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Russischer Menschenrechtler Orlow zu Straflager verurteilt

27. Februar 2024

Oleg Orlow, Mitbegründer der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf kritisiert. Ein Gericht in Moskau verurteilt ihn dafür zu 30 Monaten Straflager.

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Russland | Prozess gegen Menschenrechtler Oleg Orlow
Der Menschenrechtler Oleg Orlow vor Gericht in MoskauBild: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa/picture alliance

Der bekannte Menschenrechtler Oleg Orlow ist wegen seiner Kritik am russischen Einmarsch in die Ukraine zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau befand den 70-Jährigen der angeblich wiederholten "Diskreditierung" der russischen Armee für schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess eine Haftstrafe von zwei Jahren und elf Monaten gefordert. Orlow leitete früher die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation Memorial als Co-Vorsitzender. Der Kremlkritiker gilt international als politisch Verfolgter.

Orlow wurde noch im Gerichtssaal in Gewahrsam genommen. Etwa 200 Unterstützer versammelten sich vor dem Saal, um den Menschenrechtsaktivisten zu verabschieden. Zur Urteilsverkündung waren auch mehrere westliche Diplomaten ins Gericht des Moskauer Stadtbezirks Golowinski gekommen. In seinem Schlusswort hatte Orlow am Montag gesagt, die Walze der Repression werde früher oder später diejenigen überrollen, die sie gestartet und vorangetrieben hätten.

"Beschämende Zensur"

Wenig später wurden Aufnahmen veröffentlicht, die zeigen, wie Orlow abgeführt und in einem Gefangenentransporter weggefahren wurde. "Dieses Urteil (...) hat nichts mit Recht oder Gerechtigkeit zu tun", teilten frühere Memorial-Mitglieder mit. "Das ist eine offene und beschämende Zensur, deren einziges Ziel darin besteht, Menschen für Meinungen zu verfolgen, die von der offiziellen abweichen, und jegliche Kritik an den Staatsorganen zu unterbinden."

Orlow hatte sich im Jahr 2022 in einem Artikel mit dem Titel "Sie wollten den Faschismus, sie haben ihn bekommen" deutlich gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine positioniert. In dem Text wies er auch ausdrücklich auf das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer hin.

Als "ausländischer Agent" diffamiert

Danach begann in Russland ein viel beachtetes Verfahren gegen ihn, das sich über mehrere Monate erstreckte. Im Oktober 2023 wurde zunächst überraschend nur eine verhältnismäßig niedrige Geldstrafe verhängt. Schon im Dezember aber hob eine Richterin das Urteil wieder auf und wies an, den Prozess komplett neu aufzurollen. Orlows Unterstützer befürchteten schon damals, dass der Aktivist, der in der Zwischenzeit auch noch von der Justiz als "ausländischer Agent" eingestuft wurde, letztendlich zu einer Haftstrafe verurteilt werden würde.

Orlow war bisher einer der wenigen russischen Oppositionellen, die nicht im Gefängnis sitzen oder im Exil sind. Er hat einen Großteil seines Lebens damit verbracht, Rechtsverletzungen zu dokumentieren - bereits in der Sowjetunion sowie in jüngerer Zeit.

Friedensnobelpreis für Memorial

Die 1989 gegründete Organisation Memorial dokumentierte mehr als 30 Jahre lang die Verbrechen der ehemaligen Sowjetunion in der Zeit des Kommunismus. Insbesondere dokumentierte sie Verletzungen der Menschenrechte und das Schicksal politischer Gefangener in Russland. Auf Antrag der Regierung ordnete das Oberste Gericht Russlands im Dezember 2021 das Verbot der Organisation und die Beschlagnahmung ihrer Büros an. 2022 wurde die Organisation mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Friedensnobelpreis für Bürgerrechtler

Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine vor rund zwei Jahren gehen Russlands Behörden besonders hart gegen Kritiker und Andersdenkende im eigenen Land vor. Erst vor rund anderthalb Wochen starb einer der bekanntesten russischen Oppositionellen, Alexej Nawalny, im Alter von nur 47 Jahren nach wiederholter Einzelhaft in einem Straflager. Nawalny galt bis dahin als wichtigster Widersacher von Staatschef Wladimir Putin.

kle/gri (afp, dpa, kna, ape, rtre)