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Schummeln für den Hiterfolg

Alfried Schmitz4. Februar 2014

Die Geschichte des deutschen Pop-Duos Milli Vanilli liest sich wie ein Drehbuch und hat die Dramatik einer Puccini-Oper. Aber sie ist kein Einzelfall. Für Ruhm und Geld wurde in der Musikwelt schon immer getrickst.

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Das deutsche Pop-Duo Milli Vanilli bei einem Bühnenauftritt (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Girl you know it's true" war 1988 der erste Hit von "Milli Vanilli". Die Single kam in vielen Ländern auf Platz Eins und verkaufte sich mehrere Millionen Mal. Auch die Debut-Langspielplatte wurde zum Verkaufsschlager. In den USA stand sie sieben Wochen lang auf dem Spitzenplatz. Sogar einen Grammy erhielten "Milli Vanilli" für ihre außergewöhnliche Leistung als Newcomer in den USA. Hinter dem grandiosen Erfolg stand der deutsche Produzent Frank Farian. Er hatte den richtigen Sound kreiert und mit dem Franzosen Fabrice Morvan und dem Deutsch-Amerikaner Robert Pilatus die richtigen Bühnen-Interpreten gefunden.

Im Studio hatten indes andere Sänger am Mikrophon gestanden. Ein regelrechter Etikettenschwindel. Der flog Ende 1989 auf, als bei einem vermeintlichen Live-Auftritt von "Milli Vanilli" in den USA die Bandmaschine streikte.

Mogelpackung fliegt auf

Der Skandal wurde perfekt, als sich Charles Shaw, als einer der wahren Sänger von "Girl you know it's true" öffentlich zu Wort meldete. Farian musste schließlich zugeben, dass es sich bei "Milli Vanilli" um eine musikalische Mogelpackung gehandelt hatte. Der Grammy wurde den beiden vermeintlichen Sängern daraufhin aberkannt.Pilatus und Morvan versuchten in den Folgejahren als "Rob & Fab" ihren Ruf wiederherzustellen und sogar Frank Farian wollte den beiden zu einem Comeback verhelfen, vergebens. 1998 wurde Robert Pilatus im Zimmer eines Frankfurter Hotels tot aufgefunden. Vollgepumpt mit Drogen und Alkohol. Eine wahre Geschichte, die zwischen Hollywoodstreifen und Oper liegt.

Etikettenschwindel kein Einzelfall

Auch bei einem anderen Projekt von Produzent Frank Farian wurde etwas nachgeholfen. Bei seiner Hitmaschine "Boney M." waren nicht alle Mitglieder in der Lage im Studio den perfekten Ton zu treffen. Lediglich die Stimmen der Sängerinnen Liz Mitchell und Marcia Barrett waren dem Projektleiter Farian gut genug. Den Gesangs-Part von Bobby Farrell übernahm Farian bei den Schallplattenaufnahmen lieber selbst.

Auf der Konzertbühne durften die vier Bandmitglieder zwar vors Mikrophon, wurden aber von stimmstarken Chorsängern unterstützt. Dem Erfolg des Quartetts tat dies keinen Abbruch. In der Disco-Ära waren solche kleinen "Tricks" an der Tagesordnung.

Pfusch in der Volksmusik?

In der Schunkelszene entbrannte ein wahrer Trompeterkrieg, der vor Gericht kam. Der belgische Musiker Alexandre Walempré behauptete, er sei als Solist auf diversen Stücken des bayerischen "Startrompeters" Stefan Mross zu hören. Dem Belgier ging es um einen finanziellen Nachschlag auf sein Honorar. Für ein gerichtliches Gutachten musste Mross beweisen, dass er Trompete spielen konnte.

Der Streit wurde nach neun Jahren außergerichtlich beigelegt. Um zu beweisen, dass er durchaus in der Lage war, auch schwierige Stücke zu blasen, trug Stefan Mross vor dem Millionenpublikum der beliebten ARD-Fernsehshow "Musikantenstadl" das Stück "Granada" fehlerfrei vor. Freispruch!

Der riesige Erfolg der Kastelruther Spatzen aus Südtirol sei auf einen großen Schwindel aufgebaut, brodelte es 2010 in der Gerüchteküche. Zwar spielten die Südtiroler Musiker auf ihren Konzerten leibhaftig, aber bei der Aufnahmearbeit lasse man sich lieber von Studioprofis vertreten, um den perfekten Sound hinzubekommen. Das gab der Sänger der Gruppe, Norbert Rier, schließlich auch zu. Er selbst habe allerdings bei den Aufnahmen seinen Mann gestanden.

Lediglich bei den ersten vier Alben haben die "Spatzen" selbst im Studio gearbeitet. Den von der deutschen Phonoakademie verliehenen "Echo"-Award mussten die Südtiroler allerdings nicht abgeben.

Notenklau in Klassik und Pop

Auch die Welt der Klassik hat ihre Skandale. Allerdings liegen die im Bereich des Plagiats, in der unerlaubten Aneignung geistigen musikalischen Eigentums eines anderen Komponisten. So soll Mozart in seiner berühmten "Zauberflöte" von Muzio Clementi "abgekupfert" haben, einer der Bach-Söhne, Wilhelm Friedemann, soll seinen eigenen Vater, Johann Sebastian, zu deutlich in einem Werk zitiert haben, das er als sein eigenes ausgab.

Plagiatsstreitigkeiten beschäftigen die Gerichte aber auch in Rock und Pop. Gary Moores Millionenhit "Still got the blues" soll angeblich von der deutschen Rockformation "Jud's Gallery" stammen. Bei einem Vergleich zahlte Moore schließlich 2009 eine nicht genannte Summe an die deutschen Musiker. Auch der Streit zwischen den beiden US-amerikanischen Sängern und Songschreibern Huey Lewis und Ray Parker Jr. wurde außergerichtlich geregelt.

Die Songs "I want a new drug" und "Ghostbusters" von 1984 klingen deutlich ähnlich, aber wer bei wem Notenklau begangen hatte, ließ sich nicht nachweisen. Einen Hiterfolg hatten übrigens beide.

Der dramatische Aufstieg und Fall der beiden "Milli Vanilli"-Protagonisten ist nun sogar als Experimantal-Multimedia-Oper auf eine New Yorker Bühne zu sehen. Denn, so sagen die Veranstalter, die "Milli Vanilli"-Story sei eine amerikanische Legende.

Garry Moore tritt beim Blue Balls Festival 2009 in Luzern auf (Foto: imago/imagebroker)
Garry Moore - auch er ließ sich "inspirieren"Bild: imago/imagebroker
Die Kastelruther Spatzen bei einem Auftritt im November 2013 in Basel (Foto: imago/Eibner)
Kastelruther Spatzen - sie arbeiten mit Studio-ProfisBild: imago/Eibner
Stefan Mross spielt Trompete (Foto: Getty Images)
Stefan Mross - er kann's dochBild: Getty Images
Die Gruppe Boney M. (Foto: DW popXport)
Boney M. und der Tänzer, der kein Sänger war
Frank Farian mit den ehemaligen Sängerinnen der Gruppe Boney M., Liz Mitchell (l) und Marcia Barrett (r), sie küssen den Produzenten auf die Wnagen bei der Premiere des Musicals "Daddy Coo"lim Jahr 2007 (Foto: picture-alliance/dpa)
Frank Farian - vom Erfolg verwöhnter StrippenzieherBild: picture-alliance/dpa