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Eine Partei gründen: Wie geht das in Deutschland?

27. Januar 2024

In Deutschland kann theoretisch jeder eine Partei gründen, auch als Ausländer. Jedoch nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

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Man sieht das Parlament mit seinen Sitzen und dem Bundesadler hinter dem Rednerpult.
Wer als Partei in Deutschland politisch viel gestalten will, sollte hier sitzen: im Bundestag in BerlinBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Wer sich in Deutschland politisch engagieren will, kann wählen, in eine Partei eintreten, sich selbst zur Wahl stellen - oder gleich eine eigene Partei gründen. Dafür braucht man keine staatliche Genehmigung, muss sich aber verpflichten, demokratischen Grundsätzen zu folgen. Die Leitlinien dafür benennen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz) sowie das Bürgerliche Gesetzbuch, das die Rechte und Pflichten der Bürger untereinander bestimmt.

Das Parteiengesetz regelt die Abläufe innerhalb einer politischen Partei. In Paragraf 2 definiert es Parteien als "Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines [Bundes-]Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen".

Vorstand der Partei braucht mindestens drei Mitglieder

Eine Partei kann auf zweierlei Weise entstehen: durch Umwandlung eines bestehenden Vereins in eine Partei, wie das beim Bündnis Sahra Wagenknecht BSW der Fall ist, oder durch eine eigentliche Parteigründung, was meistens geschieht. Eine Mindestanzahl von Gründungsmitgliedern ist nicht festgelegt. Allerdings muss der Vorstand einer Partei aus mindestens drei Mitgliedern bestehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz steht mit ausgestreckten Armen hinter einem roten Rednerpult. Hinter steht ein großer roter Plastikaussteller aus den Buchstaben SPD.
Parteitage gehören zur Demokratie: Bundeskanzler Olaf Scholz spricht beim ordentlichen Bundesparteitag seiner SPD auf dem Berliner Messegelände.Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Eine Mindestzahl von Parteimitgliedern bestimmt das Parteiengesetz nicht. Jedoch muss eine Vereinigung "nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten". Eine weitere Voraussetzung ist, dass sich sowohl der Name einer neuen Partei als auch dessen Abkürzung deutlich von denen bestehender Parteien unterscheiden.

Parteigründung nicht nur Deutschen möglich

Auch Ausländer können in Deutschland eine Partei aufbauen. Die meisten Parteivorstände und Mitglieder müssen aber deutsche Staatsbürger sein. Zudem hat sich der Parteisitz beziehungsweise die Geschäftsleitung in Deutschland zu befinden. Ist das nicht der Fall, bleibt der Zusammenschluss eine politische Vereinigung, die von Wahlen ausgeschlossen ist.

An langen Tischen sitzen Delegierte, die ihre Abstimmungskarten hochhalten. Vorne im Bild macht das auch ein Kind, das vor einem bärtigen und langhaarigen Mann steht - aller Voraussicht nach sein Vater.
Eine Abstimmung beim Gründungsparteitag der Grünen in Karlsruhe 1980Bild: Friedrich Stark/IMAGO

Auf einer Gründungsveranstaltung geht es dann darum, das Parteiprogramm mit seinen grundsätzlichen Forderungen, Zielen und Werten sowie die Satzung für die innere Ordnung festzulegen. Außerdem muss der Vorstand demokratisch und geheim gewählt werden. Anschließend reicht der Vorstand alle Unterlagen, inklusive eines ausführlichen Protokolls des Gründungstreffens, beim Bundeswahlleiter ein.

Parteiunterlagen für alle Bürger einsehbar

Der Bundeswahlleiter überwacht die Vorbereitung und Durchführung bundesweiter politischer Wahlen. Unter anderem prüft er, ob die Unterlagen zur Gründung den Anforderungen des Parteiengesetzes entsprechen.

Abschließend werden die Dokumente in eine öffentlich einsehbare Sammlung von Unterlagen aller Parteien archiviert. Den Bundeswahlleiter und seinen Stellvertreter ernennt der Bundesinnenminister auf unbestimmte Zeit. 

Ein Schwarz-Weiß-Foto von Konrad Adenauer bei einer Rede 1952 im Bundestag in Bonn.
Der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer gehörte zu den Begründern der CDU, deren Parteivorsitzender er von 1950 bis 1966 war.Bild: dpa/picture alliance

Die Anerkennung als Partei erfolgt allerdings erst durch eine Zulassung zu einer Wahl. Für Bundestags- und Europawahlen ist der Bundeswahlausschuss zuständig. Er besteht aus dem Bundeswahlleiter, acht von den Bundestagsparteien vorgeschlagenen Beisitzern sowie zwei Richtern des Bundesverwaltungsgerichts.

Für die Wahlen in den sechzehn Bundesländern entscheidet der jeweils zuständige Landeswahlausschuss, der sich aus dem Landeswahlleiter und sechs Beisitzern zusammensetzt. Der Landeswahlleiter wird von der Landesregierung oder einer von ihr benannten Stelle ernannt.

Nahe an den Wählerbedürfnissen

Im Falle der Nichtzulassung einer Partei, was einer Ablehnung des Parteienstatus gleichkommt, gibt es die Möglichkeit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. 

Ein Fahrradfahrer fährt an Wahlplakaten der Grünen, der CDU und der SPD zur Bundestagswahl  2021 vorbei.
Wahlplakate zur Bundestagswahl 2021Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Neben den rechtlichen Voraussetzungen gibt es noch organisatorische Anforderungen an Parteigründer. So müssen Strukturen geschaffen werden, um für Wähler und Bürger vor Ort präsent zu sein. Beispielsweise durch den Aufbau von Landesverbänden im föderal aufgebauten Deutschland.

Zudem sollte sich eine potenzielle Partei darauf vorbereiten, wie sie bei einem Einzug in ein Parlament die dortige Arbeit organisieren und an Gesetzen mitarbeiten kann. Gibt es genügend Personal, wer organisiert was, wer hat für welchen Themenbereich Fachkenntnisse? Das sind nur einige Fragen, die sich stellen. Deshalb brauchten Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer Monate, um ihr "Bündnis" aufzubauen.

Wagenknecht-Partei offiziell gegründet

Auch bei einer Parteigründung gilt: Ohne Geld geht nichts. Eine Partei muss schauen, wie sie sich nachhaltig finanziert. Im Wesentlichen schöpft sie aus fünf Quellen: Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Abgaben - zu denen die Mandatsträger durch ihre Parteien verpflichtet werden - , sonstigen Einnahmen wie aus Vermögenserträgen und staatlichen Fördermitteln, die eine Partei erst erhält, wenn sie an einer Wahl teilnimmt. 

Die Bemessungsgrundlage für die Verteilung staatlicher Finanzmittel ist die Verwurzelung einer Partei in der Gesellschaft. Die Höhe der Gelder bemisst sich daran, wie viele Stimmen die Partei bei der jeweils letzten Europa- und Bundestagswahl und den jeweils letzten Landtagswahlen erzielt hat. Außerdem wird der Umfang der Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge und rechtmäßig erlangten Spenden zugrunde gelegt. Nimmt eine Partei für sechs Jahre an keiner Wahl teil, verliert sie ihren Status als Partei.

Parteifahnen von SPD, FDP und Grünen stecken im Rasen vor dem Reichstagsgebäude.
Die Fahnen der regierenden Ampelkoalition vor dem ReichstagsgebäudeBild: Gero Breloer/dpa/picture-alliance

Eine Partei kann sich jederzeit mit anderen Parteien vereinigen oder sich auflösen, ohne dass sich der Staat einschaltet. Etwas anderes ist es, wenn eine Partei gegen Artikel 21 des Grundgesetzes verstößt. Dort heißt es: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Parteiverbot

Der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat (Ländervertretung) können beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei stellen. Stellt das Gericht die Verfassungswidrigkeit fest, wird die Partei aufgelöst. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei Parteiverbote: 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei, eine Nachfolgeorganisation von Adolf Hitlers Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei, NSDAP, und 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands.

Sieben Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts stehen in roten Roben hinter einem langen Tisch.
Das Bundesverfassungsgericht verkündet den Finanzierungs-Stopp gegen "Die Heimat", die frühere NPDBild: Uwe Anspach/AFP via Getty Images

Ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme und in Teilen neonazistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD, scheiterte 2003, weil V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der Partei aktiv waren. 2013 wurde das Verbot zum zweiten Mal beantragt und 2017 vom Bundesverfassungsgericht wegen der Bedeutungslosigkeit der Partei zurückgewiesen. 

Am 23. Januar 2024 entschied das Bundesverfassungsgericht, der früheren NPD, die sich inzwischen in "Die Heimat" umbenannt hat, die staatliche Parteienfinanzierung für sechs Jahre zu streichen. 

Ein Blick in die Geschichte

Derzeit sind in Deutschland Dutzende von Parteien registriert, von denen jedoch weniger als 20 in jedem Parlament vertreten sind.

Im 19. Jahrhundert entstanden in Deutschland die ersten bundesweiten politischen Parteien: die liberale Deutsche Fortschrittspartei, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei – die Vorläuferin der heutigen Sozialdemokratischen Partei SPD – und die Katholische Zentrumspartei.

In der Weimarer Republik gelang es ab 1919 den 14 im Reichstag vertretenen Parteien meist nicht, eine konstruktive parlamentarische Mehrheit zu bilden. Dies erleichterte der NSDAP die Machtergreifung.

Vier Parteien nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen die siegreichen Alliierten - die USA, Großbritannien, Frankreich und Russland - zunächst vier Parteien in ihren jeweiligen Besatzungszonen zu: Die die Sozialdemokraten, die konservative Christlich Demokratische Union (CDU), die liberale Freie Demokratische Partei (FDP) und die Kommunistische Partei (KPD). In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), die im sowjetisch besetzten Osten gegründet wurde, fusionierten SPD und KPD zur regierenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Im Westen etablierte sich 1980 die Umweltpartei Grüne Partei. Nach der Wiedervereinigung West- und Ostdeutschlands 1990 entwickelte sich die SED schließlich zur Linkspartei. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) wurde 2013 zunächst als Partei von Europaskeptikern gegründet.

2024 wurden zwei politische Parteien gegründet: das Bündnis Sahra Wagenknecht und die rechtskonservative Werteunion.

Ralf Bosen, Redakteur
Ralf Bosen Autor und Redakteur