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ReiseEuropa

Qualitätstourismus – was steckt dahinter?

Jonas Martiny
29. August 2023

Berlin, Venedig, Barcelona, Mallorca: Angesichts negativer Auswüchse des Massentourismus setzen immer mehr Destinationen auf Qualität statt auf Quantität.

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Menschen sitzen im Lustgarten bei gutem Wetter, im Hintergrund der Dom und der Fernsehturm, Berlin, Deutschland
Berlin wünscht sich mehr QualitätstourismusBild: Caro/Muhs/picture alliance

Kulturbeflissen soll er sein, der ideale Urlauber. Am besten kommt er nicht in der Hauptsaison, wenn es ohnehin schon voll ist, sondern belebt die Nebensaison. Für Land und Leute soll er sich interessieren, umweltbewusst muss er sein und sich gut zu benehmen wissen, keinen Krach und keinen Dreck machen. Und dann – ganz wichtig – muss er auch noch treu sein, sprich: im nächsten Jahr wiederkommen. Dass er obendrein möglichst viel Geld ausgeben sollte, versteht sich von selbst.

Immer mehr Destinationen setzen auf solche sogenannten Qualitätstouristen – Klasse statt Masse. Es soll nicht mehr nur um die schiere Zahl der Urlauber gehen. "Wir wollen den Erfolg des Tourismus nicht mehr nur quantitativ messen, sondern durch qualitative Ziele und Kriterien ergänzen", heißt es etwa in Berlins aktuellem Tourismus-Konzept. Der Grund: Im Vergleich zu anderen Metropolen sei der Tourismus in der deutschen Hauptstadt nach der Wiedervereinigung in kurzer Zeit sehr stark gewachsen, sagt Christian Tänzler von Berlins Destinationsmanagement- und Marketingorganisation Visit Berlin: "Und Wachstum kann nun einmal Wachstumsschmerzen mit sich bringen." Die Unmutsäußerungen Einheimischer gegen den Massentourismus nahmen zu. "Es ging lange nur um Wachstum der Gästezahlen", sagt Tänzler. "Wenn der Tourismus aber nachhaltig sein soll, dann geht das nur im Einklang von Gästen und Bewohnern."

Touristen fotografieren den Checkpoint Charlie in Berlin, Deutschland
In Berlin wirbt man um Urlauber, die echtes Interesse an der Stadt habenBild: Fabian Sommer/picture alliance/dpa

Mehr positive Begegnungen

Also gibt es in Berlin nun eine Qualitätsstrategie. Deren Ziele sind, dass es mehr positive Begegnungen zwischen Touristen und Berlinern gibt, dass die Einheimischen stärker von den Ausgaben der Urlauber profitieren und dass der Tourismus nicht zu Preissteigerungen führt. Außerdem soll das touristische Angebot bestimmte Mindeststandards erfüllen und der ökologische Fußabdruck der Urlauber so gering wie möglich ausfallen.

Dabei helfen nun eine ganze Reihe von Maßnahmen, ein Beispiel ist die App "Going Local", die Visit Berlin vor einiger Zeit herausgebracht hat. Darin finden Urlauber Ausflugstipps abseits der altbekannten Sehenswürdigkeiten. Die Idee dahinter: Die Touristenströme sollen sich besser auf die ganze Stadt verteilen. Man setze auf Besucher, die echtes Interesse an Berlin haben und die Stadt wirklich kennen lernen wollen. "Das ist nicht automatisch mit hohen Ausgaben verbunden",  sagt Tänzler. Qualitätstourismus bedeute nicht zwangsläufig, dass der Urlaub in Berlin teurer werde. "Unsere Qualitätsstrategie ist keine Fünf-Sterne-Strategie."

Touristen auf den Las Ramblas in Barcelona, die sich Wasser an einem Brunnen holen
Barcelona ist besonders vom Massentourismus betroffen. Hier Touristen auf den RamblasBild: Lorena Sopena/AA/picture alliance

Rucksacktouristen wäre man gerne los

Im Gegensatz zu Barcelona. Auch in der katalanischen Hauptstadt macht man sich angesichts der Auswüchse des Massentourismus Gedanken über die Steigerung der Qualität. Rucksacktouristen, die in billigen Hostels absteigen und dann an den Stadtstränden ausufernde Partys feiern, wäre man gerne los. Ganz bewusst setzt man daher auf die Aufwertung der Hotels, um das Angebot zu verteuern und so indirekt den Billigtourismus zu bekämpfen.

Dass das allein jedoch nicht automatisch dazu führt, dass nur noch Qualitätstouristen kommen, kann man gut auf Mallorca beobachten. Dort versucht man seit vielen Jahren, den Sauftourismus loszuwerden – unter anderem durch eine Qualitätsoffensive der Hoteliers. So ist die Zahl der Vier- und Fünf-Sterne-Hotels geradezu explodiert. Zu Anfang der 1980er-Jahre machten Ein- bis Drei-Sterne-Hotels noch 90 Prozent des Angebots auf der Insel aus. Heute sind es noch 35 Prozent. Besonders an der bei Deutschen beliebten Playa de Palma hofften die Hoteliers durch eine Modernisierung ihrer Häuser eine neue, gehobenere Klientel anlocken zu können. Mittlerweile gilt der Versuch als gescheitert: Trotz stark gestiegener Preise geht es an der Partymeile hoch her wie eh und je.

Der Poolbereich des Hotel 'Iberostar Christina' an der Playa de Palma, Mallorca
Auf Mallorca soll die Aufwertung der Hotels eine gehobenere Klientel anlockenBild: Augst/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Tagestouristen sollen Eintritt zahlen

Gedanken über Qualitätstourismus macht man sich auch in Venedig, wo der Massenandrang seit Jahren für Probleme sorgt. Ein entscheidendes Kriterium sei dabei die Aufenthaltsdauer der Urlauber, so ein Sprecher der Stadtverwaltung. "Wir wollen, dass diejenigen, die Venedig besuchen, dies tun, um mit dessen Seele und einzigartigem Rhythmus in Einklang zu kommen." Dafür sei ein Tag definitiv nicht genug. Deshalb soll es künftig eine Zugangsgebühr geben, die Tagestouristen bezahlen müssen, wenn sie in die Stadt wollen.

"Qualität hat nun einmal ihren Preis", sagt Jürgen Schmude, Professor für Tourismuswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. "Das kann man nicht wegdiskutieren", sagt er. "In den meisten Destinationen wird Qualität nun einmal am Umsatz pro Urlauber gemessen." Letztendlich bestehe bei der Konzentration auf diese Art Tourismus die Gefahr, dass das Reisen eine elitäre Angelegenheit werde, die sich nur noch bestimmte Bevölkerungsgruppen leisten können. In bestimmten Segmenten sei eine solche Entwicklung bereits teilweise zu beobachten, wie etwa im Skitourismus. "Einen solchen Urlaub kann nicht mehr jedermann bezahlen."

Museumsbesuche als Qualitätsindikator

In Berlin beharrt man dagegen darauf, dass sich die Qualität der Touristen nicht ausschließlich daran erkennen lässt, wie viel Geld sie in der Stadt lassen. "Das ist nicht unser Ansatz", sagt Christian Tänzler vom Stadtmarketing. Im Rahmen des Kulturmonitorings werde beispielsweise auch erfasst, wie viele Urlauber die 160 Museen der Stadt besuchen. Die hohe Zahl sei auch ein Indiz für Qualität.

 

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent