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GesellschaftDeutschland

Merkel zeigt Verständnis für den Frust der Kulturbranche

Gaby Reucher
27. April 2021

Viele Kulturschaffende sind frustriert. Ihnen fehlt eine Perspektive. Über ihre Nöte in der Corona-Pandemie konnten sie mit Kanzlerin Angela Merkel sprechen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Bürgerdialog
Angela Merkel beim Bürgerdialog Bild: Screenshot/Bundesregierung

Viele Einzelgeschichten und Sorgen wurden im Bürgergespräch von Kulturschaffenden an Bundeskanzlerin Angela Merkel herangetragen. Etwa von einer Buchhändlerin, die nicht versteht, warum ein Supermarkt Bücher verkaufen darf, sie aber nicht. Dann die Kinobetreiberin, der ohne Filme auch die Gelder aus der Filmförderung fehlen, oder die Schauspielerin, die fürchtet in die Sozialhilfe abzurutschen, weil selbst Fördergelder nicht zum Leben reichen.

Screenshot Bildschirm mit Angela Merkel und den beteiligten Bürgern
Vierzehn Kulturschaffenden stand Angela Merkel Rede und AntwortBild: Screenshot/Bundesregierung

Vierzehn ausgewählte Menschen aus verschiedenen kulturellen Bereichen konnten der Bundeskanzlerin ihre persönliche Situation schildern und Fragen stellen. In der Reihe "Die Bundeskanzlerin im Dialog" steht Angela Merkel regelmäßig im direkten Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern aus allen Regionen Deutschlands. Wegen der Pandemie finden die Gespräche derzeit via Videostreaming statt.

Kultur im Dauerlockdown

"Die Pandemie hat Kunst- und Kulturschaffende besonders getroffen. Wir tun alles dafür, damit unser gemeinsames kulturelles Leben auch in Zukunft eine Chance hat." Wie ein Logo stand das Zitat von Angela Merkel auf dem Eingangsbild zum Videostream. Das "Alles" längst nicht genug ist, und viele Corona-Maßnahmen für den Kulturbetrieb nicht logisch erscheinen, wurde im Verlauf des Gesprächs deutlich.

Kino Neon-Reklame mit der Aufschrift: Lockdown but don't lock your heart!
Die Wiedereröffnung der Kinos liegt in Deutschland noch in weiter FerneBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Erst vor einigen Tagen hatten bekannte deutsche Theater- und Fernsehschauspieler und Schauspielerinnen ihrem Unmut Luft gemacht. In sarkastischen Videoclips kritisierten sie die Corona-Politik der Bundesregierung. Sicherlich auch vor diesem  Hintergrund stand die Eingangsfrage im Raum, ob Angela Merkel den Frust der Leute verstehen könne.

"Frust, klar kann ich das nachvollziehen", sagte Merkel, denn schließlich lebten viele Künstler gerade durch die Darstellung ihrer Emotionen durch Wort, Musik oder in Ausstellungen. "Dass man da seinen Beitrag zur jetzigen Zeit darstellen will, verstehe ich sehr gut." Man habe versucht, von staatlicher Seite finanzielle Hilfestellung zu geben.

Sorge um die Existenz

Gerade Soloselbstständige, deren Auftraggeber immer wieder wechseln, sind trotz der Fördermittel, die von Bund und Ländern eingeräumt werden, oft in Existenznöten. Sie fallen entweder durch die bürokratischen Raster und haben somit keinen Anspruch auf die Fördermittel oder das Geld reicht nicht, um davon zu leben. Schon mehrfach wurde der Ruf nach einer Änderung im Grundgesetz laut, die ein "Anrecht auf Kultur" garantiere. Doch aus einer Verankerung im Grundgesetz ergebe sich noch lange kein gesetzlicher Anspruch etwa auf finanzielle Unterstützung, sagte Merkel.

Coronavirus - Ein "Geschlossen"-Schild hängt im Eingang zu einer Buchhandlung
Die meisten Buchläden sind nach wie vor geschlossenBild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Die Bundeskanzlerin zeigte für die Nöte Verständnis, machte aber auch klar, dass es eine Sache der Inzidenzwerte sei, wann Lockerungen vorgenommen werden können. "Mir ist es aber ganz wichtig, dass jeder Öffnungsschritt ein Element der Kultur hat", sagte Merkel. Museen können bei sinkenden Infektionszahlen relativ bald wieder eingeschränkt öffnen, während Großveranstaltungen in Innenräumen erst ganz am Schluss der Lockerungskette stehen.

Ohne Kultur leidet die Seele

Die verlorenen Einkünfte sind eine Sorge, die auch die Psyche belasten kann. Das war vielen der Redner und Rednerinnen anzumerken. Der Schauspieler Farouk El-Khalili hatte noch Anfang des Jahres gute Aufträge, nahm dann einen Job im Einzelhandel an, um die Theaterschließungen zu überbrücken. Jetzt sieht er sich in der Not, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dass man sein Brot nicht mehr mit eigener Hände Arbeit verdienen kann, schmerzt viele Künstler auch seelisch.

Im Verlauf des Gesprächs drückte die Kanzlerin immer wieder die Daumen, wünschte den Betroffenen Glück. Das wirkte wie ein Allgemeinplatz, Lösungen hatte auch sie nicht parat. "Das kann ich nicht schönreden, da kann ich nur hoffen, dass die Zeit bald vorbeigeht."

Was wird aus der Kultur nach der Pandemie?

Eine Pandemie, sagte Merkel, habe auch die Politik noch nicht erlebt und da gebe es sicher auch einige Brüche in der Logik der Corona-Maßnahmen. Die Pandemie sei nicht nur ein Stresstest für die Kultur, sondern auch für die Regierung, warb die Kanzlerin um Verständnis. Einige der Themen wolle sie auf jeden Fall mitnehmen und an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters herantragen.

Im Studio mit Monitoren: Merkel im Gespräch mit Kunst- und Kulturschaffenden
Angela Merkel versichert, dass die Kulturbranche auch nach der Pandemie weiter gefördert werdeBild: Jörg Carstensen/Action Press/dpa/picture alliance

Denn branchenübergreifend herrscht die Sorge, dass nach der Pandemie die Kulturgelder gekürzt werden. Bei manchen Bühnen wurde schon verkündet, dass die Ensembles verkleinert werden. Zum anderen sind in der Corona-Zeit viele neue digitale Projekte und kulturelle Bildungsmaßnahmen zur Jugendförderung etwa in Museen entstanden. Die finanzielle Unterstützung solcher Projekte ist aber zeitlich limitiert und so würden die Ideen, die Künstler und Initiativen in der Corona-Zeit über Wasser gehalten haben, wieder im Sande verlaufen, wenn es keine Anschlussfinanzierung gibt.

"Man muss in guten Zeiten vorsorgen", betonte Merkel. "Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet, so dass Deutschland jetzt überhaupt Hilfen geben kann." Die soll es nach der Corona-Pandemie auch weiterhin geben. Aus der Pandemie werde man Lehren ziehen. Die Kultur werde auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Jetzt gelte es, so Merkel, "vernünftig" zu handeln, damit die Zahl der Corona-Infizierten wieder sinke.

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