1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
SportGlobal

Sportswashing - Sport als Feigenblatt für gutes Image

14. Juni 2023

Nach dem Champions-League-Sieg von Manchester City und einer beachtlichen Fusion im Golfsport ist Sportswashing wieder ein heißes Thema. Was versteht man darunter? Was sind die Folgen und wie kann es verhindert werden?

https://p.dw.com/p/4SYnO
Mannschaft von Manchester City mit Champions-League-Pokal bei Siegerehrung mit Feuerwerk
Champions-League-Sieger Manchester City profitiert vom Investment Abu Dhabis und dient dem Emirat zur ImagepoliturBild: Manu Fernandez/AP Photo/picture alliance

Was ist Sportswashing?

Von Sportswashing spricht man dann, wenn autokratische Staaten den Sport oder große Sportereignisse nutzen, um ihr Ansehen in der Welt zu verbessern. Mithilfe des meist positiv wahrgenommenen Sports soll ein weltoffenes Image vermittelt werden, obwohl in den betreffenden Ländern Menschenrechte verletzt werden. Die englische Wortschöpfung wurde 2018 in das Oxford-Wörterbuch aufgenommen. Zuvor hatten Menschenrechts- und andere Nicht-Regierungsorganisationen das Wort verwendet. Mittlerweile ist es in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. In der heutigen Zeit wird vor allem Saudi-Arabien, Katar und China immer wieder Sportswashing vorgeworfen.

Welche Auswirkungen hat Sportswashing?

Immer mehr hochkarätige Sport-Großveranstaltungen finden in den entsprechenden Ländern statt. Saudi-Arabien hat mithilfe seines Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) immense Summen investiert, um große Sportevents und herausragende Sportler ins Land zu holen: WM-Boxkämpfe, hochkarätige Fußballspiele wie den spanischen Supercup, Golfturniere und Formel-1-Rennen. In der Formel 1 ist der saudische Erdölkonzern Saudi Aramco seit 2020 einer der Hauptsponsoren. Demnächst trägt Saudi-Arabien die asiatischen Winterspiele aus. Außerdem wird der Wüstenstaat Ausrichter der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft. Fernziel der saudischen Bestrebungen ist es angeblich, den Zuschlag für die Fußball-WM der Männer 2030 zu erhalten.

Saudi-Arabiens Kronprinz und Premierminister Mohammed Bin Salman beim Formel-1-Rennen in Jiddah
Saudi-Arabiens Kronprinz und Premierminister Mohammed Bin Salman beim Formel-1-Rennen in Jiddah Bild: SONG Irwen/ATP/picture alliance

Für Katar war die Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr sicherlich der bislang größte Coup. Zuvor hatten unter anderem bereits Weltmeisterschaften im Handball, der Leichtathletik und im Radsport in dem reichen Wüstenemirat stattgefunden. Saudi-Arabien und Katar sind aber auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen aktiv und besitzen oder sponsern europäische Fußballklubs, wie Newcastle United (Saudi-Arabien), den FC Barcelona und Paris St. Germain (beide Katar). Champions-League-Sieger Manchester City gehört seit 2008 der City Football Group, die mehrheitlich im Besitz der Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi ist. Der saudische PIF finanziert zudem einige Fußballklubs in der heimischen Liga, die mit Cristiano Ronaldo und Karim Benzema zwei europäische Superstars unter Vertrag nahmen. China nutzt dagegen vor allem die Veranstaltung der Olympischen Spiele für Sportswashing: Nach den Sommerspielen 2008 gingen auch die Winterspiele 2022 nach Peking.

Ist Sportswashing ein neues Phänomen?

Während der Begriff Sportswashing neu ist, beschreibt er trotzdem ein recht altes Verhalten. Bereits in der Antike machten sich zum Beispiel die Griechen Sportwettkämpfe wie die Olympischen Spiele zunutze, um politische Ziele zu erreichen. So sollen Politiker aus Athen im 5. Jahrhundert vor Christus - einer Zeit, in der man Kriege gegen Sparta führte - erhebliche Summen in Wagenrennen investiert haben, um durch gute Ergebnisse bei den Olympischen Spielen die Moral der eigenen Bürger zu stärken und gleichzeitig die Spartaner zu beeindrucken und einzuschüchtern.

Adolf Hitler at the opening of the Olympic Games, Olympische Spiele, Olympia, OS Berlin 1936 Left Reich, Minister Fuch,
Adolf Hitler (2.v.r) nutzte die Olympischen Spiele 1936 zu Propagandazwecken Bild: TopFoto/IMAGO

Aus der neueren Zeit sind die Olympischen Spiele 1936 im von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten regierten Deutschland ein Beispiel oder auch die Fußball-WM 1978 in Argentinien, wo damals eine Militärjunta herrschte, die ihre politischen Gegner folterte und ermordete. Tennisturniere in Südafrika während der Zeit der Apartheid gehören ebenfalls dazu. Und auch die WM-Boxkämpfe von Muhammad Ali in den 1970er Jahren im totalitären Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, und auf den Philippinen, die damals unter Kriegsrecht standen.

Was kann man gegen Sportswashing tun?

Bei der Vergabe von Großereignissen wie den Olympischen Spielen oder der Fußball-WM wäre es am wirkungsvollsten, sie von Anfang an nicht in Länder zu vergeben, in denen die Menschenrechte verletzt werden. Oder aber Verbesserungen bei den Menschenrechten zur Auflage zu machen, bevor man überhaupt als ernsthafter Bewerber in Betracht gezogen wird. Das ist in der Vergangenheit jedoch selten der Fall gewesen. Die Verbände, beispielsweise das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Fußball-Weltverband FIFA, argumentierten stattdessen: Gerade weil man Großveranstaltungen an entsprechende Länder vergebe, verbessere sich die Situation in Ländern mit kritischer Menschenrechtslage. Eine Sichtweise, die sich auch der FC Bayern zu eigen macht, wenn er das alljährliche Wintertrainingslager in Katar verteidigt.

Fans von Newcatle United protestieren mit Plakat gegen die Übernahme durch den saudischen Staatsfond
Letztlich wirkungslos: Proteste von Newcastle-Fans gegen die Übernahme durch den saudischen StaatsfondBild: Damian Spellman/empics/picture alliance

Um die ungehemmten Geldflüsse im Fußball innerhalb regulierter Grenzen zu halten, hat der europäische Fußballverband UEFA 2015 das Kontrollsystem Financial Fairplay (FFP) eingeführt. Es soll dafür sorgen, dass Europapokal-Teilnehmer nicht mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen - beziehungsweise die Differenz einen gewissen Rahmen nicht übersteigt. So soll verhindert werden, dass potente Sponsoren immer wieder Geld zuschießen, um teure Transfers und Gehälter zu finanzieren. Allerdings: Als mit Paris St. Germain und Manchester City zwei bedeutende Vereine gegen die Regeln verstießen und hätten sanktioniert werden müssen, erwies sich das FFP 2014 als "zahnloser Tiger": Nachdem die finanzstarken Klubeigentümer Druck auf die UEFA ausgeübt hatten, wandelte der Verband die Europapokal-Sperren der Vereine in Geldstrafen um. 2020 hob der Internationale Sportgerichtshof CAS eine UEFA-Sperre gegen ManCity wieder auf und senkte die ausgesprochene Geldstrafe von 30 auf 10 Millionen Euro.

Das IOC hat 2022 beschlossen, bei Olympia-Vergaben den Aspekt der Menschenrechte stärker einzubeziehen als bisher und einen "Strategischen Rahmenplan zu den Menschenrechten" verabschiedet. Bei künftigen Entscheidungen darüber, wer die Spiele veranstalten darf, wird man sich daran messen lassen müssen.

Warum kommen die betroffenen Länder mit Sportswashing oft dennoch durch?

Für europäische Fußballklubs sind mit den Millionen aus Katar, Abu Dhabi oder Saudi-Arabien plötzlich ganz andere Transfers möglich, wie die Ablösesummen beispielsweise von Paris St. Germain 2017 für Neymar (222 Millionen Euro) und 2018 für Kylian Mbappé (180 Millionen) zeigen. Newcastle United, vorher ein Klub aus dem unteren Mittelfeld der Premier League, hat nach der Übernahme durch die Saudis ebenfalls groß investiert. Am Ende der Saison 2022/2023 belegte Newcastle Rang vier und spielt nun erstmals seit 2002 wieder in der Champions League.

IOC-Präsident Thomas Bach mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping
IOC-Präsident Thomas Bach blendete die Menschenrechtsfrage im Bezug auf China oft ausBild: Denis Balobouse/REUTERS/dpa/picture alliance

Bei Verbänden wie der FIFA kommt neben dem Geld der Faktor Macht hinzu: Die immensen Beträge, die Länder wie Katar oder Saudi-Arabien bereit sind, für die Ausrichtung von Turnieren auszugeben, ermöglichen es zum Beispiel FIFA-Präsident Gianni Infantino, finanziell nicht so gut aufgestellten Mitgliedsverbänden großzügigere Zuwendungen zukommen zu lassen, um dort den Fußball zu fördern. Das sichert ihm umgekehrt wiederum die Stimmen dieser Verbände bei der nächsten Wahl und stärkt seine Macht. Kritiker und Kritikerinnen wie die norwegische Verbandspräsidentin Lise Klaveness haben dann kaum eine Möglichkeit, Gehör zu finden oder eine wirkungsvolle Opposition aufzubauen.

Für IOC-Präsident Thomas Bach bedeutet die Vergabe der Olympischen Spiele an Länder wie China einen garantiert reibungslosen Ablauf und weniger Diskussionen zum Beispiel über Bauprojekte, bei denen Natur zerstört wird oder Grundbesitzer enteignet werden müssen.