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Geert Wilders' Wahlsieg: Rechtsruck in den Niederlanden

Veröffentlicht 23. November 2023Zuletzt aktualisiert 23. November 2023

Geert Wilders und seine PVV gewinnen die Niederlande-Wahl, was einen signifikanten Rechtsruck signalisiert. Der Rechtspopulist träumt nun davon, niederländischer Regierungschef zu werden.

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Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders
Rechtspopulist Geert Wilders ist mit dem Wahlergebniss sehr zufrieden Bild: Remko de Waal/ANP/IMAGO

Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Wilders will künftig mit seiner islamfeindlichen Partei regieren und Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte werden.

"Der Wähler hat nun gesprochen", sagte Geert Wilders am Mittwochabend im niederländischen Fernsehen. "Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen." Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille übergangen werden, meinte er vor jubelnden Unterstützern in Den Haag.

Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen kommt Wilders islamfeindliche Partei für die Freiheit (PVV) auf 37 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments. Das wären mehr als doppelt so viele Mandate wie bei der Wahl 2021 in den Niederlanden. Damit dürfte der Vorsprung der PVV nicht einzuholen sein. 

VVD-Parteichefin Dilan Yesilgoz im Wahlkampf
VVD-Parteichefin Dilan Yesilgoz, Tochter kurdischer Eltern, würde selbst gerne Regierungschefin werdenBild: Ramon van Flymen/ANP/picture alliance

Rutte-Partei verliert kräftig  - Timmermans fast gleichauf 

Die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) unter der Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz und Parteifreundin von Noch-Ministerpräsident Rutte wird bei 24 Mandaten gesehen. Es wäre ein Minus von zehn Sitzen.

Der Spitzenkandidat des Bündnisses aus Sozialdemokraten und Grünen, der frühere EU-Kommissar Frans Timmermans, bei der Stimmabgabe
Spitzenkandidat des Bündnisses aus Sozialdemokraten und Grünen ist der frühere EU-Kommissar Frans Timmermans Bild: John Thys/AFP/Getty Images

Das Wahlbündnis aus Sozialdemokraten und Grünen mit dem Spitzenkandidaten und früheren EU-Kommissar Frans Timmermans liegt bei 25 Mandaten, ein Plus von acht. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), darf auf Anhieb mit 20 Sitzen rechnen.

Pieter Omtzigt bei seiner Stimmabgabe in Enschede
Pieter Omtzigt bei seiner Stimmabgabe in Enschede Bild: Peter Dejong/AP Photo/picture alliance

Wilders bemühte sich bei seinem Fernsehauftritt, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen zu zerstreuen. Die von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, dafür zu sorgen, dass in den Niederlanden der "Tsunami von Asylbewerbern und Einwanderern reduziert wird".

Verbot von Koran und Moscheen - Muslime in Sorge

Das Wahlprogramm seiner rechtspopulistischen PVV - die nur ein einziges Mitglied hat, nämlich Wilders selbst - schlägt ein Verbot von Islamschulen, dem Koran und von Moscheen in den Niederlanden vor und will Kopftücher aus Regierungsgebäuden verbannen. Zudem strebt die Partei an, es Großbritannien gleich zu tun und in einem "verpflichtenden Referendum" über einen Nexit abzustimmen, also den Ausstieg der Niederlande aus der Europäischen Union.

Die Muslime in dem westeuropäischen Land befürchten nach Wilders Erfolg eine Periode der Unsicherheit. "Als praktizierender Muslim mache ich mir Sorgen", sagte Muhsin Köktas, Vorsitzender eines muslimischen Interessenverbands, im niederländischen Fernsehen. "Ich hatte dieses Ergebnis wirklich nicht erwartet." Wenn Wilders sein Programm jetzt in einer Regierung umsetzen sollte, könnten Muslime in den Niederlanden ihre Religion nicht mehr frei ausüben, warnte Köktas.

Europas Rechtsaußen gratulieren

Mehrere Rechtsaußenpolitiker aus anderen europäischen Ländern beglückwünschten Wilders hingegen zu dessen Wahlsieg. Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte auf X, Wilders' "spektakuläres" Ergebnis bestätige "die wachsende Unterstützung für die Verteidigung der nationalen Identitäten". Ungarns rechtsnationalistischer Ministerpräsident Viktor Orban gratulierte Wilders ebenfalls und schrieb auf X von einem "Wind des Wandels".

Die Vorsitzende der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National (RN), Marine Le Pen
Die Vorsitzende der rechtsextremen französischen Partei Rassemblement National (RN), Marine Le Pen Bild: Yves Herman/REUTERS

Die Chefin der rechtspopulistischen Partei AfD, Alice Weidel, gratulierte dem 60-Jährigen auf Niederländisch und Deutsch "zu diesem großen Erfolg". "Ganz Europa will die politische Wende!", schrieb die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. 

Schwierige Regierungsbildung erwartet

Trotz des mutmaßlichen Wahlerfolgs des Rechtspopulisten dürfte die Bildung einer Regierung schwierig werden. Eine Koalition braucht mindestens 76 Sitze in der Zweiten Kammer. Wilders kündigte an, er wolle nun auch regieren und rief die anderen Parteien dazu auf, gemeinsam an der Bildung einer Koalition zu arbeiten.

NSC-Parteichef Omtzigt hatte im Wahlkampf eine Zusammenarbeit mit Wilders ausgeschlossen, da dieser verfassungsfeindliche Positionen vertrete. Die Spitzenkandidatin der Rechtsliberalen, Yesilgöz, zeigte sich offener und erklärte lediglich, sie wolle nicht unter dem 60-Jährigen als Ministerpräsident in eine Regierung eintreten.

Parlamentswahlen in den Niederlanden

Die vorgezogene Parlamentswahl in den Niederlanden war notwendig geworden, nachdem im Sommer Ruttes Mitte-Rechts-Koalition nach nur 18 Monaten im Amt geplatzt war. Anlass dafür war ein Streit über Migrationspolitik.

Rutte, der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, hatte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik angekündigt. Bis zum Antreten einer neuen Regierung bleibt er allerdings noch im Amt.

se/AR/sti/as (dpa, afp, rtr)