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Musik

"Musik spricht eine starke Sprache"

Rick Fulker
17. Juni 2019

Sie ist einer der Shooting Stars ihrer Generation und leitet bereits ein eigenes Musikfestival. Im DW-Interview spricht Danae Dörken über ihr Leben als Pianistin und warum sie Clara Schumann bewundert.

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Abschluss des 22. Bonner Schumannfests: Die Pianistin Danae Dörken
Bild: Barbara Frommann

Mit einem Klavierabend am DW-Sitz in Bonn ging am Wochenende das Bonner Schumannfest zu Ende. 200 Jahre nach ihrer Geburt im Jahr 1819 hatte das zweiwöchige Musikfest Clara Schumann im Fokus. Die Ehefrau Robert Schumanns war selbst eine herausragende Komponistin - und bei den insgesamt 16 Veranstaltungen waren ihre Werke häufig zu hören.

Das Schumannfest gibt häufig jungen, aufstrebenden Künstlern eine Plattform, in diesem Jahr waren Künstlerinnen deutlich in der Mehrzahl. Für das Abschlusskonzert gewann das Festival jedoch eine bereits anerkannte, preisgekrönte Pianistin. Atemberaubende Technik, sprudelnde Virtuosität, seelische Tiefe, ein ausgeprägter Sinn für musikalische Strukturen, Energie und nuancierte Gestaltung prägen Danae Dörkens Spiel.

Bei ihrer eigenen Veranstaltungsreihe, dem Molyvos International Music Festival auf der griechischen Insel Lesbos, hat Dörken entdeckt, inwiefern Musik eine ernsthafte, essentielle Angelegenheit ist. Die DW hatte die Gelegenheit mit ihr zu sprechen. 

Pianistin Clara Schumann
Clara Schumann überlebte ihren Mann um 40 Jahre und wurde zur prägenden Figur der Klassik-Kultur.Bild: Schuhmannfest

Deutsche Welle: Clara Schumann war Pianistin, Mutter von acht Kindern, künstlerische Beraterin und die Ehefrau eines Künstlers mit einem problematischen Krankheitsbild – Robert Schumanns seelische Schwankungen mündeten in einer völligen geistigen Umnachtung. Damit nicht genug: Sie war Konzertorganisatorin, Musikkritikerin und natürlich auch Komponistin. Welches Stellenwert hat Clara Schumann für Sie? 

Danae Dörken: Für mich ist sie der Inbegriff der Powerfrau, denn sie war nicht nur vielseitig, sondern auf allen Gebieten herausragend. Es wird oft vergessen, dass sie die Musik ihres Mannes Robert Schumann überhaupt erst bekannt machte, weil sie sie in ihren Klavierkonzerten oft spielte.

Clara war ihrer Zeit voraus, auch wenn sie dafür Kritik einstecken musste. Viele haben ihr geraten, kürzer zu treten. Irgendwann wollte sogar ihr Ehemann, dass sie damit aufhört, zu komponieren. Sie handelte jedoch nach eigenen Regeln. Ich bewundere Menschen, die Neues ausprobieren und ihren Horizont erweitern. Und genau das machte sie.

War es damals einfacher, ein Allround-Mensch und Künstler zu sein? Heute leben wir ja in einem Zeitalter der Spezialisierung.

Das Problem heute ist, dass Perfektion überall erwartet wird. Nehmen wir zum Beispiel Pianisten: Einmal verspielen und eine Karriere kann zu Ende sein. In früheren Generationen dagegen hatten Pianistin wie Vladimir Horowitz und Anton Rubinstein ein immenses Repertoire, und wenn sie mal daneben spielten, war das nicht allzu tragisch. Sie hatten einen umfassenderen Begriff von der Musik, so aber auch Clara Schumann zu Lebzeiten.

Meiner Meinung nach ist dieser breitere Blick auch noch heute erstrebenswert. Man sollte in allen Lebenslagen für Inspiration offen sein. Claras Kompositionen waren von ihrer Tätigkeit als Pianistin geprägt. Und ihre Erfahrung als Mutter hat bestimmt ihre Kompositionen bereichert.

Ist Clara Schumann für Sie eine inspirierende Figur?

Ganz bestimmt, zumal ich selber zwei kleine Kinder habe. Wie sie Familie und Musik verband, ist für mich vorbildlich.

Was sind die Stileigenschaften von Claras Kompositionen?

Das Auffälligste sind die langen, lyrischen Melodiebögen. Man hört, dass sie von Mendelssohn, Chopin und natürlich auch von ihrem Ehemann Robert Schumann inspiriert wurde. Diese ganz ausgedehnten Bögen sind ihr Wahrzeichen. Interessanterweise hat sie bereits im Alter von 16 Jahren so komponiert. Ihre Musik besitzt einen großen Tiefgang.

Danae Dörken im Konzert der DW
Obwohl Danae Dörken technische Perfektion als problematisches Ideal empfindet, ist ihr eigenes Spiel makellos.Bild: Barbara Frommann

Sie hat also nicht bloß im Duktus der Zeit komponiert, sondern durchaus im eigenen Stil?

Ja, für mich geht sie über ihre Zeit hinaus. Ihre Kompositionen sind übrigens auch eine große Herausforderung. Schließlich war sie selber Ausnahmepianistin und schrieb Musik für die eigenen Aufführungen. Als Pianisten müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.

Clara Schumann wird im Jubiläumsjahr viel gespielt. Wird ihre Musik auch in den nächsten Jahren mehr auf Konzertprogrammen präsent sein?

Ich glaube, die Leute werden sie als mehr als nur die Ehefrau Robert Schumanns wahrnehmen. Ich bin für Aufführungen ihres Klavierkonzerts in den kommenden Jahren engagiert worden. Also ja: Claras Musik ist in den Konzertsälen endlich angekommen.

Wenn man die Musik von Clara und Robert Schumann hört, spürt man, dass diese Menschen von anderer Musik, von Poesie, Literatur und Kunst umgeben waren, und das diese Kunstformen einen Stellenwert hatten wie beispielsweise Netflix-Serien heute. Man könnte fast neidisch sein...

Und: Sie haben sich gegenseitig befruchtet! Man stelle sich ihren Bekanntenkreis vor: Bei den Schumanns gingen Brahms, Chopin und Mendelssohn ein und aus. Das ist an sich unfassbar. Dennoch: Heute wissen wir nicht, an wen man sich noch in hundert Jahren erinnern wird. Vielleicht kennen wir Musiker diese Menschen schon, wissen es aber nicht. Zu Zeiten der Schumanns haben sie das auch nicht geahnt. Wichtig ist nur, dass wir unsere Aktivitäten klug aussuchen, auch unsere Ideengeber und Inspirationsquellen.

Reicht es für einen Musiker, einfach schöne Musik zu machen?

Ich finde, man sollte es nicht dabei belassen. Viele Menschen meiner Generation denken so: Da so viel in der Welt los ist, sollten wir mehr im Blick haben. Natürlich meine ich nicht, dass ich die Welt retten oder gravierende Probleme lösen kann. Ich kann aber auf meinem Gebiet durchaus einen Beitrag leisten. Musik ist ein wirksames Mittel, und sie spricht eine starke Sprache. Deshalb bin ich gerne bereit, einen größeren Beitrag zu leisten als nur für die Menschen zu spielen, die Eintrittskarten gekauft haben. Ich verspüre sogar fast das Bedürfnis, mehr zu tun.

Was kann man mit der Musik erreichen?

Das wichtigste ist natürlich, die Menschen zusammenzubringen. Musik ist eine universelle Sprache, die jeder verstehen kann, selbst wenn es eine Sprachbarriere gibt. Vielleicht geht es darum, jemandem, der verzweifelt ist oder eine lebensbedrohende Situation erlebt hat, einen kurzen Augenblick der Hoffnung und des Glücks zu schenken. Und wenn wir für solche Menschen spielen, geht der seelische Austausch dann in beide Richtungen.

Pianistin Danae Dörken
Ein Stück Heimat: Danae Dörken gründete auf der Insel Lesbos ihr eigenes Musikfestival Bild: ARD/WDR

Haben Sie das auf Ihrem eigenen Musikfestival auf Lesbos beobachtet? Denn an diesem Ort ist die Flüchtlingskrise besonders zu beobachten.

Ja. Wir haben das Festival 2015 ins Leben gerufen, zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle. Die Menschen, die ankamen, hatten gerade wahrscheinlich die schwierigsten Wochen ihres Lebens hinter sich. Viele gingen in unsere Konzerte, weil sie von uns Gratiskarten erhalten hatten. Wir sind aber auch in die Lager gegangen und haben für sie dort gespielt.

Die Reaktionen waren unfassbar. Unterm Strich: Besonders klassische Musik kann jeden erreichen, denn sie durchdringt unsere Herzen. Die Seele schwingt dann auf einer ganz anderen Ebene mit. Wir haben Menschen gesehen, die wohl noch nie Klassik gehört haben, und sie saßen da mit Tränen in den Augen. Sie waren tief bewegt. Menschen seelisch zu berühren: Das ist letztendlich wohl das Wichtigste, was wir machen können.

Danae Dörken ist eine deutsch-griechische Pianistin. Sie begann mit fünf Jahren Klavier zu spielen, später studierte sie an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Bereits in ihrer Jugend gewann sie zahlreiche Preise. 2015 gründete sie zusammen mit ihrer Schwester das "Molyvos International Music Festival" auf Lesbos. 

Das Gespräch führte Rick Fulker.