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MusikPanama

Rubén Blades: Der Salsa-Poet wird 75

16. Juli 2023

In Salsa-Kreisen ist er eine Legende, auf der Kinoleinwand ein bekanntes Gesicht. Und fast wäre er auch mal Präsident von Panama geworden. Jetzt feiert Rubén Blades seinen 75. Geburtstag.

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Ruben Blades mit Anzug und Hut singt ins Mikrofon
Rubén Blades Markenzeichen: Dunkler Anzug und Hut Bild: John Locher/AP/picture alliance

Es gibt Lieder, die haben Kultstatus; dazu gehört Rubén Blades' Ballade "Pedro Navaja". Der Panamaer schuf damit 1978 die lateinamerikanische Version der Figur Mackie Messer aus Bertolt Brechts "Dreigroschenoper". Wäre es nach den Plattenbossen des New Yorker Salsa-Labels Fania Records gegangen, hätte der Song über einen Gangster, eine Prostituierte und einen Säufer gar nicht erscheinen sollen.

"Sie sagten mir, ich sei verrückt. Das Lied sei eine Katastrophe und niemand werde die Platte kaufen", erzählte Blades Jahre später bei einer Pressekonferenz. Auch die Radiosender waren nicht begeistert: "Pedro Navaja" klang eher nach Kurzgeschichte und taugte nicht unbedingt zum Tanzen. Und mit mehr als sieben Minuten Länge passte das Lied auch nicht in das von Werbeblöcken unterbrochene Hörfunk-Programm. Allen Unkenrufen zum Trotz wurde das Stück dann doch ein Riesenhit - nicht nur in Lateinamerika. Und es festigte Rubén Blades' Ruf, einer der ganz Großen der Salsa-Musik zu sein.

Der Einfluss der selbstbewussten Großmutter

Rubén Blades Bellido de Luna wurde am 16. Juli 1948 in Panama-Stadt geboren und wuchs im Barrio (Stadtviertel) San Felipe auf. Sein Vater war ein kolumbianischer Basketballspieler und Perkussionist, die Mutter eine kubanische Pianistin, die in Hörfunkserien auftrat. Musik war im Hause Blades allgegenwärtig, und so griff auch der Sohn bald zur Gitarre.

Seine rebellische Ader und sein Aufbegehren gegen Ungerechtigkeiten hat Rubén Blades nach eigenem Bekunden seiner Großmutter zu verdanken. Die Familie hatte nicht viel Geld, aber auf die Frage, ob sie arm seien, so erzählte er einmal dem Magazin "Rolling Stone", habe sie geantwortet: "Wir sind nicht arm, wir haben bloß kein Geld. Ein Idiot kann im Lotto gewinnen und ist dann reich, aber er ist trotzdem weiterhin arm, denn er hat nur Geld. Wirklich arm ist der, der keinen Verstand und kein Bewusstsein hat."

Rubén Blades war gerade mal 17, als er das Lied "Pablo Pueblo" schrieb - die Geschichte eines Arbeiters, der jeden Abend müde in sein ärmliches Zuhause zurückkehrt und es nie auf einen grünen Zweig bringen wird. Der Teenager brachte so zu Papier, was er täglich in seinem Barrio erleben musste. Er entschied sich, Anwalt zu werden, weil er eine gerechtere Gesellschaft schaffen wollte, studierte Rechts- und Politikwissenschaft. Dass "Pablo Pueblos" Geschichte heute immer noch aktuell ist, macht ihn traurig, erzählte er kürzliche der spanischen Zeitung "La Semana". In vielen Ländern hätten sich die Bedingungen für die Arbeiter nicht geändert: bis zum Umfallen arbeiten und am Ende kein Pfennig zum Leben übrig.

Aufbruch in die USA 

Als Rubén die Uni besuchte, war in seiner Heimat Panama General Omar Torrijos an der Macht. Für die einen der "Lider Máximo de la Revolución Panameña" (Großer Führer der panamaischen Revolution), der dem Land die Unabhängigkeit gebracht hatte - für die anderen ein Diktator, der Oppositionelle ins Gefängnis werfen ließ. Blades Eltern flohen in die USA, der Sohn schloss sein Studium ab und folgte ihnen Anfang der 1970er-Jahre.

Dort hoffte er, als Musiker Karriere zu machen. Schließlich hatte er nie aufgehört zu singen und zu texten - wenn auch nur hobbymäßig. Blades klopfte beim renommierten Label Fania Records in New York an, das sich auf lateinamerikanische Musik spezialisiert hatte. Er bekam einen Job für 125 Dollar in der Woche - allerdings nicht wie erhofft als Musiker, sondern in der Poststelle. Dann kam ihm der Zufall zur Hilfe: In der Band von Ray Barretto, einem bekannten Latin-Jazz-Perkussionisten, fiel der Sänger aus und Blades durfte einspringen. Eine Riesenchance für den jungen Panamaer, der beim ersten Konzert im Madison Square Garden vor lauter Aufregung ganze Textzeilen vergaß.

Salsa mit Sozialkritik

Seiner Karriere tat das keinen Abbruch. 1977 stieg er als Sänger im Willie-Colón-Orchester ein. Rubén Blades machte Schluss mit den Wohlfühl-Texten à la "Vamos a gozar" (Deutsch: Wir werden Spaß haben) und mischte an der Seite von Colón die Welt des Salsa mit sozialkritischen Botschaften auf. Ihre erste gemeinsame Platte "Metiendo Mano" verkaufte sich blendend. Ein Jahr später erschien dann mit "Siembra" eine der erfolgreichsten Salsa-Scheiben aller Zeiten. Einer der Hits darauf: "Pedro Navaja". 

Ein weiterer: "Plástico" - ein Aufruf an alle Lateinamerikaner, sich nicht von der Welt des schönen Scheins in den USA blenden zu lassen, sondern auf innere Werte zu setzen. Ärger gab es dann, als "Tiburon" (Hai) erschien - eine Abrechnung mit dem Imperialismus der USA, die die Karibik verschlingen wollen. Seine Kritik habe nach linker Ideologie und Kommunismus gerochen - ein No-Go in den USA, sodass die Plattenfirma Zensur befürchtete und ihn sanktionierte, erzählte er später.

Rubén Blades ist ein Mann, der gern experimentiert und Neues ausprobiert. Der "Poet der Salsa" schrieb nicht nur eigene Texte, sondern vertonte auch einige des Kolumbianers Gabriel García Márquez. Der 2014 verstorbene Literatur-Nobelpreisträger kürte Blades mit dem Beinamen "Geschichten-Sänger" (cantador de historias).

Über einer Bühne mit Musikern hängt ein großes Plakat von Rubén Blades
2021 wurde Rubén Blades bei den Latin Grammy Awards als Mann des Jahres geehrt - mit dem einst verfemten Lied "Tiburón" Bild: Chris Pizzello/Invision/AP/picture alliance

Keine Musik für Salsa-Puristen 

Seit 1983 spielte Blades mit eigenen Bands und setzte auch auf einen neuen Sound: mehr Rock, mehr Jazz. Auf einer Platte mit dem alten Weggefährten Willie Colón wäre das nicht möglich gewesen. "Hätten die Salsa-Puristen rausbekommen, wo ich damals wohnte, hätten sie mich geholt und aufgehängt", erzählte Blades 2022 der Zeitschrift "Rolling Stone". Damals habe man nicht einfach so Stillrichtungen gemischt.

Rubén Blades mit Gitarre, hinter ihm ein Mann mit Trompete
Rubén Blades (vorne) in den 1980ern Bild: Everett Collection/picture alliance

Doch Bladés hatte sich längst einen Namen gemacht, und als er seiner überraschten Plattenchefin mitteilte, er wolle ein Album auf Englisch machen und zwar mit Bob Dylan, Lou Reed, Paul Simon, Sting und Elvis Costello, sie solle die Künstler bitte anfragen, blieb ihr der Mund offen stehen. Doch alle sagten zu, erzählt er, und 1988 kam "Nothing but the Truth" heraus. 

Karriere als Schauspieler

Und als wäre eine erfolgreiche Musikerkarriere mit 22 Grammys und Latin Grammys nicht genug, hat sich Blades auch als Schauspieler etabliert. An der Seite von Stars wie Robert De Niro, Penélope Cruz, Brad Pitt,  Whoopi Goldberg oder Bruce Willis spielte er in unzähligen Filmen und Serien mit. Zuletzt als ehemaliger Killer und späterer Friseur Daniel Salazar in acht Staffeln der Horrorserie "Fear the Walking Dead".

Die Schauspielerei eröffne ihm die Möglichkeit, ein weltweites Publikum zu erreichen, sagte er dem Rolling Stone. "Wenn ich eine Salsa-Platte mache, wird die von Leuten gehört, die Salsa mögen. Wenn ich einen Film mit Harrison Ford drehe, sehen den 400 Millionen Menschen von Bangladesch über Nigeria bis Mazedonien - an Orten, wo ich keine Ahnung habe, ob man Salsa dort überhaupt kennt." So sei er für alle sichtbar geblieben, als man ihn wegen des Songs "Tiburon" als vermeintlichen Kommunisten boykottiert habe. "Im Kino hat der Bann nicht gegriffen."

Bruce Willis und Rubén Blades stehen in einer Küche
Bruce Willis und Rubén Blades in einer Szene aus "Color of the Night" (1994)Bild: MGM/Courtesy Everett Collection/picture alliance

Engagement in der Heimat - und fast Präsident

In seiner Heimat erst recht nicht: In Panama wird der berühmte Sohn des Landes von allen verehrt. 1992 gründete er dort sogar seine eigene Partei "Papa Egoró". Zwei Jahre später kandidierte er für das Präsidentenamt und landete auf dem dritten Platz, von 2004 bis 2009 war er Tourismusminister. Und zwischendurch auch mal Sonderbotschafter der UN gegen Rassismus. Seit 2010 widmet er sich wieder verstärkt der Musik, tourt mit Roberto Delgado & Orquesta aus Panama um die Welt. Sein Domizil an der Seite seiner zweiten Frau Luba Mason bleibt New York.

Rubén Bladés und vier weitere Männer stehen nebeneinander, zwei halten einen Grammy in den Händen
Haben schon viele Grammys eingeheimst: Rubén Blades mit Roberto Delgado & Orchestra Bild: James Atoa/newscom/picture alliance

Noch lange nicht Schluss... 

Eigentlich wollte sich Rubén Blades schon vor Jahren zur Ruhe setzen. Doch seine letzten Konzerten haben ihn umgestimmt, verriet er kürzlich der kolumbianischen Zeitung "El País": "Da waren viele junge Leute. Sie sangen die Lieder mit, die wir herausgebracht hatten, als sie noch gar nicht geboren waren." Aufhören will er erst, wenn die Stimme nicht mehr mitmacht. Und so fit, wie sich Rubén Blades mit 75 auf der Bühne präsentiert, ist wohl noch lange nicht Schluss. Stattdessen dürfen sich die Fans auf eine Special Edition zum 45. Jubiläum von "Siembra" freuen. "Pedro Navaja" ist dann natürlich auch wieder mit von der Partie.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur