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Mohammed-Karikaturen bleiben umstritten

Malcolm Brabant, Kopenhagen / glh30. September 2015

Wut, Proteste, Tote. Was die Mohammed-Karikaturen auslösten, versetzte die Welt in einen Schock. Zehn Jahre danach erinnern sich Verantwortliche. Malcolm Brabant berichtet aus Dänemark.

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Kurt Westergaard in seinem Haus (Foto: Malcolm Brabant)
Bild: Malcolm Brabant

Das Interview findet unter dem wachsamen Blick seines Personenschützers statt. Flemming Rose sitzt in einem Park in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen. Ohne Begleitung verlässt er sein Haus nicht mehr. Er ist der Redakteur, der vor zehn Jahren die zwölf Mohammed-Karikaturen für die dänische Tageszeitung "Jyllands Posten" in Auftrag gab, die eine Welle der Empörung und der Gewalt mit bis zu 250 Toten in der muslimischen Welt auslösten.

Das Leben von Flemming Rose hat sich seit der Veröffentlichung der Zeichnungen, die unter anderem den muslimischen Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zeigten, dramatisch verändert. Todesdrohungen gehören nun auch dazu.

Flemming Rose (Foto: Malcolm Brabant)
Flemming Rose beim DW-Interview in einem Kopenhagener ParkBild: Malcolm Brabant

Trotzdem beharrt Rose bis heute darauf, dass die Veröffentlichung richtig war. Wolle man den sozialen Frieden in einer multireligiösen, multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft sichern, müsse man den Begriff Blasphemie neu defininieren, sagt der ehemalige Kulturredakteur von "Jyllands Posten" heute.

Kurt Westergaards Haus gleicht einer Festung

Auch Kurt Westergard, der Zeichner der Karikaturen, lebt heute ein anderes Leben. Wir sind in seinem Haus, es gleicht einer Festung. Weil kurz nach der Veröffentlichung ein junger Somalier bei ihm eingebrochen war, um Westergaard zu töten, erhöhte er die Sicherheitsmaßnahmen stark.

Kurt Westergaard zeichnet (Foto: Malcolm Brabant)
Kurt Westergard ist zwar in Rente, doch zeichnen tut er auch noch heuteBild: Malcolm Brabant

"Ich glaube ich habe noch immer so ein wütendes Grundgefühl", sagt Westergaard auf seinen silbern ummantelten Stock gelehnt. Der heute 80-Jährige ist mittlerweile in Rente und zeichnet nicht mehr. Nach wie vor ist er aber trotzdem einer der wohl am meisten gehassten Menschen in der muslimischen Welt. Für Westergaard kein Grund, seine Meinung zu seinen Karikaturen zu ändern. "Ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe als dänischer Karikaturist gearbeitet - nach dänischen Werten", so Westergaard. "Ich habe eine Autorität kritisiert - in diesem Fall eine große Religion. Und als Karikaturist und Satiriker ist es meine Aufgabe, diejenigen, die die Macht haben, zu kritisieren. Da spielt es keine Rolle, ob das eine Religion ist oder ein Politiker." In diesem Sinne verletze man immer irgendjemanden, meint Westergaard.

"Verspottung ist Zeichen, von der Gesellschaft akzeptiert zu sein."

Die muslimischen Führer Dänemarks bleiben jedoch nach wie vor kompromisslos, was die Bewertung der Karikaturen anbelangt. "Wir akzeptieren weder Karikaturen noch irgendwelche andere Abbildungen des Propheten", sagt Imram Shah, Sprecher der Islamischen Gesellschaft. "Mohammed mit einer Bombe in Verbindung zu bringen, ist sehr unreif und keine zivilisierte Art und Weise, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen."

Ob irgendein Medium die Karikaturen heute - zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung - erneut abdrucken würde, ist fraglich. Gerade angesichts des Terroranschlages auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" im Januar dieses Jahres. Genau das bringt Jakob Mchangama in Rage: "Aktuell gibt es bei uns ein Dschihadisten-Veto, das Journalisten und Redakteure respektieren - wenn auch widerwillig. Viele haben bereits zugegeben, dass sie oft aus Angst und nicht aus Toleranz gegenüber der Religion handeln beziehungsweise nicht handeln. Das ist natürlich eine ärmliche Entschuldigung", so der Jurist vom Thinktank "Justitia". Seiner Meinung nach sollen Muslime Verspottung und Satire als ein Zeichen sehen, von der westlichen Gesellschaft komplett akzeptiert zu sein.

Imran Shah (Foto: Malclom Brabant)
Imran Shah von der islamischen Gesellschaft DänemarksBild: Malcolm Brabant

Das sieht Uzma Ahmed, Dänin mit pakistanischer Herkunft und Aktivistin in einem muslimisch geprägten Stadtteil Kopenhagens, anders: "Die freie Meinungsäußerung existiert de facto nur für die Privilegierten. Und diese missbrauchen es, um Minderheiten zu verspotten." Man solle das Recht auf freie Meinungsäußerung vielmehr nutzen, um ein neues "wir" zu kreieren, sagt Uzma Ahmed.

Uzma Ahmed (Foto: Malcolm Brabant)
Uzma Ahmed: "Freie Meinungsäußerung - das gibt es nur für Priviligierte"Bild: Malcolm Brabant

"Warum den Finger in die Wunde legen?"

Auch Karolina Dam wünscht sich, dass keine Karikaturen über den muslimischen Propheten veröffentlich werden - und das, obwohl sie allen Grund hätte, anderer Meinung zu sein. Nachdem ihr 18-jähriger Sohn Lukas zum Islam konvertiert war, radikalisierte er sich, schloss sich dem "Islamischen Staat" an und wurde Anfang dieses Jahres in Kobane an der syrisch-türkischen Grenze getötet. Trotzdem will seine Mutter, dass man das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränkt: "Vor allem anderen sollte man Respekt vor anderen Menschen haben. Für uns sind Abbildungen Jesu oder Buddhas kein Problem. Für Muslime ist es aber ein Problem. Warum also weiter den Finger in die Wunde legen?"

Imram Shah von der muslimischen Gesellschaft betont, dass es nicht darum gehe, das Recht auf freie Meinungsäußerung abzuschaffen: "Aber wir sollten diskutieren wie es genutzt wird. Wenn man eine Debatte über Religion anstoßen will, sollte man das mit Respekt und Wertschätzung tun und nicht durch Verspottung und Ausgrenzung einer Minderheit, die sowieso schon ausgegrenzt wird." Eine gerechte Gesellschaft werde auch daran gemessen, so Shah, wie gerecht sie ihre Minderheiten behandele.

Zurück im Haus von Kurt Westergard. Der 80-Jährige bleibt hartnäckig: "Es gibt nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste. Deswegen werde ich mich auch niemals entschuldigen. Wenn ich das täte würde ich meinen professionellen Respekt vor mir selbst verlieren." Westergaard wird wohl bis an sein Lebensende mit Personenschutz leben müssen. Wie man sich später an ihn erinnert - ob als Kämpfer für die Werte des Westens oder als Mann, der die Zeichen eines sich verändernden Europas nicht wahrgenommen hat - das muss sich noch zeigen.