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Meinung: Vom Scheitern an sich selbst

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Marko Langer
16. Juni 2021

Wir Deutschen können eine ganze Menge ganz gut. Corona-Krise und Länderspiele konnten wir zuletzt nicht so gut. Nörgeln hingegen geht immer. Das sollten wir nach der Niederlage zum EM-Beginn lassen, meint Marko Langer.

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Deutschland München | UEFA Euro 2020 | Frankreich v Deutschland
Trost nach der Niederlage von Kai Havertz für Mats HummelsBild: Matthias Hangst/REUTERS

Für die abergläubischen Leser hier gleich eine interessante Nachricht: Eine Niederlage zum Auftakt eines großen Turniers hat einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft noch nie zur Ehre gereicht. Meist kam es danach noch dicker. Wie bei der letzten WM, der in Russland - zum Vergessen aus deutscher Sicht. Und ein EM-Auftakt war für die DFB-Elf bis dato noch nie in die Hose gegangen. 

In weißer Hose?

Wo wir schon beim Beinkleid sind: Wer dem Aberglauben unterlegen ist, könnte an diesem Abend in München daran gedacht haben, dass die für das deutsche Team ungewöhnliche Kluft - weiße Hose zum weißen Trikot - vielleicht kein gutes Omen sein könnte. Und das ist der Moment, in dem ich die Abergläubigen zur Ordnung rufen muss. Das ist doch alles Killefitt, wie man im Ruhrgebiet für "Quatsch" sagt. Das WM-Finale in Brasilien, 13. Juli 2014, schon vergessen? Die deutschen Spieler trugen weiße Hosen und wurden Weltmeister.

Soweit die Oberflächlichkeiten. Der Blick auf die Fakten der ersten 98 Minuten der DFB-Elf bei der EURO 2020: erste Niederlage. Verloren gegen Weltmeister Frankreich, der das Team von Joachim Löw immer dann alt aussehen ließ, wenn Superstar Kylian Mbappé einmal wieder nicht vom Ball zu trennen war oder mit demselben anzog. Dass sein Treffer in der 66. Minute aus dem Abseits erzielt wurde, ebenso wie der Treffer von Karim Benzema knapp 20 Minuten später, sollte die deutsche Defensive als glücklichen Umstand begreifen. Sie hatte in beiden Situationen keine Mittel. Und deswegen hat das Team verdient verloren.

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Marko Langer, DW-AutorBild: Sarah Ehrlenbruch

Die unglückliche Fügung hingegen brachte den einzigen Treffer des Abends. Mats Hummels, von Löw ins Team zurückgeholt, schießt den Ball ins Tor von Manuel Neuer - wohl wissend, das hinter ihm Mbappé steht, der den Ball in dieser Situation ebenfalls liebend gern ins Tor befördert hätte. Hätte, hätte. Hätte für Hummels nicht ganz so blöd ausgesehen, aber am Ergebnis nichts geändert.

Nicht untergegangen

Und die Szene besitzt Symbolwert. Nicht nur, weil es der von Löw lange verschmähte Hummels war, der das Spiel auf diese Weise ungewollt entschied. Auch weil einzig ein Deutscher ein reguläres Tor erzielte. Sagen wir es optimistisch und "ergebnisoffen": Wir können bei der EM scheitern, aber so scheitern wir womöglich auch an uns selbst. Gerade Serge Gnabry hatte seine Chancen. Und untergegangen sind wir gegen Frankreichs "Super-Elf" nicht. Liebe 83 Millionen Bundestrainer: Lasst das Nörgeln! Wenigstens für den Moment. 

Eine andere Geschichte

Es geht hier nicht darum, eine Niederlage schönzureden und der mitunter gewünschten "Sommermärchen"-Stimmung das Wort zu reden. Es geht darum, fair mit Profisportlern umzugehen, die der besten Fußballmannschaft der Welt einen Fight auf Augenhöhe geboten haben. Das durfte nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Joachim Löw wird sich etwas einfallen lassen müssen, um nicht wieder in der Vorrunde eines großen Turniers zu scheitern. Auch das wäre dann - unter dem Strich - ein Scheitern an sich selbst. Aber das ist dann eine andere Geschichte. Wir sollten sie ihm nicht gönnen.