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Tod durch Ecstasy – kann Drug-Checking Leben retten?

29. Juni 2023

Sie wollten feiern - und fanden den Tod. Zwei Mädchen starben in Norddeutschland nach einer Überdosis Ecstasy. Mehr Prävention und Drug-Checking könnten helfen, solche Unfälle zu verhindern.

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"Punisher"  Tablette in der Hand eines Mannes
Klein, blau, potenziell tödlich: Ecstasy Pille "Blue Punisher"Bild: Ennio Leanza/KEYSTONE/picture alliance

Sie waren gerade mal 13 und 15 Jahre alt. Sie wollten leben, wollten etwas erleben, suchten den Rausch. Jetzt sind sie tot. Ursache in beiden Fällen ist vermutlich eine Überdosis Ecstasy.

Todesfälle mit Ecstasy kommen immer wieder vor. Auch als 2017 eine junge US-Amerikanerin im Berliner Club Berghain an einer Überdosis Ecstasy starb, erregte ihr Tod großes Aufsehen.

So tragisch jeder einzelne Todesfall ist: In der Statistik des Bundeskriminalamtes, BKA, liegt Ecstasy auf dem letzten Platz bei Todesfällen durch illegale Drogen. In den drei Jahren von 2020 bis 2022 kommen die BKA-Statistiker auf genau 27 Fälle. Dabei gehört Ecstasy zu den am häufigsten konsumierten illegalen Drogen in Deutschland. Nach Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys, ESA, hat einer von Hundert Befragten zwischen 18 und 64 Jahren in den letzten zwölf Monaten Ecstasy geschluckt.

Herzrasen, Überhitzung, Kreislaufkollaps - und manchmal: Tod

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA, betriebene Drogeninformationsseite drugcom.de warnt eindringlich vor den Gefahren beim Ecstasy Konsum. Von Herzrasen ist die Rede, vom Ansteigen der Körpertemperatur und Austrocknung, von Organversagen und Kreislaufkollaps. Eindringlich weist drugcom auch auf Todesfälle durch Ecstasy-Konsum hin – "überwiegend eine Folge von Überhitzung und dem nachfolgenden Nieren- oder Leberversagen".

Die drugcom Seite macht aber auch deutlich, warum besonders Partygänger zu der synthetischen Droge greifen: "Ecstasy hat die stimulierenden Effekte der Ursprungssubstanz Amphetamin: Die Konsumierenden fühlen sich wach und aktiviert." Vor allem aber listet drugcom weiter als "angenehm empfundene Effekte" auf: "Das Empfinden von Glücks- und Liebesgefühlen", oder auch "das Gefühl der Nähe zu anderen Menschen". Wie geschaffen, um die Nächte in den Clubs durchzutanzen.

Die Dosis macht das Gift

Allein die Dosis mache den Unterschied zwischen einem Gift und einer Arznei, schrieb im 16. Jahrhindert der deutsche Arzt Paracelsus. Wie zur Bestätigung fällt der bittere Tod der beiden Mädchen in die gleiche Woche, in der in den USA die Food and Drug Administration, FDA, einen Leitfaden für Untersuchungen mit psychedelischen Drogen veröffentlichte, in dem auch Ecstasy eine Rolle spielt. In den USA wird die Substanz schon seit einigen Jahren erfolgreich zur Behandlung von Posttraumischen Belastungsstörungen, PTSD, bei Veteranen des Militärs eingesetzt. Aber eben mit sicherer Dosierung und ohne gefährliche Beimischungen.

Wer sich auf dem Schwarzmarkt versorgt, hat diese Sicherheit nicht. Und in ihrem jüngsten Bericht stellte Mitte Juni die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EMCDDA, insgesamt einen "weiterhin historisch hohen Wirkstoffgehalt" der illegal gehandelten Ecstasy-Pillen fest. "Die Verfügbarkeit stärkerer Produkte erhöht möglicherweise das Risiko von Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit dem Konsum dieser Substanz", halten die Autoren in ihrem Bericht trocken fest.

Drug-Checking für informierten Konsum

Sommer ist Festival-Saison. Beim beliebten Kultur- und Techno-Festival "Fusion" an der Mecklenburgischen Seenplatte sind nach Agenturberichten bereits Pillen mit dem gleichen Aufdruck wie jene aufgetaucht, die den beiden Mädchen den Tod gebracht haben sollen: "Blue Punisher". Die Partygänger wurden gewarnt. In Berlin steht am 8. Juli die Neuauflage der "Love-Parade" mit potenziell Hunderttausenden Feiernden an, massiver Ecstasy-Konsum inklusive. Meist ohne zu wissen, was genau sie da schlucken.

Immerhin: In Berlin können seit Anfang Juni Drogenkonsumenten ihre auf dem Schwarzmarkt gekauften Substanzen kostenlos testen lassen. Nach jahrelangen Diskussionen und Vorbereitungen hat das sogenannte "Drug-Checking" begonnen, bei dem Inhaltsstoffe analysiert und Verunreinigungen entdeckt werden sollen. Innerhalb von drei Tagen soll das Ergebnis vorliegen.

Felix Blei vom Kooperationspartner "miraculix" aus Jena zeigt ein Testverfahren für das Drug Checking im mobilen Labor.
Risiko minimieren: In Thüringen ist ein mobiles Testlabor für Drug-Checking unterwegsBild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

"Hätten wir schon flächendeckendes Drug-Checking und wäre das auch breit kommuniziert worden, hätte das die tragischen Unfälle vielleicht verhindern können", meint der Toxikologe und Drogenexperte Fabian Pitter Steinmetz im Hinblick auf den Tod der beiden Teenager.

In Berlin war bereits in den ersten Wochen die Nachfrage nach den Drogentests so hoch, dass viele Proben nicht angenommen werden konnten. Erstes Zwischenergebnis: Ein Drittel der eingereichten Substanzen ist überdosiert oder verunreinigt.

Kinder- und Jugendärzte hatten sich nach dem Start aus Gründen der Prävention für eine Ausweitung ausgesprochen. Mindestens vier Bundesländer wollen Berlin folgen und ebenfalls kostenlose Drogentests einführen. Möglich werden soll das durch ein neues Gesetz, das künftig solche Angebote bundesweit ermöglichen soll. Im Bundestag wurde das Gesetz bereits beschlossen, den Bundesrat muss es noch passieren.

Zugang von Jugendlichen zu Drug-Checking

Drogenexperte Steinmetz hält es für wichtig, dass auch Jugendliche Zugang haben zu Drug-Checking. "Weil gerade Jugendliche relativ wenig über die Produkte wissen und weil sie relativ wenig akzeptanzorientierte Beratung kriegen." Für den Toxikologen ist das Drug-Checking auch eine Gelegenheit, Einblicke in die Drogenszene zu bekommen - und vor allem Zugang zu Konsumenten. "Die typischen Partydrogenkonsumenten kriegt man als Sozialarbeiter oder Drogenberater nie zu Gesicht", sagt Steinmetz der DW. "Der Großteil der Leute, die diese Partydrogen am Wochenende nehmen, haben keinen problematischen Konsum. Trotzdem würde eine Beratung auch ihnen helfen, zukünftige Probleme zu vermeiden und Gefahren zu minimieren".

Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein