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Britisch-griechische Eskalation um den Parthenon-Fries

Sabine Oelze mit dpa | Sarah Hucal
30. November 2023

Der britische Premierminister Sunak hat ein Treffen mit seinem griechischen Amtskollegen Mitsotakis kurzfristig abgesagt. Es geht um die Rückgabe der Parthenon-Skulpturen. Wie soll es nach dem Affront weitergehen?

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Einige Marmor-Skulpturen in einem Ausstellungsraum, manche sind ohne Kopf.
Griechenland möchte die Parthenon-Skulpturen zurück nach Athen holenBild: Nicolas Economou/NurPhoto/IMAGO

Nach Ansicht von Kommentatoren könnte der Eklat um die Rückgabe von Kunstschätzen aus dem British Museum an Griechenland dem britischen Premierminister Rishi Sunak schaden. Dieser hatte ein Treffen mit seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis kurzfristig abgesagt. Medien in beiden Ländern bezeichneten Sunaks Aktion als "peinlich", "kindisch" und "unprofessionell". Auch in seiner Konservativen Partei wurde Sunak kritisiert. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Alicia Kearns, sagte, das Vorgehen sei schwer zu verstehen.

Mitsotakis sagte am Mittwoch dazu, es sei "ein unglückliches Ereignis" gewesen, aber "dadurch wurde die gerechte Forderung Griechenlands nach der Wiedervereinigung der Parthenon-Skulpturen nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in der Weltöffentlichkeit noch bekannter." Andere griechische Politiker reagierten empörter. Die britische "Times" zitierte Außenminister Giorgos Gerapetritis mit den Worten, die Ausladung sei unerhört. "Es ist eine massive diplomatische Taktlosigkeit. Selbst Israel und die Hamas kommunizieren." Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis kommentierte, die Forderung nach der Rückgabe der Kunstschätze sei "die Meinung von elf Millionen Griechen und vielen Millionen Menschen in aller Welt".

Fragmente des Parthenon-Frieses in einem Ausstellungsraum. Menschen laufen daran vorbei.
"Elgin-Marbles" nennen die Briten die Fragmente des Parthenon-Frieses aus AthenBild: Nicolas Economou/NurPhoto/IMAGO

Schlagabtausch zwischen Sunak und Mitsotakis

Der britische Premier wiederum teilte gegen Mitsotakis aus: "Es war klar, dass der Zweck des Treffens nicht darin bestand, substanzielle Fragen für die Zukunft zu diskutieren, sondern vielmehr, sich zu profilieren und Probleme der Vergangenheit neu zu verhandeln", sagte Sunak im Parlament in London. 

Sunak hatte das für Dienstag geplante Treffen mit Mitsotakis offensichtlich abgesagt, weil er über ein BBC-Interview verärgert war, in dem der Grieche erneut gefordert hatte, London solle die Friesteile des Parthenon-Tempels der Akropolis zurückgeben. Mitsotakis habe laut Downing Street mit dem Interview eine Vereinbarung gebrochen, das Thema nicht öffentlich anzusprechen. Das britische Kabinettsmitglied Mark Haper rechtfertigte die Absage des Treffens damit, dass an der britischen Position nicht zu rütteln sei. Die "Elgin Marbles" sollten Teil der ständigen Sammlung im British Museum bleiben, sagte Haper der BBC.

Andere Töne als zu Jahresbeginn

Noch Anfang des Jahres hatten Medien verkündet, eine Einigung im Rückgabestreit um den antiken Akropolis-Fries sei in Sicht. Im Januar 2023 bestätigte das British Museum in London Gespräche mit Athen über mögliche Leihgaben. Doch kurz darauf dementierte die britische Regierung und schloss eine dauerhafte Rückgabe aus. Sogar von einem diplomatischen Eklat ist die Rede.

Direkt nach der Absage hatte Mitsotakis am Montagabend mitgeteilt: "Die Positionen Griechenlands in der Frage der Parthenon-Skulpturen sind allgemein bekannt. Ich hatte gehofft, die Gelegenheit zu haben, sie mit meinem britischen Amtskollegen zu erörtern, ebenso wie die großen Herausforderungen der internationalen Lage: Gaza, Ukraine, die Klimakrise, Migration." Ein ersatzweise angebotenes Treffen mit Sunaks Vize Oliver Dowden verweigerte er. 

Griechenland beharrt auf Rückgabe der "Elgin Marbles"

Vor der Absage Großbritanniens hatte der griechische Regierungschef angekündigt, bei seinem Besuch auf die Rückgabe des Parthenon-Frieses zu pochen. "Sie sehen im Akropolismuseum, einem hochmodernen Museum, das zu diesem Zweck gebaut wurde, einfach besser aus", sagte er der BBC. Weiterhin sorgte er mit einem Vergleich für Aufsehen. Den Kunstschatz zu teilen, sei, als würde man die "Mona Lisa", das weltberühmte Gemälde von Leonardo da Vinci, in Hälften schneiden und diese im Pariser Louvre und dem British Museum ausstellen, fügte der Regierungschef hinzu.

Zugleich betonte er, es gehe Athen um eine Partnerschaft mit dem Londoner Museum. Dessen Aufsichtsratschef George Osborne hatte zuletzt offen über eine Leihe nach Griechenland gesprochen - wohlgemerkt unter der Bedingung, dass die "Elgin Marbles" anschließend nach London zurückkehren. Selbst eine Leihe kommt für Sunak aber nicht in Frage, wie sein Sprecher klarstellte. Doch der Wind dreht
sich. Am Dienstag forderte sogar die konservative Zeitung "Times", die bisher die Regierungsposition unterstützt hatte, die Rückgabe: "Die Skulpturen gehören nach Athen", hieß es im Leitartikel. Sie seien fundamental für die kulturelle Identität Griechenlands. 

Tourist:innen an der Akropolis in Athen in der Hitze.
Die Akropolis in Athen: Hier befand sich der Parthenon-Fries ursprünglichBild: Petros Giannakouris/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Vatikan gab Parthenon-Skulpturen zurück

Im März 2023 hatte bereits der Vatikan einige Fragmente des Parthenon-Frieses an Athen zurückgegeben. Ursprünglich zierte der Fries die obere Außenwand des 2500 Jahre alten Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen.Er zeigt viele Figuren und Opfergaben an die Göttin Athene anlässlich einer Prozession zum größten im antiken Athen stattfindenden Fest. Heute befindet sich ein Teil des Frieses im Athener Akropolis-Museum und ein größerer Teil im British Museum in London. Weitere Teile sind im Besitz französischer, italienischer, österreichischer und deutscher Museen.

In Großbritannien hält man die 56 Teile des 75 Meter langen Parthenon-Frieses für legal erworben. Griechenland hält dagegen, sie seien gestohlen worden. Der Streit darüber ist seit langer Zeit festgefahren. Die Marmorskulpturen stellen Szenen aus der griechischen Mythologie dar. In Großbritannien tragen sie den Beinamen "Elgin Marbles", benannt nach Lord Elgin, dem britischen Botschafter im Osmanischen Reich in Konstantinopel. Es war Elgin, der die Figuren Anfang des 19. Jahrhunderts von der Außenseite des Parthenon-Tempels aus der Akropolis in Athen schlagen ließ. Im Einvernehmen mit dem Osmanischen Reich, das damals über Griechenland herrschte, wurden sie nach Großbritannien geschafft. 

Die Parthenon-Skulpturen stehen auf Sockeln, davor haben sich Touristen im British Museum versammelt.
Die Parthenon-Skulpturen sind im British Museum zur Touristen-Attraktion gewordenBild: David Cliff/NurPhoto/picture alliance

Restitution war Thema im Wahlkampf Mitsotakis'

Der Rückgabestreit war Anfang des Jahres auch ein Wahlkampfthema. Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis, der im Sommer 2023 im Amt bestätigt wurde, hatte die Rückgabe des Frieses zu einem Teil seiner Wahlkampfstrategie gemacht. Zuletzt sprach der Premierminister bereits von "Fortschritten" und einem "Gefühl der Dynamik", während das British Museum nicht einmal zugeben wollte, dass überhaupt Gespräche geführt wurden.

Das Vereinigte Königreich besteht darauf, die Marmorskulpturen rechtmäßig erworben zu haben. "Diese Frage steht im Mittelpunkt der Restitutionsdebatte", glaubt Alexander Herman, stellvertretender Direktor des Instituts für Kunst und Recht und Autor des 2021 erschienenen Buches "Restitution: The Return of Cultural Artefacts" (Restitution: Die Rückkehr von Kulturschätzen). "Seit über 200 Jahren steht das Thema in Großbritannien und natürlich auch in Griechenland auf der kulturellen Agenda", so Herman in einem Interview 2021 gegenüber der Deutschen Welle.

Ein Mann läuft draußen in blauer Jacke, guckt ernst und zeigt mit dem Zeigefinger nach vorne.
Kyriakos Mitsotakis am 26. November in London Bild: Tayfun Salci/ZUMA Press/picture alliance

Rechtliche Hindernisse für die Rückgabe?

Im Gegensatz zu Großbritannien hat die Restitutionsdebatte in vielen Ländern Europas und selbst in den USA an Fahrt aufgenommen. So muss sich das British Museum dafür kritisieren lassen, dass es sich bisher sämtlichen Rückgabewünschen verweigert. Währenddessen hat Deutschland etwa mit der Rückgabe von Benin-Bronzen an Nigeria begonnen. In Deutschland wie in Frankreich ist die Restitution von Objekten aus kolonialen Zusammenhängen inzwischen ein großes kulturpolitisches Thema. 

Der Kopf eines Marmorpferds aus dem Parthenon-Fries auf einem Sockel.
Im Januar gab es zarte Annäherungen im Streit um die Restitution der MarmorskulpturenBild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance/dpa

Doch selbst wenn das British Museum beschließen sollte, die Fries-Stücke an Griechenland zurückzugeben, müsste zuvor ein nationales Gesetz gekippt werden. Bisher hindert der "British Museum Act" von 1963 das British Museum daran, Objekte aus seinen Sammlungen abzugeben, denn er definiert den Museumsbestand als "Nationales Erbe". Somit könnte das Parthenon-Fries am Ende wohl lediglich als Leihgabe nach Griechenland gelangen. Athen ist das zu wenig.

Ein Sprecher des Premierministers Rishi Sunak erklärte inzwischen, es gebe keine Pläne, das Gesetz zu ändern: "Unsere Position in dieser Frage hat sich nicht geändert", sagte er bereits im Dezember 2022 im Sender Euronews. "Entscheidungen über die Pflege und Verwaltung der Sammlungen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Museums und seiner Treuhänder. Die Parthenon-Skulpturen sind rechtlich Eigentum der Treuhänder und operativ unabhängig von der Regierung", fügte Sunaks Sprecher hinzu. Die Absage des Treffens mit seinem Amtskollegen Mitsotakis beweist, dass sich London in dieser Angelegenheit keinen Zentimeter bewegt hat.

Diese Artikel wurde am 30. November 2023 aktualisiert.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion