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High-Tech aus dem Schwarzwald

Mathis Richtmann
10. Juli 2022

Corona hat Spuren in der deutschen Industrie hinterlassen. Anders beim Unternehmen Montratec im Schwarzwald: Das kam gut durch die Krise - mit Hilfe von Investoren und einem Produkt, das wirklich alle brauchen.

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Niedereschach | Unternehmen Montratec
Wie eine "Carrera-Bahn": Das autonome Shuttlesystem ersetzt herkömmliche FörderbänderBild: Mathis Richtmann/DW

Man nennt sie Heimliche Weltmeister oder auch Hidden Champions - viele der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die man vor allem in Deutschlands Südwesten findet. Manche sind so schwer zu finden, dass selbst die beiden Taxifahrer, die den Weg zum Unternehmen finden sollten, noch nie von Montratec gehört haben. Dabei ist die Technologie des Unternehmens in Niedereschach bei Villingen-Schwenningen wortwörtlich die Grundlage für Kontaktlinsen, Autotüren und Handys. Die Technologie - das sind High-Tech Wagen, die auf ausgeklügelten Schienensystemen Fertigungsprozesse in Fabrikhallen miteinander verbinden. Das sei Intralogistik, erklärt Sven Worm, der Geschäftsführer von Montratec.

In der Fertigungshalle stehen große Pflanzen, sie verleihen dem Ort ein angenehmes Raumklima. Überall zischt es, und man hört ein Pfeifen, wenn die etwa Schuhkarton großen Wagen, angetrieben von kleinen Elektromotoren, beschleunigen.

Shuttlesystem statt Förderband

Diese hochmoderne Carrera-Bahn ersetzt herkömmliche Förderbänder. Denn die Shuttles fahren autonom, erkennen ihre Sensoren Hindernisse, dann stoppen sie. Im Vergleich zu einem Förderband können die einzelnen Wagen um enge Kurven fahren und "bei uns bleibt vorne immer vorne," sagt Worm, denn die Ausrichtung der Fertigungsteile bleibe immer gleich.

Neugeboren mit Risikokapitalgebern

Schon 1996 entwickelte ein Schweizer Uhrenhersteller die Wagen, um Fertigungsprozesse erschütterungsarm zu verbinden. Zwischenzeitlich wurde das Produkt vom Maschinenbauunternehmen Schmid Group mit Sitz in Freudenstadt weitergeführt. Bis 2017 die Wende kam: Sven Worm, der schon seit 2010 für das Produkt verantwortlich war, tat sich zusammen mit zwei Beteiligungsinvestoren - er setzte also auf Private Equity.

Niedereschach | Sven Worm, Geschäftsführer Montratec |  Sarah Glatz, Kaufmännische Leiterin
Sven Worm und die Kaufmännische Leiterin von Montratec, Sarah Glatz, führen durch ihre FertigungshalleBild: Mathis Richtmann/DW

Gemeinsam mit den Investoren Rantum Capital Management und Cedarlake Capital Partners - beide spezialisiert auf den deutschen Mittelstand - kauften sie Montratec aus der Schmid Group heraus. Die Beteiligungsgesellschaften hielten sich aus dem operativen Geschäft heraus, sagt Worm und sind "eher wie ein Elternteil, das man was fragen kann, wenn man schon ausgezogen ist."

Das Geschäftsmodell dieser Investoren ist es, "auf Zeit Unternehmen zu kaufen, mit dem Ziel, diese mit Gewinn wieder zu verkaufen," erklärt Christoph Scheuplein. Der Sozialwissenschaftler forscht am Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen zu Private Equity.

Seit etwa 2015 zeichnet sich in der Private Equity-Branche in Deutschland ein neuer Trend ab: Auch kleinere Unternehmen werden von den Investoren gekauft, "weil es zu wenige Unternehmen gibt, die gekauft werden könnten," sagt Scheuplein. 300 Milliarden Euro hatten Beteiligungsgesellschaften in Europa im Jahr 2020 übrig, um nach Anlagemöglichkeiten zu suchen. S&P Market Intelligence veröffentlichte die Zahlen mit dem Hinweis, dass sich dieses sogenannte dry powder seit 2012 verdoppelt hat.

Montratec erwirtschaftete im Jahr 2021 nach eigenen Angaben 20 Millionen Euro Umsatz - und zum ersten Mal Gewinn. Das Kapital der Eigentümergesellschaften war die Basis, um dieCorona-Krise zu überstehen.

Auch in der Corona-Krise geliefert

Bisher versorgt Montratec noch zu 60 Prozent die Autoindustrie mit ihren Shuttle-Lösungen. Stark gewachsen ist in den vergangenen zwei Jahren der Bereich Medical. Auch einer der in Deutschland zugelassenen Corona-Impfstoffe wird auf einer Montratec-Anlage abgefüllt.

Nach dem Dieselskandal stand die Firma 2019 nicht so gut da. Zu groß waren die Abhängigkeiten von der Autoindustrie. Aber Worm entschied sich mit den Eigentümern auf Risiko zu gehen, wie er erzählt.

Da die Produktionszahlen der Firma im Schwarzwald überschaubar sind, musste das Unternehmen schon immer auf größere Lagerbestände setzen - insbesondere beim Hauptrohstoff Aluminium. Und den kaufte Worm kurz vor der Corona-Krise noch in großem Stil ein. Somit lief es in der Krise gut für Montratec. "Es ist nicht so, dass wir es nicht gespürt haben. Aber die Effekte, dass wir nicht liefern konnten, das haben wir einfach nicht gehabt," sagt Worm.

Innovation in der Intralogistik

Dabei hat es das Unternehmen im Schwarzwald nicht leicht. Denn auch der Markt für Intralogistik ist hart umkämpft, mit dem Branchenriesen Bosch als Hauptkonkurrent; Geholfen hat daher eine Innovation im Oktober 2021.

Seither können die Montratec-Shuttles nämlich über 50 Kilogramm Last transportieren. Geschäftsführer Worm zeigt in einem Labor einen solchen Aufbau: An dem kleinen Wagen ist ein weiteres Gestell befestigt, sodass eine komplette Autotür mit dem im Vergleich recht kleinen Gefährt transportiert werden kann.

Der Clou an den Schienen, die die Wagen führen: Durch sie fließt Strom, der die Shuttles anschiebt. Aber so kann auch jedes andere externe Gerät mit Energie versorgt werden. Displays können auf den Wagen direkt während der Fahrt getestet werden und ein Kunde der Schwarzwälder drehte das Prinzip um: Er lässt seine Fertigungsroboter auf Montratec-Shuttles an den Fertigungsschritten entlangfahren.

Mit einer ordentlichen Kapitalspritze wurde Montratec zu einem eigenen Unternehmen. Sie setzen auf die Strategie, in weitere Branchen zu diversifizieren. Denn sie haben zwar nur ein Produkt; aber wenn Sven Worm träumt, dann soll es als nächstes in der Luftfahrtindustrie zum Einsatz kommen.