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Ronaldo: Abstieg auf allen Ebenen

DW Kommentarbild Jörg Strohschein
Jörg Strohschein
1. Januar 2023

Der Wechsel Ronaldos nach Saudi-Arabien belastet nicht nur das Erbe des Portugiesen. Seine Verpflichtung beim Club Al-Nassr und seine späteren Aufgaben haben eine zweite, bedenkliche Ebene, kommentiert Jörg Strohschein.

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Cristiano Ronaldo schaut skeptisch nach vorne
Cristiano Ronaldo bekommt wohl jährlich 200 Millionen Euro beim Al-Nassr FCBild: Kieran Cleeves/PA/picture alliance

Bei der WM in Katar kursierte ein Witz in den Sozialen Medien. "Cristiano Ronaldo hat als Kind auch in der Bettwäsche von Al-Nassr FC geschlafen", spotteten die Fußballfans, als erste Gerüchte aufkamen, der 37 Jahre alte Superstar würde seine Karriere im alles andere als traditionsreichen Fußball-Land Saudi-Arabien fortsetzen. Nun kann darüber wohl niemand mehr schmunzeln, denn aus der Annahme ist Realität geworden. Für angeblich jährlich 200 Millionen Euro und etliche Nebenzahlungen mehr wechselt der Portugiese in die Wüste. Eine obszön hohe Summe, die die Öffentlichkeit nur noch staunend und achselzuckend zurücklässt. 

Ronaldo, dessen Vermögen ohnehin bereits auf 500 Millionen Euro geschätzt wird, will in den kommenden zweieinhalb Jahren offenbar noch einmal das ganz große Geld verdienen. In einem Land, in dem Menschenrechte häufig mit Füßen getreten werden. In dem Menschen wegen Drogendelikten und sogar Minderjährige hingerichtet werden. Und es stellt sich die Frage, was in den letzten Monaten mit dem Superstar passiert ist?

Reine Egozentrik in Katar

Vor seiner lautstarken und kürzlich im unheilbaren Streit beendeten Demission bei Manchester United galt Ronaldo zwar schon lange als Diva - aber als eine, die stets um seine Mitspieler bemüht war und die durchaus Sympathien bei ihren Clubs geerntet hat. Ronaldo schien auch schon längere Zeit durchaus weitsichtig seine Zukunft nach der aktiven Zeit geplant zu haben, "In meiner Vorstellung beende ich meine Karriere auf Top-Niveau. In Würde bei einem großen Club. Das bedeutet nicht, dass es nicht gut ist, in die USA, Katar oder Dubai zu gehen. Aber ich sehe mich dort nicht", hatte er bei einem Interview im Jahr 2015 gesagt. 

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DW-Redakteur Jörg Strohschein

Spätestens seit seiner Rückkehr zu den "Red Devils" war aber alles anders. Bei der WM in Katar ging es nur noch um ihn und um seine Rekorde. Selbst ein Tor der Portugiesen gegen Uruguay, an dem er keinen Anteil hatte, reklamierte er zunächst für sich. Sein in den vergangenen Jahren durchaus vorhandener Teamgedanke trat vollständig hinter die eigene Egozentrik zurück.

Und sein neuester Schritt in die - wenn überhaupt - fußballerische Drittklassigkeit eines autokratisch geführten Landes lässt seinen Heldenstatus, den er sich über so viel Jahre mit teilweise fantastischen Aktionen auf Europas Fußballfeldern bei so vielen Fußballfans erarbeitet hatte, schlagartig auf ein Minimum schrumpfen. Ronaldo hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, seine Kritikern, die ihm ohnehin schon immer vorgeworfen haben, nur für sich und sein eigenes Wohl einzutreten, zu bestätigen. 

Nach Messi nächster Fisch im Netz

Aber der Wechsel des Superstars hat auch noch eine zweite, unerfreuliche Ebene: Von nun an ist er Teil des offenkundigen Sportwashings Saudi-Arabiens. Denn Ronaldo soll offenbar nach seiner aktiven Zeit ein Botschafter des Landes werden. Er soll dabei helfen, dass Saudi-Arabien den Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2030 erhält.

Nach Lionel Messi (geschätztes Vermögen: über 500 Millionen Euro), der seit kurzem neuer Tourismus-Botschafter dort ist, ist den saudischen Machthabern damit der nächste große Fisch ins Netz gegangen. Die beiden Vorbilder mindestens einer Generation von jungen Fußballspielern sind mit ihrer Selbstsucht und ihrer offenbar monetären Unersättlichkeit damit alles andere als ein gutes Beispiel.

Bei der WM halten Fans aus Saudi Arabien auf der Tribüne eine Schild zur Begrüßung Cristiano Ronaldos bei AlNassr FC hoch
Die Fans des saudi-arabischen Clubs Al-Nassr begrüßen Cristiano Ronaldo mit einem Plakat Bild: Tom Weller/dpa/picture alliance

Saudi-Arabien hat wie etwa Katar oder Dubai jüngst die Chance entdeckt, seinen weltweiten Ruf mit großen Sport zu verbessern. Etwa mit dem Kauf des englischen Premier-League-Clubs Newcastle United oder mit der Austragung eines Formel-1-Rennens auf dem Wüstensand. Dafür ist ihnen kein Preis zu hoch. Und die Geldgier der Superstars scheint so unstillbar zu sein, dass sie jegliche moralischen Bedenken über Bord werfen. Sie sind im unrühmlichsten Sinne des Wortes käuflich geworden. Darüber dürfte kaum noch jemand außerhalb Saudi-Arabiens schmunzeln.