunde Vorschub zu leisten.

Plenkovic setzt auch umstrittenen Generalstaatsanwalt durch

Anfang Februar hatte das Parlament auf das Betreiben von Plenkovic hin den umstrittenen Juristen Ivan Turudic zum neuen Generalstaatsanwalt gewählt. Turudic, bis dahin Richter am obersten Strafgerichtshof, wird vorgeworfen, freundschaftliche Kontakte zu Personen unterhalten zu haben, die der Korruption verdächtigt werden. Entsprechende Informationen aus Ermittlungsakten waren an die Öffentlichkeit gelangt. 

Regierungschef Plenkovic hat zudem mehrfach deutlich gemacht, dass er mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) nicht uneingeschränkt zusammenarbeiten wird. EPPO ermittelt grenzübergreifend zu Korruptionsfällen, in denen es um Gelder der Europäischen Union (EU) geht. Offiziell arbeiten 23 EU-Staaten mit EPPO zusammen, darunter Kroatien.

Vorgezogene Neuwahlen beschlossen

Kurz nach der Abstimmung über das Whistleblower-Gesetz löste sich das Parlament auf Initiative der Regierung auf, um den Weg für vorgezogene Wahlen freizumachen. Alle 143 anwesenden Abgeordneten aus Regierungspartei und Opposition stimmten dafür, wie kroatische Medien berichteten. Der Volksvertretung gehören 151 Parlamentarier an. Regulär müsste die Parlamentswahl erst im Herbst stattfinden. Nach Ansicht von Kritikern will der Regierungschef die Wahlen vorziehen, weil er bis zum Herbst ein Sinken der Beliebtheit seiner Mitte-Rechts-Partei HDZ befürchtet.

Die HDZ gehört wie die deutschen Unionsparteien zur Europäischen Volkspartei (EVP). Plenkovic steht aktuell wegen seiner Justiz- und Medienpolitik im Land stark in der Kritik. Er hatte im Parlament nur eine knappe Mehrheit der Abgeordneten hinter sich. Wann die Neuwahlen stattfinden, stand zunächst nicht fest. Sie könnten frühestens für den 14. April und spätestens für den 12. Mai angesetzt werden. Über den Termin entscheidet Staatspräsident Zoran Milanovic. Der russlandfreundliche Milanovic ist ein erbitterter politischer Feind des prowestlichen Plenkovic.

se/kle (dpa, afp, coe.int.)